Donnerstag, 25. September 2014

Und alle Zehennägel rollen sich hoch

Seit Ewigkeiten mal wieder ein bisschen auf Facebook herum gestöbert, ehemalige Mitschüler ein bisschen gestalkt, weil ich wissen wollte, was die jetzt eigentlich so treiben.
Aha, der studiert, die andere macht eine Ausbildung zur Bürokauffrau…uh, die nächste hat sogar schon ein Kind! Gleich mal ein paar Bilder des Kindes, die sie einfach postet anschauen. Schon niedlich das kleine.

Und dann unter einem Kinderbild ein Link zu einem Blog. Zeit zum Aufwachen, es geht um Impfungen. Mhm, klingt ja schon mal interessant und so, als wären da Impfgegner aktiv. Gleich mal anklicken.
Und wirklich: ich lag ganz richtig mit meiner Vermutung.

Ein Forscher, der ehemals an Impfungen gearbeitet hat, wird interviewt. Er erzählt, wie verunreinigt die ganzen Impfstoffe sind. Er erklärt, dass gar nicht bewiesen ist, dass Geimpfte wirklich geschützt sind. Auch wenn man gegen Masern geimpft wurde und sie nicht bekommen hat, lag das ja vielleicht auch nur daran, dass man keinen Kontakt zu dem Virus hatte. Und wenn man gesund lebt und glücklich ist - der Geist macht nämlich den Großteil des Immunsystems aus; muss man wissen - bekommt man die Krankheit auch ohne Impfung nicht.

Und sowieso: Impfungen verursachen Autismus, Impfungen lösen die Krankheit aus, vor der sie schützen sollen und wenn das Kind durch die Impfung schon nicht autistisch wird, dann werden dadurch zumindest seine geistigen Möglichkeiten eingeschränkt. Aufmerksamkeitsstörungen, Wutanfälle oder einfach nicht im Vollbesitz der geistigen Fähigkeiten? Das muss an der Impfung liegen!

Eine Infektion durchzumachen, lässt das Kind stark werden und reifen, jawoll. Ein paar sterben vielleicht, ein paar haben vielleicht Komplikationen (bei Mumps beispielsweise Hirnhautentzündung oder Hodenentzündung, die zu Unfruchtbarkeit führen kann) aber hey: das Kind ist daran gewachsen und gereift!

Impfungen sind Gift, die Pharmaindustrie verheimlicht das aber, denn schließlich verdient sie Geld damit. Und abgesehen davon wirken Impfungen auch sowieso nicht schützend.

Natürlich dürfen in so einem Artikel ein paar willkürlich eingestreute Bilder von kranken, Mitleid erregenden Kindern nicht fehlen. Erste Assoziation: Oh Gott, die armen Kinder wurden geimpft und sind jetzt todkrank! Aber nein: das Kind auf dem ersten Bild hat Pocken. Wäre ihm mit Impfung nicht passiert. Das schreibt man in so einem Artikel aber nicht drunter.
Die anderen zwei Bilder sind nicht mal beschriftet. Some random schwer kranke Kinder einfach um dem Text Nachdruck zu verleihen.

Beim Lesen des Artikels haben sich mir die Zehennägel hoch gerollt. Wer verbreitet so einen pseudowissenschaftlichen Mist, dessen Ziel es primär ist, Panik zu machen?!
Impfungen sind eine unheimlich geniale Sache, denn sie ermöglichen es, präventiv dafür zu sorgen, dass man gar nicht erst erkrankt. Das ist noch ein Stück besser als das perfekte Medikament, dass die schon eingetretene Krankheit zuverlässig und sicher heilt.
Warum sollte ich auf diese geniale Erfindung freiwillig verzichten? Klar, so eine Nadel im Arm ist nicht das angenehmste, was ich mir vorstellen kann, danach vielleicht einen Tag leichter Schmerz im Muskel, in den injiziert wurde - aber lieber das als sich tatsächlich in Tetanus Krämpfen zu winden nur weil ich mir bei der Gartenarbeit an einem morschen Holzstück eine Verletzung zugezogen habe.

Was auch großartig an Impfungen ist: wenn die Bevölkerung größtenteils geimpft ist, wird sich für den Fall, dass es doch mal ein Kind mit Masern im Kindergarten gibt, der geimpfte Teil dessen Kontaktpersonen nicht anstecken. Damit schützt man auch die Ungeimpften in gewisser Weise vor weiterer Verbreitung der Masern, weil man sich ja nicht ansteckt und infektiös wird, wenn man geimpft wurde. Das funktioniert aber auch nur solange der Großteil der Bevölkerung die schützenden Impfungen erhält. Herdenschutz nennt sich das.

Ich verstehe nicht wirklich, wie sich solche Impfgegner an ihren Behauptungen festhalten können. Es erinnert mich an übertriebenen religiösen Wahn. Die Erde ist eine Scheibe und Impfungen machen krank. Vielleicht ist es die Angst vor den Dingen, die man nicht genau versteht.
Ich finde es sehr schade, dass mit solchen Artikeln die Angst bewusst geschürt wird. Statt aufzuklären, was für Vorteile und auch Risiken Impfungen bieten, wird einfach eine Panik machende Verschwörungstheorie aufgetischt. Es macht mich wütend, so etwas zu lesen aber gleichzeitig auch einfach traurig, wenn ich daran denke, dass genau solche Artikel Eltern vielleicht dazu bringen, ihr Kind nicht impfen zu lassen.

Wenn ihr wollt, könnt ihr den Artikel, der mich so verärgert hat hier lesen. Ich übernehme keine Garantie für die danach entstehenden Schäden, wenn ihr vor Wut, dass solch ein Schwachsinn verbreitet wird, schwere Gegenstände durchs Zimmer werft.

Wie steht ihr zu dem Thema?

Apfelkern

8 Kommentare:

  1. Boah, das Thema... Wie kann man nur so verantwortungslos sein?
    Eine ehemalige Kollegin von mir, die ist Apothekerin, kennt eine andere (Kommilitonin), die ihr Kind ebenfalls nicht impfen lässt. Und sie und ihr Mann nehmen homöopathische Sachen, um ihre eigenen Impfungen äh auszuspülen. WTF?!
    Eine andere erzählte von ihrer Veganer Schwägerin, die ihr Kind auch nicht impfen lässt.
    Was ist nur los mit den Leuten?

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    1. Impfungen ausspülen - das habe ich ja auch noch nie gehört. Aber lieber erst geimpft werden und dann mit homöopathischen Sachen ausspülen als nie geimpft zu werden. Ich hab nämlich die Vermutung, dass die Sache mit dem Ausspülen den Impfschutz nicht unbedingt zerstört.
      Aber schon irre, was man sich alles für unnötiges Zeug ausdenkt.

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  2. Ich bin grad etwas geschockt, denn Impfen ist bei uns in der Region eigentlich kein Diskussionsthema. Zumindest habe ich nie jemanden getroffen, der nicht einen tadellosen Impfausweis hat (zugegeben wahrscheinlich nur bis Vollendung des 18ten Lebensjahres). Ist das vielleicht auch etwas dass die Nation gespalten hat? Als guter DDR Bürger hat man halt das Kind geimpft. Wobei ich mir sicher bin, dass die Seite auch wenig gut recherchierte Argumente gebracht hat, sondern die Leute es halt so angenommen haben.
    Ich bin auf jeden Fall froh auch unter Heulkrämpfen immer geimpft worden zu sein. ;)
    Prophylaxe ist damals wie heute wichtig und hat auch nichts mit "Kinder müssen auch mal Dreck essen und abhärten" zu tun.

    Hast du eigentlich einen Kommentar für die Schulkameradin hinterlassen? Das hast du ganz verschwiegen. ;)

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    1. Dann kommst du eindeutig aus einer guten Gegend, wenn man nicht diskutieren muss, die Tetanus Impfung auffrischen zu wollen.
      Ich denke schon, dass die "neuen Bundesländer" in Sachen Impfen leichter zu handhaben sind, weil die Leute es einfach als normal ansehen, das regelmäßig zu machen.

      Einen Kommentar habe ich ihr nicht hinterlassen. Einerseits, weil ich nie engen Kontakt zu ihr hatte und nicht mal auf Facebook mit ihr befreundet bin (sondern nur das Kinderfoto angeklickt habe, um heraus zu finden, ob es ihr Baby ist) und andererseits auch, weil ich nicht denke, dass es sie wirklich beeindruckt hätte. Das Thema ist zu komplex um es in einem kurzen Kommentar abzuhandeln und Impfgegner oft zu hartnäckig, sich überzeugen zu lassen. Man kann nur hoffen, dass sie ihr Kind vielleicht doch noch impfen lässt.

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  3. Nicht impfen? Das wär mir gar icht in den Sinn gekommen. Mumps, Masern, Röteln, ..... zu impfen ist für mich irgendwie selbstverständlich. Mir gings nach dem impfen auch immer gut und ich erfreue mich bester Gesundheit ;)

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    1. Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, ist es aber leider inzwischen nicht mehr unbedingt. Nebenwirkungen beim Impfen gibt es kaum und wenn dann ist es meist nur leichter Muskelschmerz am Arm, in den injiziert wurde. Aka nicht weiter wild und den daraus resultierenden Schutz absolut wert.

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  4. Ich habe im Verwandtenkreis auch einen Teil, der sehr alternativ ist. Und der seine Kinder nicht impfen lässt. Für meine Begriffe unverantwortlich. Aber derzeit kann man sich noch auf besagtem Herdenschutz ausruhen. Ich finde deshalb Bestrebungen bspw von Kindergärten, ungeimpfte Kinder nicht anzunehmen, gut.
    So, und in zwei Wochen hab ich meinen Termin für die dritte MMR. (In der DDR wurden wohl in den Achtzigern nur zwei gemacht, was auch als ausreichend galt. Meine Ärztin meinte allerdings, dass der Wirkstoff wohl nicht der Beste war, drum sollte man lieber eine Impfung nachsetzen?! Dass ich keine Ahnung habe, zeugt allerdings anscheinend auch nicht unbedingt von Aufgeklärtheit. Schwierige Schote.)

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    1. Das Wort unverantwortlich trifft es absolut. Es gibt einen Grundimpfschutz, den jeder haben sollte: Polio, Tetanus, Diphterie, Pertussis, Mumps, Masern, Röteln etc.
      Dinge wie die Hepatitis A Impfung ist vielleicht kein Muss, wenn man nicht reist oder auch die jährliche Grippeimpfung, würde ich nicht jedem empfehlen, sondern nur Kindern, Alten, Immunschwachen und medizinischem Personal.
      Gesetzlich vorschreiben kann man Impfungen leider nicht und ich habe die Befürchtung, dass es besonders bei vielen eher "alternativen" jungen Eltern nicht unbedingt die Regel wird, das eigene Kind impfen zu lassen.

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