Angefangen hat es damit, dass mein Handy über den Jordan befördert wurde. Meine Schwester griff nicht richtig zu und -zack! - wurde mein armes Telefon von der Metallecke eines herabfallenden iPhones zertrümmert. Das komplette Display ist gesplittert. Na geil. Meine erste Hoffnung war, es noch weiter benutzen zu können, bis ich einen Ersatz habe. Immerhin sieht man oft Menschen Handys mit zersplitterten Displays bedienen.
Aber Pustekuchen: der Display leuchtet zwar noch, das Telefon empfängt noch fröhlich Nachrichten und plingt entsprechend vor sich hin aber der Display reagiert auf Berührungen überhaupt nicht mehr. Also nix mit Telefon noch benutzen, bis Ersatz da ist.
Nach Ersatz recherchiert, sich für das Moto X entschieden (niemals würde ich mir so ein hinterhältiges iPhone anschaffen - die lauern doch nur darauf, friedliche Android Geräte hinterrücks anzufallen und zu eliminieren!) und dann statt auf der Website des Herstellers bei Amazon bestellt, da das Telefon dort generell 30 Euro weniger kostete und die 32GB Variante genauso teuer wie die 16GB Variante war. Es hieß zwar, dass das 32GB Modell noch nicht verfügbar aber vorbestellbar sei. Der Sparfuchs in mir hat auf bestellen geklickt - und jetzt sitze ich über zwei Wochen später immer noch ohne Telefon da. Eine Information, ab wann das Gerät versendet wird, gibt es auch nicht.
Seit ich ein Handy habe, nutze ich es auch als Wecker. Soll heißen ich musste mich auch nach einem Ersatzwecker umsehen. Nur zu blöd, dass ich meinen alten laut tickenden Wecker schon vor Jahren entsorgt hatte. Der erste Wecker, den ich als Ersatz fand, versagte und ich verschlief erst mal drei Vorlesungen. Großartig. Zwei Tage später das gleiche: Nächster Wecker hat zwar anscheinend geklingelt aber ich habe davon nichts mitbekommen. Ergebnis: Seminar verpasst. Spätestens an dem Punkt, war ich einfach nur noch frustriert und fertig mit den Nerven. Kein mobiles Kommunizieren, Navigieren und Recherchieren. Obendrauf noch die ständige Angst, wieder zu verschlafen, weil man keinen ordentlichen Wecker hat. Irgendwann war ich an dem Punkt, an dem ich einfach nur noch etwas kaputt machen wollte, weil ich so sauer auf mich selbst und verärgert über die Welt war. Schon krass, wie sehr einen das Leben ohne Mobiltelefon aus der Bahn werfen kann.
Problemlos könnte ich weiter umher schimpfen über diese verflixte Woche, in der beim Praxistag der Uni das Wartezimmer so leer war, dass ich nach den zwei Patienten gehen konnte und damit insgesamt eine Stunde sinnlos hin- und her gefahren bin oder dass ich für eine fehlende Kommilitonin beim Kommunikationstraining das Gespräch spontan und unvorbereitet übernehmen musste und den wahrscheinlich stursten und aggressivsten Schauspieler ever als "Patienten" hatte oder auch, dass ich wenn ich Menschen mit funktionierendem Smartphone sehe (also immer) schreien könnte, weil mein Telefon kaputt ist. Aber ich habe ja letztens erst in einem Kommentar gelesen, dass der Blogger sich in seinen Posts nicht nur auskotzen soll, denn das will niemand lesen. Also werde ich der Frage nachgehen, ob ein Leben ohne Smartphone für Personen unter 30 heutzutage möglich ist.
Sagen wir es so: ich habe inzwischen genau zwei Wochen lang ohne überlebt. Mehr schlecht als recht aber überlebt. Wie abhängig ich im Alltag von meinem Laptop bin, habe ich schon einmal berichtet und mit dem Telefon verhält es sich ähnlich.
Man bekommt alle Nachrichten verzögert und die bei Messengern wie dem verfluchten WhatsApp, das man nur vom Telefon aus aufrufen kann, gar nicht. Da lobe ich mir doch wieder die Google Hangouts, die man auch vom PC aus lesen und schreiben kann. Anrufe und SMS kann man sowieso vergessen.
Was mir wirklich fehlt, ist die Möglichkeit, unterwegs zu navigieren - für Menschen wie mich, die ohne Orientierungssinn geboren worden, ist das lebensnotwendig. Jetzt male ich mir vor Konzerten wieder Zettel mit Kartenskizzen, wie ich vom Bahnhof zum Veranstaltungsort komme. Ohne Google Maps muss ich jetzt auch Leuten, die mich nach dem Weg fragen, leider sagen, dass ich keinen Plan habe und auch nicht mal schnell nachsehen kann. Außerdem vermisse ich es sehr meinen Terminkalender einfach schnell aufrufen zu können. Statt nur das Telefon aus der Tasche zu nehmen, muss ich jetzt jedes Mal den Laptop dafür auspacken.
Schnell unterwegs mal Notizen machen mit Google Keep? Fehlanzeige. Packstation? Funktioniert nicht ohne mTAN, die man nur über SMS empfangen kann. Genauso wenig wie ich zuverlässig durch eine App an die Einnahme der Pille erinnert werde. Zum Glück ist das schon recht tief in mir verankert, zur entsprechenden Zeit daran zu denken.
Selbst das Gelingen der Überraschung bei einer Überraschungsparty stand auf der Kippe, da ich ohne eigenes Handy von unterwegs nicht das Signal geben konnte, dass wir gleich da sind und die Gäste sich bereit machen sollen, dem Geburtstagskind aus dem Flur entgegen springen.
Vorlesungsfolien mal schnell abfotografieren, Kommilitonen anschreiben, ob man jetzt auch im richtigen Seminarraum ist oder mobil twittern - all das geht nicht mehr. Leider kann ich auch generell keine Bilder machen, da ich keinen Fotoapparat habe. Das Handy hat dafür absolut ausgereicht. Aber ohne gibt es keine Bilder von meinen gehäkelten Werken, die ich vielleicht zu einem Häkeltutorial auf dem Blog hätte verarbeiten können.
Nun habe ich während der Bahnfahrten deutlich mehr Zeit, die ich meistens dazu nutze, Vorlesungen vor- oder nachzubereiten - der Laptop ist mir ja zum Glück geblieben. Nur bei kürzeren Fahrten oder Wartezeiten, bei denen es sich nicht lohnt, den Laptop auszupacken, sitze ich rum und ärgere mich, dass ich jetzt nicht mal ein paar Tweets lesen kann. Tja, vielleicht sollte ich ein Buch einpacken und immer in diesen fünf Minuten lesen.
Von nervigen Nachrichten kann ich nun nicht mehr unterwegs belästigt werden aber so schlimm war das auch vorher mit diesen Nachrichten nicht. Ich glaube, je mehr man sein Mobiltelefon zu nutzen gewöhnt ist, umso mehr fehlt es dann, wenn es mal nicht da ist. Und ich habe gefühlt alles damit gemacht.
Was ich aber bemerke, ist, dass man mit viel offeneren Augen durch die Gegend läuft, da man die Aufmerksamkeit eben nicht noch mit dem parallelen Lesen von Tweets oder Ingress spielen teilt. Man ist generell viel weniger abgelenkt davon, dass das Handy ja jederzeit vibrieren könnte und man antworten muss. ToDo Listen oder Einkaufszettel schreibe ich jetzt analog auf Zetteln. Da sind die Notizen immer deutlich zerfledderter und weniger gut lesbar aber irgendwie geht es auch so. Man kann nach dem Luxus, ein Smartphone besessen und genossen zu haben, auch wieder ohne überleben und sogar positive Seiten daran entdecken. Aber ehrlich gesagt: wenn ich die Wahl habe, bleibt das kein Dauerzustand. Und tatsächlich: das neue Telefon ist endlich auf dem Weg zu mir!
Apfelkern