Mittwoch, 3. September 2014

Mitfahrgelegenheit: Abenteuerreisen der anderen Art

Von Berlin nach Köln, wo ich ja kürzlich beim Bloggertreffen war, ist es schon ein Stückchen Strecke, das man zurücklegen muss. Selber fahren? Es scheitert am nicht vorhandenen eigenen Auto. Bahn fahren? Viel zu teuer! Fernbus? Irgendwie habe ich spontan kein richtig günstiges Angebot gefunden oder die Busse waren planmäßig ewig unterwegs. Laufen? Nein. Der Vorschlag war aber eh nicht ernst gemeint. 
So entschlossen wir uns letztendlich, die Sache mit der Mitfahrgelegenheit zu testen.

Erst einmal die Website aufrufen, sich anmelden und Start- und Zielort eingeben. So weit so gut. Dann kam gleich das erste Gefühl, überfordert zu sein. Es gab diverse Fahrer, die anboten, einen mitzunehmen. Man konnte Bewertungen lesen, Beschreibungen des Fahrstils, des Fahrzeugs, des Fahrers und je nach Profil auch mal mehr oder weniger. Nachdem ich die rauchenden Raser, die zu unmöglichen Zeiten fuhren, aussortiert hatte, habe ich den Fahrer, mit dem wir gerne fahren wollten, angerufen.

Was mir gleich ein etwas mulmiges Gefühl gab, war die Stimme des Fahrers, der einen türkischen oder arabischen aber jedenfalls nicht deutschen Klang hatte. Ach was, jetzt mal bitte wieder aufhören mit dem negativen Denken und den Vorurteilen - der nicht deutsche Ursprung sagt ja wohl nichts darüber an, ob der Fahrer mich wohlbehalten nach Köln bringt! Also wurde die Tour gebucht, Absprache erfolgte rein telefonisch.

Für die Reservierung der Rückfahrt verlief der Prozess ganz anders. Die Telefonnummer des Fahrers war auf der Seite direkt gar nicht angegeben, sodass man über ein Buchungsformular die Fahrt reservieren musste. Man musste die eigene Handynummer angeben und bekam dann via SMS auch die Mobiltelefonnummer des Fahrers.
Den rief ich also an und war erst mal schwer erleichtert, dass er völlig akzentfreies Deutsch sprach. Er bat um eine Bestätigung per SMS von mir und Karo, die auch mit nach Köln gefahren ist, damit er sicher sein kann, dass der zweite Mitfahrer auch dabei ist und er die Nummer hat.
Das lief doch gleich mal professioneller. Ein wenig komisch aber verständlich war, dass er wollte, dass ich die Buchung storniere, denn bei Mitfahrgelegenheit über den Buchungsvorgang georderte Fahrten, kosten den Fahrer Geld. Ich war ein bisschen überrascht darüber, denn schließlich gibt es mir als Mitfahrer Sicherheit, eine Bestätigungsmail im Postfach zu haben und zu wissen, dass alles offiziell geregelt ist und klar geht.

Irgendwann kam dann der Tag der Reise. Wir waren pünktlich am Berliner Hauptbahnhof, der Fahrer auch. Erleichterung.
Die erste Überraschung war für mich, dass das Auto kein kleines Privatauto sondern ein kleiner Bus mit sieben Plätzen war. Mir dämmerte, dass Mitfahrgelegenheiten für den Fahrer nicht nur eine Möglichkeit sind, wenn er eh von A nach B muss, Leute mitzunehmen und dadurch Benzinkosten zu sparen, sondern dass es ein regelrechtes Gewerbe für ihn ist.

Irgendwie habe ich mir bei der Buchung vorgestellt, dass Karo und ich die einzigen Mitfahrer in diesem Fahrzeug wären aber so war es nicht. Es kamen noch vier andere, die alle die gleiche uns nicht verständliche fernöstliche Sprache beherrschten. Während sie so vor sich hin redeten und ich absolut nichts verstand, fühlte ich mich schon ein wenig unwohl.

Die Fahrt verlief zuerst komplikationslos. Der Fahrer telefonierte die ganze Zeit, was mich ein bisschen nervös machte und die ganze Atmosphäre, wie wir eng zusammen gerückt im Auto saßen, trug auch nicht zur Beruhigung bei aber wir kamen voran.
Wir hatten schon zwei der anderen Passagiere an deren Zielort abgesetzt, als wir in Düsseldorf von der Polizei angehalten wurden, weil einer der Mitfahrer sich nicht angeschnallt hatte. Leider konnte dieser die dafür fällig werdenden 30 Euro Strafe genauso wenig zahlen wie die Fahrt an sich. Und da er ganz zufällig auch keinen Wohnsitz in Deutschland noch überhaupt einen Ausweis hatte, konnte man ihm auch keine Rechnung zustellen. 
Der Fahrer war angesichts des zahlungsunfähigen Kunden sauer und es wurde erst mal eine Dreiviertelstunde diskutiert. Währenddessen saßen wir da und wussten nicht was los ist, denn schließlich sprachen sie in für uns unverständlicher Sprache. Ein wenig unwohl war mir in der Situation definitiv. Okay, ein wenig ist untertrieben.
Das Ende des Lieds war, dass der junge Mann ohne Ausweis und ohne Geld einfach in Düsseldorf abgesetzt wurde. Die Strafe fürs fehlende Anschnallen hat vermutlich der Fahrer bezahlt.

Als wir nach einer Stunde Verzögerung endlich weiter wollten, sprang das Auto nicht an. Spätestens jetzt fühlte ich mich wie in einem schlechten Film. Das waren zu viele Zufälle auf einmal. Das kann doch alles nicht wahr sein!
Der ADAC kam, gab der Batterie, die sich durchs Stehen mit angeschaltetem Licht, verausgabt hatte, Starthilfe und es konnte weiter gehen. 
Wir hatten zu dem Zeitpunkt nur noch einen Wunsch: möglichst schnell lebend in Köln ankommen. Der Fahrer war wütend wegen des Vorfalls und raste aber letztendlich kamen wir in Köln an.

Nach der abenteuerlichen Fahrt macht man sich natürlich Gedanken, ob es auf dem Rückweg genauso werden wird.
Der Fahrer war wieder pünktlich am Treffpunkt und wieder war es kein kleines Auto mit fünf Sitzen sondern wieder ein kleiner Bus. Doch dieses Mal sprach der Fahrer Deutsch und die restlichen Mitfahrenden auch. Das beruhigte mich schon ein wenig, nicht nach dem Einsteigen sofort wieder das Gefühl zu haben, gleich entführt zu werden.

Die Fahrt verlief reibungslos und wir wurden auch nicht angehalten, obwohl die dauertelefonierende Asiatin nicht angeschnallt war. Es scheint so ein ungeschriebenes Gesetz für die Nutzung von Mitfahrgelegenheiten zu sein: mindestens einer an Bord darf sich nicht anschnallen. Ohne so ein bisschen Risiko macht eine Autofahrt halt einfach keinen Spaß.
Pünktlich kamen wir trotz der nicht angeschnallten Dame in Berlin an, alle konnten zahlen und ich war unendlich erleichtert, problemlos angekommen zu sein.

Und, was ist mein Fazit? Werde ich nach so viel Nervenkitzel und Aufregung noch einmal den Dienst Mitfahrgelegenheit nutzen?
Ich denke, man muss sich die Fahrer viel gründlicher aussuchen, mehr auf Bewertungen achten. Offen gesagt würde ich nach unserer schlechten Erfahrung auf der Hinfahrt auch jetzt nicht einfach mehr die Fahrer mit sehr ausländisch klingenden Namen wählen. Das klingt, als wäre ich total von Vorurteilen geprägt und ja - natürlich kann auch mit einem deutschen Fahrer viel schief gehen - aber ich muss es ja nicht provozieren, mich wieder nichts von der fremden Sprache verstehend der Situation ausgeliefert zu fühlen.

Es ist einfach sehr viel günstiger  (wir haben pro Fahrt 30 Euro bezahlt) als die Bahn und schneller als Fernbusse und darin sehe ich den großen Vorteil der Mitfahrgelegenheiten. Allein würde ich den Dienst nicht nutzen wollen aber mit Begleitung und nach gründlicher Auswahl des Fahrers, würde ich wieder mit Mitfahrgelegenheiten reisen. Wer Abenteuer und Nervenkitzel mag, dem hätte auch unsere Anreise gut gefallen aber ich wünsche mir, beim nächsten Mal mehr Glück und dafür weniger Aufregung zu haben.

Apfelkern

6 Kommentare:

  1. Mein Abenteuer hat schon am Bahnhof aufgehört, als der Fahrer (akzentfreies Deutsch) nicht kam. :(

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    1. Das ist ja wirklich doof gelaufen. Wie bist du dann ans Ziel gekommen?

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    2. Der Interconnex hat mich gerettet. :)

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  2. Das ist ein bisschen Unsinn; ich fahre ständig per Mfg und bin schon bei so vielen liebenswürdigen Türken, Tschechen und Polen mitgefahren; die akzentfrei Deutschsprachigen können mitunter viel unangenehmer sein.

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    1. Klar kann man von einem nicht auf alle schließen! Ich hatte einfach so eine blöde Erfahrung damit und so ein mieses und unwohles Gefühl in der Runde, in der ich nichts verstanden habe, dass ich wenn möglich nicht noch einmal in dieser Situation sein möchte.

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    2. Dann sollte man auf so einem Einzelfall nicht herumreiten und mit Alltagsrassismusdreck um sich werfen.

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