Die letzten Schultage sind eher erfüllt von Albereien und Spaß als von ernsthaftem Unterricht. Entsprechend des Tagesmottos gekleidet kommen die Schüler mal als Penner oder auch als Rentner und verwirren damit die jüngeren Schüler und amüsieren sich über ihre lustige Kleidung.
Auch wenn ich nicht unbedingt ein Freund des klassischen Karnevals bin, genieße ich diese Möglichkeit für alberne Verkleidungen sehr und komme zum Thema Geschlechtertausch auch gern im Blaumann mit
Bauhelm. Ich habe kein Problem damit, mich in diesem Zusammenhang auch einmal einmal zum Obst zu machen, denn ich bin ja nicht allein in meiner ulkigen Kleidung. Ist man aber nicht mehr sicher im Pulk der anderen Verkleideten, taucht das Gefühl des Unbehagens auf.
Jeden Morgen durfte ich mir seit Beginn der Mottowoche das Lachen der Bauarbeiter und anderer Passanten auf dem Schulweg anhören. Na ja, es sieht schon ein wenig komisch aus, wenn jemand in zerschlissener leuchtend violetter Jogginghose und am nächsten Tag mit Blaumann und Helm im Fahrradkorb an ihnen vorbeirauscht. Zumindest kann ich ihre Belustigung nachvollziehen; mir ginge es ja nicht anders.
Das heutige Thema war "Beach and Bed"
(yeah, wir sind so damn modern 'cuz we know English, bro!), wobei ich mich für die variante "Bed" entschied. Schließlich ist es einfacher, einfach direkt aus dem Bett zu fallen und loszufahren als sich irgendwelches Strandzeug zusammensuchen zu müssen.
Meine Schlafanzüge erschienen mir aber recht langweilig, da sie teilweise fast wie normale Oberteile beziehungsweise Hosen aussahen und entschlossen, etwas weniger langweiliges zu tragen, wählte ich ein knielanges fliederfarbenes flattriges Satinnachthemd. Oh ja.
Das allein reichte bei den aktuellen Temperaturen nicht, weshalb ich noch eine Feinstrumphose, eine kurze Schlafanzughose, die unter dem Nachthemd fast völlig verdeckt war und zu tiefe Einblicke verhinderte sowie ein einfaches Shirt darunter anzog. Ein paar selbstgestrickte Wollsocken und Hauspantoffeln, ein Kissen und ein Kuscheltier dazu, fertig.
Um den Bauarbeitern nicht wieder die tägliche Lachnummer bieten zu müssen, zog ich für den Weg einfach einen Rock und Stiefel an und versteckte das Nachthemd unter dem Mantel. So sah man nichts von der Verkleidung.
Als ich schließlich die Baustelle passierte, erntete ich kein Lachen. Nein, man pfiff mir nach.
Ungehobelte Bauarbeiter, sobald sie einen Rock sehen drehen sie durch. Na ja, passiert.
Wenig später überholte ich einen Rentner, der langsam vor sich hinzuckelnd Fiffi ausführte. Und was tat er? Richtig, er pfiff mir durch die Dritten hitnerher. Als dann auch noch an einer Bushaltestelle
ein Mann mittleren Alters mir auffällig hinterherstarrte und tatsächlich einen Pfiff abließ, hatte ich die Nase gestrichen voll.
Nur weil ich einen Rock trage, bin ich doch nicht von jetzt auf sofort zu einem dummen Stück willigen Fleisches geworden. Es kann ja sein, dass die Herren in diesem Jahr noch keine Frau mit Rock beobachten konnten und sich daher über meinen Anblick freuten, doch hinterherpfeifen müssen sie mir deshalb noch lange nicht. Dieses offensichtliche Zeigen der Begierde degradiert meiner Meinung nach die Frauen. Komplimente sind etwas wunderbares und ich freue mich natürlich, wenn mir jemand ein solches macht, doch es kommt sehr auf die Art des Komplimentes und denjenigen, der es verteilt an. Ein reines Hinterherpfeifen sagt nur, dass derjenige mir jetzt gern in den Hintern kneifen oder an die Brust fassen wollte. Sehr primitiv und oberflächlich. Degradierend.
Lüsterne Bauarbeiter und sabbernde Rentner gehören nicht unbedingt zu meiner Zielgruppe, doch natürlich fragte ich mich, was die Reaktionen auslöste. Den Rock habe ich schon so oft getragen und nie gab es derartige Rückmeldungen. Allerdings sollte erwähnt werden, dass ich mich bisher stets für eine blickdichte dunkle Strumpfhose entschieden habe, sodass dieses Mal ein Drittel des Unterschenkels und das Knie zu sehen waren. Wie aufregend.
Da kenne ich persönlich noch viel kürzere Röcke.
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Wuhuhuuu: Beine! |
Reicht denn ein wenig allein von einer Feinstrumpfhose bedeckte Haut, um Männer in hirnlose hinterherpfeifende Zombies mit Speichelfaden zu verwandeln?
Vielleicht kann ich ja dann noch ein paar männliche Leser gewinnen - nach meinem Wissen habe ich erst vier - und damit den aktuell verlorenen Leser ausgleichen.
Irgendwozu muss diese scheinbar instinktive Reaktion auf sichtbare Haut ja auch gut sein.
Selbst attraktiven Männern würde ich nicht hinterherpfeifen oder etwas derartiges rufen wollen, da ich es auch für mich als bloßstellend empfände und ich so vermutete, dass es ihm nicht anders ginge. Vielleicht ist derjenige ja auch bereits vergeben und das recht rüde Kompliment damit eh sinnlos und unpassend.
Jemanden wegen seines Aussehens in ein Gespräch zu verwickeln und dann ein ehrliches und möglichst nicht zu primitives Kompliment zu machen
(geiler Arsch, Süße!) ist meiner Ansicht nach völlig legitim, vor allem, da man es dann auch nicht quer über die Straße brüllt.
Und jetzt sagt mir nicht, es läge allein an der Kleidung, die den Mann quasi zwingt, so zu reagieren. Das erinnert mich sehr an die Argumentation, Frauen hätten selbst Schuld an dem unverständlichen und zu verurteilenden Verbrechen der Vergewaltigung, wenn sie nicht in Sack und Asche gekleidet aus dem Haus gingen.
Ich versuche die Rufe als Kompliment zu nehmen und nicht als Ansage, dass man(n) mich als bloßes Stück Fleisch betrachtet. Trotzdem werde ich vorerst wieder zu blickdichten Strumphosen übergehen. Nein, vorsichtshalber erst einmal nur Hosen.
Apfelkern