Dienstag, 31. Mai 2016

Es kann nur einen geben: Gedanken über DEN besten Freund

Wisst ihr noch damals, als man jeden seiner Mitschüler darum gebeten hat, sich in seinem Freundschaftsalbum zu verewigen? Je mehr Sticker und Fotos, desto besser. Wer im Album stand, war ein Freund. Zumindest war das zu Grundschulzeiten meine naive Überzeugung.

Was damals auch wichtig war, ist die Antwort auf die Frage, wer eigentlich der beste Freund ist. Ehrlich gesagt, hatte ich zu Grundschulzeiten keine Person, die ich damals klar als meinen besten Freund bezeichnet hätte und auch jetzt fällt es mir schwer, diese Frage zu beantworten. Denn was ist schon ein "Bester" Freund und was muss jemand erfüllen, um diesen Posten besetzen zu können?

Gefühlt wird einem überall vermittelt, dass es wichtig und normal ist, einen besten Freund zu haben. Es gibt so viele entsprechende Duos in den Medien: von Bibi und Tina über Don Quijote und Sancho Panza hin zu Sherlock und Watson oder Frodo und Sam - jeder scheint einen besten Freund zu haben, der ihn zu einer sehr viel besseren und insgesamt stärkeren Person macht.

Punkt Nummer eins: Was ist überhaupt Freundschaft? Freundschaft bedeutet für mich Sympathie, Vertrauen und einen gewissen Grad Selbstlosigkeit. Gegenseitige Unterstützung, die nicht immer von beiden Seiten zu gleichen Maßen ausgeht aber dennoch nicht (dauerhaft) zu Unmut führt. Trotzdem sind zwischenmenschliche Zweckgemeinschaften nicht unbedingt wirkliche Freunde, auch wenn man diese Menschen mag und ihnen vertraut - es fehlt die Komponente der Selbstlosigkeit.

Zurück zur Frage, ab wann ein Freund zum besten Freund wird. Ist es die besonders lange Dauer der Freundschaft? Vielleicht ist auch die Qualität der Freundschaft der entscheidende Punkt? Sind es gemeinsame Erfahrungen, die einen zusammen schweißen und zu besten Freunden werden lassen?Oder kann man mit keiner gemeinsamen Erfahrung der Welt jemanden zu seinem besten Freund werden lassen, wenn man nicht von Anfang an seelenverwandt war?

Das waren meine spontanen ersten Gedanken zu dem, was einen sehr engen und eventuell besten Freund ausmacht. Am Ende ist es für mich eine Mischung all der genannten Faktoren.
Die Dauer einer Freundschaft sagt in meinen Augen gar nichts über deren Qualität aus. Eine gute Zweckgemeinschaft, die man sich selbst beschönigend als Freundschaft verkauft, kann auch Jahrzehnte halten, insofern sie nützlich ist.
Es gibt Menschen, da merkt man sofort, dass die Chemie stimmt, dass man auf einer Welle schwimmt und sich endlos unterhalten kann. Wie genau das funktioniert, kann ich nicht erklären. Das ist der gewisse Funke gemeinsamer Wahnsinn und Lebensfreude, der bei einigen Menschen da ist und bei anderen eben nicht. Wenn er da ist und beide das bemerken, kann man endlos von einer Aktivität in die nächste kommen ohne sich je zu langweilen. Dabei hilft es, gemeinsame Interessen und Ansichten zu haben, muss aber nicht immer so sein.
Das sind diese Menschen, mit denen man sich bis zum Sonnenuntergang unterhalten kann oder nach Monaten ohne ein Treffen nach Sekunden das Gefühl hat, nie getrennt gewesen zu sein. Mir fällt es sehr viel leichter, mich anderen gegenüber zu öffnen, wenn ich bemerke, dass es diese Art intuitive Verbindung gibt. Das bedeutet nicht, dass ich ihnen sofort all meine Geheimnisse anvertrauen würde aber es heißt, dass ich mich nicht unwohl in Gesellschaft anderer fühle und zurückhaltender verhalte als ich eigentlich bin.
Schon oft habe ich gesagt bekommen, dass ich auf andere langweilig oder sogar arrogant wirke, weil ich mich im Hintergrund halte und bei geselligen Runden eher passiv bin solange andere automatisch das Wort ergreifen. Das liegt daran, dass ich introvertiert und tendenziell Fremden gegenüber schüchtern bin. Zu merken, dass es da eine spontane Dynamik mit neuen Bekannten gibt, hilft sehr, diese eher aus Unsicherheit entstehende Distanziertheit zu überwinden.

Gleichzeitig gibt es auch Menschen, die man schon Jahre bis Jahrzehnte kennt und sich jedes Mal aktiv bemühen muss, die gemeinsame Zeit zu füllen. Wenn es keinen konkreten Plan für ein Unterhaltungsprogramm - sei es das zu streichende Zimmer oder ein zu besichtigendes Museum - gibt, kann dann auch schon mal in ein unangenehmes Schweigen resultieren. Die emotionale Bewertung des Schweigens ist in meinen Augen ein ganz klassisches Merkmal einer zwischenmenschlichen Beziehung. Es gibt Menschen, mit denen ist Schweigen nicht ansatzweise unangenehm und möglichst schnell zu überbrücken, sondern entspannt und friedlich. So sollte es mit einem besten Freund in meiner Vorstellung sein. Wenn man zusammen schweigen kann, ohne sich dabei unwohl zu fühlen, fühlt man sich in einem Raum nicht länger als Gast oder Gastgeber, der für das Wohlbefinden des anderen verantwortlich ist, sondern auf gleicher Ebene und zwar als Freunde.

Gemeinsame Erlebnisse und Zeit verstärken das Gefühl der Vertrautheit innerhalb einer Freundschaft meiner Erfahrung nach definitiv, aber gleichzeitig ist auch die Anzahl der gemeinsamen Ausflüge nicht der Maßstab der Güte einer Freundschaft.
Kurzum: man kann Freundschaft schwer erklären, man kann sie vor allem erleben. Dafür gibt es einfach keine Einheit, die verschiedene Freundschaften vergleichbar macht.

Nun aber noch einmal zurück zum Thema bester Freund.
Den Begriff selbst mag ich offen gesagt nicht einmal besonders. Wenn ich jemanden darüber sprechen höre, dass er sich noch mit seinem besten Freund trifft oder die beste Freundin gleich vorbei kommt, wirkt es auf mich immer wie eine subtile Botschaft, dass derjenige schon vergeben ist. Als könnte man nur einen besten Freund haben und der Rest der Menschheit kann sich jetzt gleich die Mühe sparen, etwas mit demjenigen zu unternehmen.

Aus diesem Grund spreche ich selbst von den Menschen, die ich für mich als meine besten Freunde betrachte, bewusst anderen gegenüber nicht mehr als beste Freunde. Es ist in gewisser Weise auch verletzend, anderen Freunden vor die Nase zu hauen, dass man jetzt seinen besten Freund anruft, der sie ja damit dann offiziell nicht sind.
Es ist ein so exklusiver Status, dass es schon wieder abschreckend sein kann.

Meine Antwort auf die Frage, ob man nur einen besten Freund haben kann, lautet definitiv nein. Es ist kein exquisiter Status sondern ein Zustand, ein besonderes Level einer Freundschaft zu einem Menschen, dem gegenüber man so sein kann, wie man ist und durch die Anwesenheit des anderen noch besser wird.
Man kann diesen Status vielleicht nur mit einigen wenigen Menschen erreichen aber mehr als einer kann es definitiv sein. Dass es den besten Freund gibt, ist meiner Meinung nach ein Mythos.

2 Kommentare:

  1. Das stimmt schon, dass der Begriff bester Freund zu einer Art Eifersucht führen kann. Wenn man vor nichtbesten Freunden vom besten Freund redet, ist das für mich irgendwie eine subtile Abwertung. Beste Freunschaft muss ja von zwei Leuten ausgehen, finde ich. Wenn ich jemanden als meinen besten Freund sehe und ich allerdings nicht von dem der beste Freund bin, dann ist das arg unangenehm. Deshalb hab ich einfach Freunde. Aber ich muss die ja zum Glück nicht nach mögen kategorisieren (wie man das auf MySpace damals so machen musste). Finde den Begriff bester Freund gerade in Beziehungen doof. Der Partner wird Freund genannt, obwohl man sich optimalerweise mit ihm am besten verstehen sollte und trotzdem kriegt er nicht den Beinamen bester Freund, sondern "nur" Freund.So schlecht gelöst. :O

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    1. Waaas, auf MySpace musste man seine Freunde kategorisieren?! Ich scheine doch etwas wichtiges verpasst zu haben.
      Das ist alles kompliziert, wenn man offiziell mit beidseitigem Einverständnis best friends sein will. Ich finde es auch merkwürdig, nicht den Partner als besten Freund zu bezeichnen, da das ja wirklich meist ein exklusiver Status ist. Wobei …wenn ich jemanden fragen würde, ob er mit xy zusammen wär und die Antwort lautete "Ja, wir sind beste Freunde!", wäre das auch sehr ungewohnt. Aber wahr.

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