Samstag, 19. Mai 2012

Odyssee zwischen Ladenzeilen

Abiturprüfungen überlebt und schon steht der nächste Grund zur Panik auf der Matte: der Abiball.
Der Abend aller Abende, ein unvergessliches Ereignis, der Höhepunkt deiner Jugend, du wirst deinen Enkeln noch davon erzählen - teilweise klingen die euphorischen Stimmen ja schon so, als stünde meine Hochzeit bevor. Ein Kleid, passende Schuhe, perfekt sitzende Frisur, Maniküre und Make-up. Habe ich nicht gerade noch gegen übertriebenes Styling bei Jugendweihen gestänkert? Gerade musste ich feststellen, dass ich beim Stylingmarathon Abiball dabei bin.

Gerüchten zufolge genießen Frauen das Einkaufen, Shopping ist angeblich eine ihrer liebsten Freizeitbeschäftigungen. Eine Aussage, die ich noch nie nachvollziehen konnte. Man streift lange durch die Läden, findet abgeschreckt von den neusten Trends in fünf Stunden drei Teile und macht sich danach frustriert, unterzuckert und dehydriert auf schmerzenden Füßen auf den Heimweg. Und wo war jetzt die Stelle, die mich daran begeistern sollte?
Mit dem Gedanken an meine übliche Shoppingbegeisterung im Hinterkopf graute es mir schon vor dem Kauf des Kleides für den Abiball. Schließlich werden Bilder davon noch ewig in den Familienalben kleben und Erinnerungen daran sollen gern wiederaufgewärmt werden. Und dazu gehört auch ein schönes Kleid.

Allein den Gedanken daran, ein Kleid für diesen Anlass kaufen zu müssen, erschreckte mich seit Jahren. Ich bin doch schon bei alltäglichen Kleidungsstücken ein komplizierter Kunde, der nicht jeden H&M-Trend mag und letztendlich immer wieder die Sachen, die er schon hat nur in neu sucht - wie sollte das dann erst mit einem Ballkleid werden?
Aber ich habe ja zum Glück noch Zeit, bis ich eines kaufen muss, dachte ich ... und irgendwann war es nun die Zeit, sich auf die Jagd nach dem Kleid zu begeben. Oh je.

Meine Vorstellung davon war wenig klar: keine Rüschen, Glitzer maximal dezent, irgendwas klassisches, als Farbe Rot, Blau, Grün, Violett oder Schwarz; eventuell auch eine Zwischenfarbe davon und vor allem etwas nicht zu pompöses, das man wieder einmal anziehen kann. Bloß kein langes Ballkleid.

Drei Stunden und gefühlte dreißig Geschäfte später war klar, dass man sich auf einen Kompromiss einlassen müsste, um fündig zu werden. Kurze sackartige Kleidchen, unvorteilhafte Oberteile auf schön geschnittenem Unterteil und anders herum, schöner Schnitt, wenig schmeichelnde Farbe und so viel mehr führten schließlich dazu, dass ich mich anders als geplant auch bei den bodenlangen Ballkleidern umsah. Ach, doch bei den Ballkleidern gelandet? 

Der nächste Probiermarathon folgte. Zu lang, zu glänzender Stoff, zu aufreizende Schnürung, trägerlos und rutschend ... es war ermüdend. Als ich schon völlig abgestumpft ein weiteres Kleid probierte, stellte ich fest, dass ich es bis ins letzte Detail mochte. Nein, dass ich das noch erleben durfte!
Es wurde gekauft, erleichtert, endlich eines gefunden zu haben. Völlig erschöpft und vom Schienenersatzverkehr zusätzlich gebeutelt wurde der Heimweg angetreten, froh, ein Kleid zu haben und bemüht zu verdrängen, dass allein schon der Schuhkauf die nächste Odyssee werden wird.
Egal, wenn ich beides erst einmal habe, kann ich es in dieser Kombination bei den Hochzeiten, Doktortitelverleihungen und Opernbesuchen, die in den nächsten Jahren anstehen, anziehen.

Man will sich nicht völlig verkleiden und gleichzeitig auch nicht zu wenig festlich angezogen erscheinen. Warum kommen wir nicht einfach alle in Jeans und Shirt? Das würde uns den Shoppinghorror zumindest ersparen. Ja ja, es nähme dem Anlass den festlichen Charakter.
Aber man kann seine Tage auch angenehmer verbringen als mit Einkäufen zwischen lärmenden und schubsenden Menschenmengen in grell ausgeleuchteten Läden.

Und warum sind dann Frauen angeblich so wild darauf? Wahrscheinlich ist das genauso ein Fehler in der Untersuchung wie der hohe Eisengehalt des Spinats. Eine bessere Erklärung dafür habe ich zumindest nicht.

Apfelkern



9 Kommentare:

  1. Oh ja. Das klingt nach einer guten Erklärung. ;) Bei meiner Kleidersuche hatte ich Glück...erstes. abgelegenes Geschäftchen gestürmt, anprobiert, verliebt...:D
    Schuhe sind im Vergleich zum Kleider leider nicht minder anstrengend...Aber das wird schon. ;) (Und zur Maniküre war ich z.B. nicht...verdammt. Was habe ich da nur verpasst? Friseur auch nicht...:/ )

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    1. Wem sagst du das mit den Schuhen ... ich habe eine relativ konkrete Vorstellung und finde entweder optisch diese oder Schuhe, mit denen ich weiter als drei Meter komme. Gestern habe ich schon vielleicht zehn Schuhläden durchkämmt, etwa genauso viele Paare anprobiert und mich meist wegen der Bequemlichkeit bzw. der Fähigkeit sich überhaupt darin aufrecht fortzubewegen, gegen sie entschieden. Das wird noch einmal was.

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  2. Haha, ich hab für den Kauf vielleicht 10 min gebraucht.
    Dunkelrotes, langes Kleid für 20€? My precious... Bin gespannt auf dein Kleid.

    Schienenersatzverkehr? Dann kann man ja noch besser eingrenzen, wo du wohnst. *stalk*

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  3. Ach, Abiball...
    Bei der Jugendweihe haben auch alle gesagt "Oh, ja, das ist ein ganz großer Tag. Super wichtig. Bla bla bla" und kann sich heute noch jemand so wirklich dran erinnern? Ich würde sagen; nein.
    Mein Abiball war vor 2 Jahren und heute denke ich mir auch nur noch "Hm. Dagewesen. Mitgemacht. Abgehakt."
    Aber das kann man natürlich auch nicht wirklich pauschalisieren.

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    1. Ich halte den Aufwand auch für übertrieben, doch ich will auch nicht völlig aus der Reihe fallen, weil alle pompös gekleidet sind und ich wie immer. Und so füge ich mich dem Stylingwahn, obwohl ich ihn eigentlich nicht befürworte... aber es ist vielleicht doch mal ganz nett, sich ordentlich aufzumotzen...zwiespältige Gefühle

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  4. Ich war damals sicher 2 wochen auf der Suche nach einem Kleid. Es war ein disaster. Mit dem letzlichen Kleidungsstück war ich zwar zufrieden, aber seither hängt es als Schrankleiche in meinem Schrank.
    Die Bilder von der Feier sind in einem vergleichbaren unbeutendem Abschnitt meines Fotoalbums gerutscht und sowieso kräht kein Hahn mehr danach.

    Mach dir also nicht so viel Stress. Abiball klingt nach mehr als es eigentlich ist. (ich bin sogar eher gegangen weil der Großteil meiner Mitschüler auf eine Mischung aus Techno und "Komm, wir fahrn nach Amsterdam" standen und mir dadurch hämmernde Kopfschmerzen beschert wurden)

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  5. Haha, ich hab' gerade Tränen gelacht, ehrlich :D Mir scheint, du hast im Text mich beschrieben :D
    Ich bin ein ähnlicher komplizierter Mensch was Kleider-Kaufen angeht. Ich weiss nie so genau, was ich will, dafür aber haargenau, was ich nicht will. An einem Shoppingtag probiere ich immer gefühlte 1'000 Kleidungsstücke an, um dann letztendlich vielleicht eines davon zu kaufen.
    und die Abiballkleid-Suche steht mir auch noch bevor... yey, ich freu' mich ja schon. :D

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  6. Mein Kleid hängt seit Monaten in meinem Schrank und dafür gibt es nur einen einfachen Grund: Ich hab das Kleid gekauft das mir als erstes ins Auge gefallen ist und gepasst hat. So schnell kanns gehen. Komischerweise brauche ich sonst für Klamotten viel länger.
    Ich bin unheimlich froh das elende Kleid Thema schon fertig zu haben, aber immer noch fehlen die Schuhe und ein Täschchen, weil wenn ich schon mal die Möglichkeit habe will ich auch eine passende Clutch zum Kleid ;)

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  7. ich liebe normales shoppen, soweit man sagen kann normal. halt ohne vorstellung durch die stadt gehen. mein abiballkleid hängt schon lange im schrank, ich bin einmal im jahr af dem ball hier in der stadt also hab ich auswahl. 2 ganz lange und zwei mittellange kleider, welches ich anziehe weiss ich noch nicht. schuhe hab ich auch hier, eventuell schau ich trotzdem mal nach anderen. ich kann das gott sei dank alles ganz entspannt angehen

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