Freitag, 7. Oktober 2011

GIER

Die Wohnung quillt über. In den Schränken stapeln sich mehr selbstbestickte Spitzentischdecken als es Festtage sie zu benutzen gibt, Bleikristallgläser der letzten acht Jahrzehnte, die zwischen abscheulich und bezaubernd jede Kategorie erfüllen, dutzende Mäntel, Trenchcoats und Capes - bevorzugt in beige- oder auch mehr Stickgarne, Nadeln, Knöpfe und Stoffe als man in zwei Leben benötigen könnte.

Das ganze Zeug muss entweder mitgenommen oder weggeworfen werden, denn die Wohnung soll leer werden. Aber man ist nicht bereit, Dinge, die einem nicht mehr gefallen und noch in gutem Zustand sind, anderen zu überlassen. So packt man sie in großen Kisten zusammen und weiß, dass es unnötiger Besitz ist. Aber darum geht es gar nicht: es geht um das Besitzen an sich.

Man häuft Dinge an und selbst wenn man bemerkt, dass man sie nicht benötigt, behält man sie. In Omas Wohnung, die auch schon die Zweitwohnung ist, blieb die Zeit stehen und alles im Originalzustand, sodass ich mich in einer Art DDR Museum wiederfand, das auch Kriegs- und Vorkriegsobjekte ausstellt.

Wegen des Hauses hat sich meine Großmutter mit ihren Brüder zerstritten und seit nur noch einer von diesen lebt, haben sie sogar begonnen, sich gegenseitig um das Haus zu verklagen. Dessen überdrüssig gab Oma resigniert ihre Etage auf und muss nun ihr Eigentum herausschaffen. Und weil sie in dem, was wir aus den Untiefen der Schränke wühlten, ihre Vergangenheit erkannte, wollte sie sich nicht trennen. Sie ignorierte den Hinweis, dass sie sich in ihrem Hauptwohnsitz genauso zumüllen wird, wenn sie alles mitnehmen möchte.

Für mich hat sich der Ausflug in dieses Katastrophengebiet aber gelohnt, denn es wurde mir klar, wie sinnlos die ewige Gier nach mehr ist.
Nichts ist für die Ewigkeit; das letzte Hemd hat keine Taschen. Ich hoffe, dass ich dieses Wissen immer präsent haben werde, sodass ich unnötige Käufe vermeiden und Dinge aussortieren, die ich nur noch im Schrank habe, um sie im Schrank zu haben.

Damit geht die wunderschöne Jeans in Dunkelblau, die mir schon seit der achten Klasse zu klein ist sofort an meine jüngere Schwester. Manchmal muss man den Egoismus wohl einfach überwinden, um zu erkennen, dass man mehr von seinem Eigentum hat, wenn man anderen damit eine Freude macht und es nicht nur hortet.
Außerdem sollte uns die Beziehung zu anderen wesentlich wichtiger als das Materielle sein. Ich kann es daher immer noch nicht verstehen, dass Geschwister wegen eines Hauses, das einer von ihnen nicht einmal benötigt, kein Wort mehr miteinander reden. Wissen sie nicht, dass Geld zwar wichtig aber das wertvollste immer noch ein Seelenverwandter ist?

Apfelkern



Nachtrag: Ich überreichte meiner Schwester feierlich die Hose, stolz, über meinen Schatten gesprungen zu sein. Ihr Kommentar: Dunkelblau ist öde, Schlaghosen sind blöd und ich trage eh nur ganz enge, außerdem habe ich später sowieso mal längere Beine als du und deinen Müll kannst du behalten. 

Tja, nicht alle schätzen eine Sache gleich und um ehlich zu sein fühle ich mich dadurch richtig vor den Kopf gestoßen. Diese verschwenderische, rücksichtslose, egoistische, übersättigte, Überfluss-Jugend!
Aber dann fiel mir ein, dass es doch besser ist, eine ehrliche Meinung zu hören, als dass sie sich ihr Zimmer sinnlos vollstellt.

Und weil es so sehr passt: Eigentum von Knorkator

2 Kommentare:

  1. ich mag deine Art zu schreiben ;) wirst von mir gestalked ;)

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  2. Uäh, deine Schwester...macht mich ferig. Wobei wenn ich so darüber nachdenke, seid ihr beide ziemlich undiplomatisch ehrlich, was leider zu oft an Beleidigung grenzt. :P

    Den Rest kenne ich schon. Da habe ich gleich Lust, hier mal weiter auszusortieren. :)

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