Dienstag, 18. Oktober 2011

Gegenstücksuche

Gibt es so etwas wie Seelenverwandtschaft? Gibt es tatsächlich diese eine Person, mit der man über alles reden kann ohne sich dabei bloßgestellt zu fühlen?

Eigentlich würde ich die Frage mit nein beantworten. So ein sentimental verkitschter Schwachsinn. Aber da ich den Satz mit eigentlich begonnen habe ist es klar, worauf es hinausläuft: ich sage, Seelenverwandschaft gibt es.
Denn ich erlebe sie.

Kennengelernt in der ersten Klasse, zusammen gebuddelt, Lego gebaut,  sich gegenseitig zu Kindergeburtstagen (Laternenumzug und Lebkuchenhäuser bauen inklusive) eingeladen und im Laufe der Zeit immer mehr zu schätzen gelernt als jemanden,  der immer da ist. Und ehe wir uns versahen waren wir verliebt. Das bedeutet in diesem Alter aber noch lange nicht, dass aus der kindlichen Liebe auch eine Beziehung wird. Jahrelang wurde sich angeschmachtet ohne es zu wagen, den Wunsch nach einer Partnerschaft umzusetzen.

Mit dem Wechsel aufs Gymnasium verloren wir uns aus den Augen. Fünf Jahre lang keinen Kontakt.
Gelegentlich sah ich ihn vom Auto aus oder wir fuhren uns sogar zwei Mal zufällig mit dem Rad entgegen, riskierten aber auch nicht mehr als  einen Gruß. Als wir uns während einer Lesung von Mark Benecke (bekanntester Kriminalbiologe der Welt -ihr kennt ihn also sicher auch) sahen waren wir zu schüchtern, um uns anzusprechen.
Das nagte an mir und füllte eine Menge Tagebuchseiten. Schließlich fuhr ich im letzten Jahr wieder mit dem Rad ihm direkt entgegen. Wir nickten uns zu  - und das schien es gewesen zu sein. Wieder ärgerte ich mich über die vergebene Chance. Wahrscheinlich ging es ihm ähnlich, denn er wendete und holte mich ein. So kam ein erneuter Kontakt zustande.

Nach zahlreichen Mails, die immer länger wurden kam es zu einem abendlichen Treffen.
Wir liefen ziellos durch die Gegend, nur um stundenlang miteinander reden zu können. Frierend steht man vor der Tür des anderen und redet noch einige Stunden weiter, nur um sich nicht trennen zu müssen.
Erstaunlich, wie ähnlich man sich entwickeln kann ohne dabei in Kontakt zu stehen oder das selbe Umfeld zu haben.

Und egal was mich bewegt, es mag mir selbst wie der größte Schwachsinn vorkommen, ich kann diese Gedanken mit ihm teilen. Oft hatte ihn sogar ein ähnlicher oder gar  der selbe Gedanke beschäftigt. Es ist wie eine gegenseitige Therapie, man kann sich völlig fallen lassen und hat keinen Zwang anders zu sein als man ist. Man kennt sich doch sowieso schon seit Ewigkeiten und hat längst erkannt, dass wir eh mit den gleichen Problemen kämpfen. Als würde man alle Schutzmauern zusammenfallen lassen, hinter denen man sich sonst verbirgt.

Es stellte sich schnell heraus, dass uns beide mehr Gefühle als bloße Freundschaft verbinden, doch in den fünf Jahren hatte er eine Freundin gefunden. Na danke, Internet.
Eigentlich glücklich in der Beziehung ist er sich nun selbst nicht wirklich sicher und ich bin es auch nicht. Ich will die Beziehung nicht zerstören, denn ich wünsche es ihm glücklich zu sein.

Ich weiß nicht, ob ich ihn liebe oder nur unsere Gespräche, das Gefühl während wir zusammen sind, das Wissen, dass er mir immer sofort helfen würde, unsere unglaublich langen Umarmungen. Was aber sonst soll Liebe ausmachen?
Ich bin chronisch liebeskrank und weiß, dass es ihm ähnlich ergeht und weiß genauso, dass das für keinen von uns gut ist. Immer wieder hatte ich Hoffnung, dass seine Fernbeziehung sich selbst beendet. Schließlich wendet er sich oft mit Beziehungsorgen an mich. Dennoch muss er glücklich mit ihr sein und meinte, mir käme die Beziehung nur so negativ vor, da er mit mir hauptsächlich seine Sorgen teilt.

Diese Freundschaft will ich keinesfalls verlieren. Doch es lässt mich verzweifeln, seinen Seelenverwandten gefunden zu haben und trotzdem nicht über die Ziellinie zu ihm laufen zu können, da das Treppchen schon okkupiert ist. Dabei scheint sie sich nicht auf diese intime Weise mit ihm unterhalten zu können, sondern bevorzugt eine simplere Art der Intimität.

Regelmäßig wundern wir uns fassungslos, warum wir zu blind waren, um damals die Chance zu nutzen. Das hilft mir auch nur bedingt und er weiß es.

Entweder einen Schlussstrich ziehen oder die Konkurrenz verdrängen. Mir ist jetzt schon klar, dass ich weder das eine noch das andere umsetzen werde.

Obwohl ich mit ihm über diesen Gedankenstrudel offen sprechen kann ändert sich nichts an der Situation. Festgefahren.
Immerhin inspiriert es mich zu unzähligen liebeskranken Gedichten.

Ich weiß nicht weiter.

Apfelkern

6 Kommentare:

  1. Schwierig. Ich kann dir nicht weiterhelfen, aber...halt ihn dir. :)

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  2. Das hört sich wirklich nach einer Liebesgeschichte an, die noch nicht beim Happy End angelangt ist.
    Total verzwickte Situation.

    Ich würd dir raten: Seid "einfach" (besser gesagt als getan leider) weiter befreundet, wenn man schonmal einen Seelenverwandten gefunden hat, wäre es doch schade ihn einfach gehen zu lassen.

    Deine momentane Haltung, sich nicht in seine Beziehung einzumischen, aber trotzdem für ihn da zu sein finde ich gut, ich denke dass solltest du so weitermachen. Das wäre ja sonst irgendwie wie mit "mit unfairen Mitteln" gewonnen :)

    Das ganze erinnert mich übrigens an ein Zitat aus How I Met Your Mother: "Sometimes, if you love someone, you have to take a step back and want them to be happy, even if that doesn't involves you". Oder so ähnlich. Das hast du aber in einem Absatz schon beschrieben.

    Also, auch wenn die Situation echt mierda für dich im Moment ist, sei ihm weiterhin eine gute Freundin / Seelenverwandte - wenn er wirklich so denkt wie du, wird er das merken und sich dementsprechend entscheiden. Schließlich ist er ja auch schon mit dem Fahrrad umgedreht und dir hinterhergefahren :)

    Natürlich nur solange es dich nicht wirklich unglücklich macht. Also dich davon abhält dein Leben zu genießen und du selbst zu sein. Ab einem bestimmten Punkt kann man einfach nicht mehr.
    Vielleicht hilft es ja, wenn du dir das wie eine Waage vorstellst: Ist der ganze Trubel und die Qual das - eventuelle - Resultat wert?

    Ich hoffe ich konnte dir ein bisschen helfen, ich kenne ja nicht die ganzen Hintergründe und Einzelheiten, sondern nur diesen einen Post über das Thema. Aber ich glaube, du bist schon auf dem richtigen Pfad - sich nicht in den Mittelpunkt zu stellen sondern sich für das Glück anderer hinten an zu stellen, zeugt für mich von Güte und einem starken Charakter.

    Und so wie ich das aus deinen anderen Beiträgen und Posts herauslesen kann, bist du ein tiefgründiger Mensch mit Herz und Verstand - ganz, ganz tief in dir versteckt wirst du sicherlich schon ahnen, was das Beste für dich wäre :) Schließlich kann - und sollte - keiner für dich denken :)

    Saludos!

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  3. Besser als Tia kann man es wirklich nicht ausdrücken. Es liest sich alles fast wie ein Drehbuch zu einem neuen Hollywood-Streifen... Wobei ich für euch hoffe, dass es ein Happy End gibt. =)

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  4. Es klingt zwar so, als könntet ihr euch gegenseitig gut euer Herz ausschütten und über Probleme diskutieren ("Therapie"), aber redet ihr eigentlich auch mal über schöne Erlebnisse, über Dinge, die euch Freude machen?

    Falls er, wirklich annähernd so empfinden sollte wie du oder um deine Gefühle wissen sollte, finde ich es zudem ziemlich rücksichtslos mit Beziehungsproblemen ausgerechnet zu DIR zu kommen? Hallo, Feingefühl, in welcher dunklen Ecker versteckst du dich????

    Ich will ehrlich sein, ich hatte zu Oberstufenzeiten auch jemanden, mit dem ich super gut reden konnte, den ich tatsächlich als besten Freund bezeichnete, der unglaublich intelligent war (bester Abischnitt unseres Jahrgangs)und sobald Gefühle ins Spiel kommen, die von der anderen Seite nicht gleichermaßen erwidert werden können, besteht die große Gefahr, dass das Pflänzchen verdorrt...

    So war es zumindest bei mir damals: Er verliebte sich in mich und ich mochte ihn zwar sehr, aber eben nur als sehr guten Freund- unbewusst hatte ich jedoch seine Gefühle bestärkt, denn klar umarmt man sich unter Freunden oder lehnt sich an die Schulter des anderen. Das alles hatte er "missverstanden" und irgendwie konnten wir auf Dauer mit dieser Situation einfach nicht umgehen...
    Vielleicht wäre das heute anderes, heute, wo wir "erwachsener" sind, aber vielleicht auch nicht...

    Macht es euch nicht zu schwer. Ich an deiner Stelle würde klaren Tisch machen. Sag, was du fühlst, frag, was er fühlt und entscheidet dann, ob sich eure Gefühlsebenen decken oder eben nicht...Bei ersterem muss er den Mumm in den Knochen haben, und seine Beziehung beenden, bei letzterem musst du entscheiden, ob du mit dieser Situation weiterhin umgehen kannst oder nicht...

    Wie dem auch sei, ich wünsche dir alles Gute und hoffe, dass ihr zwei Hübschen das gebacken bekommt, denn scheinbar würdet ihr ja ganz gut zusammenpassen :)

    Liebe Grüße...

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  5. Oo Hast du schon mal nach einem bestimmten Swatch gefragt? Manchmal verliere ich den Überblick...

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  6. fffuuu, da hab ich vorhin einen ellenlangen Kommentar verfasst, nur um zu bemerken, dass der Kommentar nicht erscheint,weil irgendein doofer Fehler (...) Jedenfalls nochmal in Stichpunkten:

    - ich finde es schön, dass du mal was Persönliches berichtest, auch wenn das Thema eher traurig ist
    - man hat das Gefühl, dass du besser zu ihm passt, als seine derzeitige Freundin, was natürlich u.a. durch deine Subjektivität und mein Parteiergreifen ausgelöst wird..oder einfach, weil ihr tatsächlich so gut zusammenpasst, wie beschrieben
    -Fernbeziehungen sind doof und eher ne Notlösung für Pläne für die Zukunft,verstehen Sie was ich meine? ;o also eher eine Überbrückung bis zu einer "richtigen" Beziehung. (mMn sind Fernbeziehungen einfach nicht zu vergleichen mit "echten/normalen" Beziehungen
    daraus folgt: mit der wird sicherlich bald Schluss sein (bin da sowieso eher realistisch/pessimistisch eingestellt)
    - du wohnst offensichtlich in seiner greifbaren Nähe -> Pluspunkt
    Seelenverwandtschaft, Pluspunkt 2 usw.usw.

    - es ist immer eine seltsame Angelegenheit, wenn beste Freunde sich ineinander verlieben, bzw. ein Teil davon, kann halt nur gutgehen, wenn beide eine Beziehung wollen

    Ich hoffe für dich und ihn, dass ihr zusammenkommt, denn wenn man mit seinem bestem Freund zusammen ist,ist das eine wunderbare Sache.
    Viel Glück und ich bin gespannt auf den weiteren Verlauf.

    Ich habe im Gefühl, dass das klappen könnte. So genug mit dem Optimismus.

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