Montag, 20. Mai 2019

Drei rosa Zettel

Eigentlich hatte ich ja nach Start ins Berufsleben geplant, einfach nicht krank zu werden beziehungsweise mich davon unbeeindruckt zu zeigen. Macht immerhin eh keinen Spaß, sich schlecht zu fühlen. Dass das nicht klappen wird, habe ich mir von Anfang an gedacht.
Und nun bin ich zum ersten Mal in meinem Leben krank geschrieben. Ein ganz komisches Gefühl.

Zwar bin ich nicht zum ersten Mal in meinem Leben erkältet, doch zum ersten Mal interessiert es jemanden, ob ich so arbeiten kann oder nicht. Während des Studiums bekam man Fehlzeiten notiert bei Abwesenheit ganz egal ob man bei 40 Grad Körpertemperatur im Bett fieberte oder auf Mallorca schwitzte. Auch ein ärztlich attestiertes Kranksein hätte daran nichts geändert.
Letzte Woche war meine Nase dicht und auch mit regelmäßiger Einnahme von entzündungshemmenden Schmerzmitteln und Zink in hoher Dosis war das wolkig-wackelige Gefühl nicht aus dem Kopf zu bekommen. Zwei Tage lang habe ich mich so auf die Arbeit gequält. Denn wenn ich einfach im Bett bleiben würde, um mich auszukurieren, bekämen immerhin alle Patienten ihren Termin bei mir abgesagt. Und das möchte man ja auch niemandem antun. Besser ein schniefender Arzt als gar keine medizinische Versorgung, oder?

Also habe ich meine Hände gefühlt permanent in Desinfektionsmittel gebadet und mein Bestes gegeben, seriös zu bleiben, wenn ich merkte, wie demnächst mir etwas aus der Nase laufen würde. Ibuprofen ist schon geniales Zeug, wenn man regelmäßig dran denkt, mehr zu nehmen. Doch irgendwann kam der Punkt, an dem ich merkte, dass es so nicht weiter geht. Wenn man zum Untersuchen von Füßen in die Hocke ging und dabei sich erst mal kurz an der Liege festhalten muss, weil einem schwindelig wird oder beim Herausschneiden von Hautveränderungen Schweißausbrüche hat und einem schwarz vor Augen wird, dann muss man sich eingestehen, dass es so nicht funktioniert. Immerhin arbeite ich mit Menschen.

Es war ein merkwürdiges Gefühl, sich wegen einer Erkältung beim Hausarzt vorzustellen. Immerhin wusste ich ja, was los ist und wie ich mich theoretisch zu verhalten habe. Ruhe, viel trinken, Wasserdampf inhalieren, Obst und Gemüse in mich rein schaufeln, körperliche RUHE und vor allem nicht arbeiten gehen. Nichts, wofür man jetzt einen Arzt bräuchte, denn weg zaubern kann er das auch nicht.

Ich weiß nicht, ob ich ungeschminkt so furchtbar aussah oder es meine nasale Schnupfstimme war, doch ich wurde statt des gewünschten einen Tages eine Woche krank geschrieben.
Plötzlich bekam ich die wohl bekannten drei rosa Zettel in die Hand gedrückt statt sie an andere auszuhändigen. Es fühlte sich nach ganz verkehrter Welt an.

Nach einem freien Tag und einem Wochenende geht es mir sehr viel besser. Komplett beschwerdefrei bin ich noch nicht, doch soweit fit, dass ich nun hier sitze und ein schlechtes Gewissen habe. Es fühlt sich an, als würde ich die Schule schwänzen, meine Kollegen mit all der Arbeit im Stich lassen. Natürlich ist mir klar, dass es noch dauert, bis ich alle Symptome der ordentlichen Erkältung hinter mir gelassen habe. Aber das heißt ja nicht, dass ich mich nicht schlecht dafür fühlen darf, es mir zu Hause auf dem Sofa bequem zu machen auch wenn ich währenddessen regelmäßig Schleim aus dem Nasenrachenraum ins Taschentuch befördere. 

Es ist schon absurd, wie sehr das eigene Verhalten zu dem, was man anderen regelmäßig empfiehlt abweichen kann. Allem schlechten Gewissen zu Trotz bin ich froh, dass meine Chefinnen entspannt mit meinem Fehlen umgehen und mir keinen Druck machen. Ich bin froh, dass es in unserer Gesellschaft die Möglichkeit gibt, krank zu sein ohne deshalb gleich entlassen zu werden oder Gehaltseinbußen hinnehmen zu müssen.
Und dennoch freue ich mich darauf, wenn ich bald wieder durch die Nase atmen und arbeiten gehen kann.

Wie war es, als ihr das erste Mal krank geschrieben wurdet?

1 Kommentar:

  1. Bei dem Tatendrang, den ich bei dir immer mitbekomme, kann ich mir sehr gut vorstellen, dass dir bei gleich mehreren Tage Ruhe die Decke auf den Kopf fällt. Doch ein schlechtes Gewissen brauchst du überhaupt nicht zu haben, finde ich. Es ist zwar ärgerlich für die Patienten, aber bei weitem kein Weltuntergang. Du hast noch dein gesamtes Leben an Arbeit vor dir, das rennt dir schon nicht weg.

    An erster Stelle sollte für dich vor allem deine Gesundheit stehen. Wenn der Körper Ruhe braucht, musst du vielleicht noch lernen, ihm die zu gönnen. Ist genauso wie mit Sauerstoffmasken im Flugzeug. Erst musst du deine eigene aufsetzen, bevor du anderen helfen kannst. Ist außerdem vielleicht eine gute Gelegenheit, um auch gedanklich herunterzufahren und sein eigenes Leben zu reflektieren. Also nicht zwingend im grundsätzlichen Sinne, aber ich habe manchmal im Alltag das Gefühl, dass so viel so schnell passiert - man kommt nicht immer hinterher, alles zu verarbeiten.
    Also nicht verzagen, das Chaos geht schon wieder früh genug los!

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