Ende diesen Jahres werde ich mein Studium abschließen. Wenn ich diese Worte tippe, klingt das alles noch so fern und unwirklich. Nach fünf Jahren Studium hat man sich an den Studentenstatus sehr gewöhnt und die Vorstellung, in einem Jahr Arzt zu sein, klingt jetzt gerade total verrückt. An Tagen, an denen ich aber im Rahmen des Praktischen Jahres über die Station renne, um fast genau das zu tun, was die Ärzte auch tun nur unbezahlt und ohne die finalen Unterschriften setzen zu dürfen, dann fühlt es sich gar nicht mehr so unwirklich an.
Nach dem schriftlichen Staatsexamen - liebevoll Hammerexamen genannt - sieht die Studienordnung vor, dass man ein Jahr lang Praktika macht. Drei mal vier Monate in der Inneren Medizin, Chirurgie und einem Wahlfach. Man bekommt Routine, man findet heraus, was man alles im Studium nicht gelernt hat und stellt im besten Falle auch noch fest, welche Fachrichtung man später einschlagen will. Die vier Monate im Bereich meines Wahlfaches liegen inzwischen hinter mir und ich fand es so gut, dass ich am letzten Tag der Chefin eine Bewerbung da lassen wollte. Gesagt getan. Aber der Weg dahin war zäh.
Zwei Wochen, bevor ich die Bewerbung abzugeben plante, fing ich an, meinen Lebenslauf zu überarbeiten und ein Motivationsschreiben zu verfassen.
Lebenslauf war ja noch einfach: alte Schulpraktika und Schülerwettbewerbe raus, Pflichtpraktika des Studium nur kurz auflisten, zu Studentenjobs mehr schreiben. Doch wie zur Hölle schreibt man ein angemessenes Motivationsschreiben?!
Egal was ich tippte: ich wurde das Gefühl nicht los, dass dem Leser eh sofort klar würde, dass das nicht meine dreihundertste professionelle Bewerbung war, sondern dass ich eine unsichere Studentin bin, die keine wirkliche Erfahrung mit dem Kram hat und sich selbst fragt, warum jemand sie einstellen sollte, weil wahrscheinlich alle anderen mehr auf dem Kasten haben. Selbstzweifel konnte ich schon immer.
Auch wenn ich weiß, dass ich sehr belastbar bin und eine ausgeglichene Persönlichkeit habe - wenn ich genau das in die Bewerbung schreibe, liest es sich wie was auch immer Sie mir für Berge an Aufgaben geben: ich bin der perfekte Fußabtreter, den Sie mit Arbeit für zweieinhalb Personen belasten können ohne dass er zusammenbricht.
Darf man schreiben, dass man während der Zeit in der Klinik durch die fachliche Kompetenz des Chefarzts viel gelernt hat oder klingt das bloß nach Heuchlerei ganz gleich, dass es die Wahrheit ist? Darf man schreiben, dass man bestimmte Aspekte des Fachgebiet liebt oder wirkt das nur wie verzweifeltes Anbiedern? Die Alternative wäre, ganz unbeeindruckt von der eigenen Kompetenz und Größe zu sprechen und auch das ist mir unwohl. Ich weiß, dass ich fleißig, gewissenhaft und freundlich bin, doch das so auszuformulieren kommt mir wie Selbstbeweihräucherung und damit einfach nur furchtbar vor. Bewerbungen schreiben muss etwas für selbstverliebte Menschen sein.
Nach Stunden von Selbstzweifel, Textumbau und Starren auf ein Textdokument wurde das Werk schließlich gedruckt: mit dem heimischen Drucker aber da mit nicht perfekter Qualität, mit dem Bürodrucker des geduldigsten Freundes überhaupt, mit dem Drucker der Eltern aber da leider nur auf Ökopapier in zartem Dunkelbeige. Also noch mal zu Hause drucken in anderer Einstellung. Mappe fertig zusammen bauen, nachdem man gegoogelt hat, in welcher Reihe man Anschreiben, Lebenslauf und Zertifikate sortiert und am nächsten Tag keine Zeit (und den Mut) finden, alles tatsächlich zu überreichen. Ist ja schön der Plan, alles vor dem letztmöglichen Termin zu organisieren, doch wenn es nicht klappt, muss man alles mit dem neuen Datum des Übergabetages nochmal drucken. In der bestmöglichen Qualität - noch ein Blatt Papier mehr verschwendet.
Je öfter man versucht, perfekte Drucke und Kopien mit einem mittelmäßigen Tintenstrahldrucker zu erzeugen, desto frustrierender wird es. Können wir die Umwelt jetzt nicht mal schonen und das mit dem Drucken lassen? Am Inhalt ändert das doch eh nichts sondern nur am ersten Eindruck.
Wenn man das ganze Bewerbungszeug einfach online einschicken würde, müsste man sich auch nicht den Kopf über perfekte Drucke zerbrechen und könnte drei Bäume mehr retten. Als ob man mich mal wegen eines gestochen scharf gedruckten Dokumentes einstellen würde - aber gleichzeitig möchte ich auch nicht der Kandidat sein, der wegen schlampiger Drucke aussortiert wird.
Nachdem ich mich also tagelang gestresst hatte, Lebenslauf und Anschreiben jeweils mindestens zehn mal gedruckt hatte, kam der Tag, an dem ich der Chefärztin meine Bewerbungsmappe überreichte. Und was tat sie? Nicht rein schauen, das Ding zur Seite legen und mir in die Augen blickend sagen, dass sie Berufsanfänger sowieso nicht gern nähme und ich es mal versuchen sollte, nachdem ich schon woanders gearbeitet hätte. Na schönen Dank. Ist immer gut, wenn sich Arbeit und Aufregung auch lohnen.
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