Tatsächlich ist es aber bis auf meiner Mutter noch niemandem aufgefallen. Verrückt, oder?!
Da hat man quasi ein leuchtendes Schild im Gesicht und trotzdem schauen alle darüber hinweg. Wie blind können Menschen nur für das sein können, was sie direkt vor Augen haben!
Während ich weiter darüber nachdachte, was Menschen alles nicht bemerken, weil sie so angestrengt über die Dinge nachgrübeln, wurde mir klar, dass ich selbst nicht ansatzweise besser bin. Vielleicht nicht unbedingt, was das Entdecken von Hämatomen im Gesicht meiner Mitmenschen geht, sondern vielmehr, wenn es zum Thema Selbstkritik kommt. Ständig fokussiert man nur auf das negative, alles andere wird übersehen.
Da wäre zum Beispiel der Post zum Thema Selbstbild des Körpers. Da wäre auch mein ständiges Grübeln, warum alle so glücklich und selbstsicher wirken und gefühlt nur ich dauernd an mir zweifle und sehe, was ich alles nicht kann und darüber dann die Gedanken kreisen lasse, um mich gezielt und sicher in Panik und Verzweiflung zu manövrieren. Klassiker zu diesem Stichwort wäre das Thema, dass ich mich inzwischen am Ende des Studiums befinde und damit regulär keine zwei Jahre mehr habe, bevor ich dann offiziell mit einem Schildchen, das mich als Arzt zu erkennen gibt, vor den Patienten trete. Dabei gibt es so unendlich viel, was ich noch nicht oder - noch viel schlimmer - nicht mehr weiß. #omgichwerdesiealleumbringen
Mit all den Dingen im Sinn, die an mir nicht perfekt sondern verbesserungsbedürftig sind, mache ich Pläne in meinen Gedanken. Dinge, die ich lernen muss, Punkte, die ich ändern sollte und so entwerfe ich Schritt für Schritt das Idealbild meiner Selbst, das ich in ein paar Jahren sein möchte. Es erscheint mir dann mit jeder weiteren Minute, die ich in diese Art der Planung investiere, dass ich noch desorganisierter, ungebildeter, tollpatschiger, selbstunsicherer und langweiliger wäre, als es tatsächlich zutrifft. Es tut nicht gut, immer nur die Fehler heraus zu picken und auf ihnen herum zu hacken.
Der Song In My Mind von Amanda Palmer fasst dieses ständige Streben nach einem perfekten Selbst in der Zukunft perfekt zusammen. Das Bewusstsein über die eigenen Fehler führt zu Unzufriedenheit mit der Gegenwart, die in Rastlosigkeit übergeht und leicht zu viel zu viel Verbitterung der eigenen Person gegenüber verleitet.
Wir sollten es öfter so machen wie Amanda, die, nachdem sie in ihrem Song ihre ganzen unrealistischen, alten Vorstellungen und Ansprüche an sich selbst mit der tatsächlichen Entwicklung verglichen hat, nach anfänglicher Frustration erkennt, dass man so wie man ist bereits viel erreicht hat und auch mal für einen Moment ruhig durchatmen sollte, um der Erkenntnis eine Chance zu geben, dass man auch im Hier und Jetzt genau der Mensch sein könnte, der man in diesem Moment sein möchte. Dass es gut ist, der Mensch zu sein, zu dem man sich entwickelt hat.
Veränderung und Bewegung nach vorn ist wichtig im Leben. Trotzdem sollte man sich einmal zurücklehnen und mit ein wenig Abstand erkennen, dass man eben nicht nur in Richtung Zukunft voran arbeiten muss, um irgendwann eventuell dem Ideal von einem selbst zu entsprechen. Es gibt nämlich mehr als das große ganze Bild und mit diesem Wissen können wir im Alltag die Augen öffnen, um die kleinen Dinge zu sehen. Die Hämatome auf den Nasen unserer Mitmenschen, unsere kleinen Erfolgsmomente und die täglich aufblitzenden Momente des Glücks. Dass wir nicht nur immer weiter ackern müssen, um ein Endziel zu erreichen, sondern dass wir auch schon ganz viele Dinge geschafft und erlebt haben und darüber glücklich sein können, uns zu dem entwickelt zu haben, was wir sind. Denn es lebt sich viel schöner, wenn man nicht übersieht, was in der Gegenwart passiert und wie gut das Jetzt eigentlich ist. Ich vergesse nur immer zu gern, mich selbst daran zu erinnern.
Oder wie Amanda Palmer es so schön auf den Punkt bringt:
Fuck yes - I'm exactly the person that I want to be!
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