Dienstag, 3. März 2015

Kopf aus dem Sand

Immer wenn man vor neuen Herausforderungen steht, fragt man sich, ob man sie bewältigen kann. Klar, man hat im Leben doch schon so viele Hindernisse überwunden! Und obwohl man sich das immer wieder versichert, bleibt doch bei mir der Gedanke zurück, ob man selbst nicht doch weniger gut ist als die anderen.

Wie kommen die durchs Medizinstudium wenn sie sich jedes Wochenende ein schönes Leben ohne Unizeug machen während ich die ganze Zeit kontinuierliche lerne, um alles zu schaffen? Bin ich so dumm oder sind die so begabt? Was mache ich da falsch?

Heute war der erste Tag meiner Famulatur im Krankenhaus. Neue Situation, unbekanntes Krankenhaus, neue Menschen. Angst, den ersten Eindruck direkt zu ruinieren.
Was, wenn die Ärzte merken, dass ich nicht alles weiß - solche dämlichen Gedanken schießen mir durch den Kopf. Man weiß nie alles, auch nach Abschluss des Studiums nicht. Trotzdem: was, wenn sie denken, dass ich für jemanden nach 5 Semestern Medizinstudium nicht besonders viel Ahnung habe? Der Gedanke hat mich so lange fertig gemacht, bis ich mir abends noch einmal die Gefäßverläufe des Abdomens zu Gemüte geführt habe.

Unter all den immer wieder aufkommenden Selbstzweifeln weiß ich eigentlich, dass ich damit nicht allein bin. Jeder hat Momente, in denen er an sich selbst zweifelt, denkt, dass alle anderen es einfach mehr drauf haben. Es zeigt nur fast keiner. Dieses Wissen hilft nur leider nicht, die Selbstzweifel zu verhindern.
Mir ist klar, dass ich mir damit in gewisser Weise selbst das Leben schwer mache. Der Wunsch, so gut wie möglich zu sein ist aber stärker.

Ich bewundere die Menschen, die voller Überzeugung sich selbst anpreisen. In Bewerbungsgesprächen kommt das bestimmt besser an. Ich selbst denke immer, dass ich mich doch gut genug kenne, um auch meine Schwächen zu kennen und mich wegen dieser auch nicht so anpreisen kann.
Genauso wenig muss ich mich in den Mittelpunkt der Gesprächsrunde stellen und alle Aufmerksamkeit beanspruchen - denn ich bin mir sehr sicher, dass es interessantere Personen gibt als mich. Und abgesehen davon will ich eh lieber meine Ruhe als von allen beobachtet zu werden.

Obwohl ich weiß, dass ich mir selbst Steine in den Weg lege, indem ich an mir zweifle und Menschen mit größerem Selbstbewusstsein und/oder Mundwerk den Vortritt lasse, ändere ich nichts daran. Gleichzeitig hasse ich es, wenn ich bemerke, dass jemand nicht durch Können sondern durch Dreistigkeit und Selbstdarstellung etwas erreicht. Ich empfinde es als unfair. Man selbst arbeitet all die vorgeschriebenen Stunden an bestimmten Pflichtveranstaltungen ab und andere fälschen einfach die Unterschrift oder reden sich mit charmanten Worten heraus. Am Ende kommen in dem Fall sogar alle zum gleichen Ergebnis, nur dass die einen gearbeitet haben während die anderen ihre Freizeit auskosten. Ein bisschen Neid schwingt da definitiv mit.
Manchmal wünschte ich mir, dass ich auch so eloquent und schlagfertig wäre, mich in einigen Situationen allein durch Worte statt Leistungen durchschlagen zu können. Aber so bin ich einfach nicht. Und wahrscheinlich würde da ein schlechtes Gewissen bei mir zuschlagen. Ich zweifle viel lieber an mir selbst und treibe mich dazu an, mehr zu tun, um diese Zweifel zu überwinden. Und wenn ich mir Mühe gebe, taucht sogar der Gedanke, dass ich guten Grund habe, selbstbewusst und stolz zu sein auf schon erreichte Ziele wieder auf.
Vielleicht ist der Sebstzweifel doch nicht nur schlecht, wenn er mich auch an solche Dinge denken lässt.

Apfelkern

2 Kommentare:

  1. Aber allein die Tatsache, dass du gleich nach dem Abi Medizin studieren konntest, zeigt doch, dass du ne Menge drauf hast. Und nicht zuletzt bist du schon im 5. Semester. Finde es immer erdrückend, wenn schlaue Leute(z.B. du) Zweifel an ihrem Können haben und dann stehe ich da und weiß nicht mal, was ich kann. Schlagfertig bin ich in allen Situationen, die nichts mit Leistungserbringung zu tun haben. Immerhin das.

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    1. Mhm, man denkt einfach mehr an die Sachen, die man nicht kann als an die, die man gut beherrscht. Was man im Schlaf erledigen kann, sieht man manchmal leider auch einfach als normal und selbstverständlich. In einem Bewerbungsgespräch fiele es mir so viel leichter, zu erzählen, was ich nicht gut kann, als worin ich gut bin.
      In dem Fall machst du dich selbst wohl auch ein bisschen klein: du weißt vielleicht nicht, was du kannst (weil du es als nicht genug ansiehst und es nicht als können anrechnest) aber du wirst sehr viele Dinge können. Zum Beispiel Kurzurlaube mit Easy Jet organisieren. Okay, das ist nicht das beste Beispiel aber du weißt wahrscheinlich, was ich meine.

      Ich bin neidisch auf die Schlagfertigkeit in Situationen, die nichts mit Leistungserbringung zu tun haben, denn das heißt Schlagfertigkeit im Alltag. Auf fachliche Frage kann ich oft ganz gut antworten oder mir irgendwas herleiten aber wenn man mich dumm anmacht steh ich immer trottelig da und wünsche mir ein bisschen Schlagfertigkeit. Man kann wohl nie alles haben.

      P.S. Wow, du avancierst offensichtlich zu meinem Kommentator Nummer 1!

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