Dienstag, 2. Oktober 2012

Ungewissheit und Optimismus

Dieser Lebensweg ist eine undurchsichtige und steinige Sache. Anfangs klar vorgezeichnet - Kinderarten, Vorschule, Schule - muss man ab einem bestimmten Punkt eigenständige Entscheidungen treffen, welchen Weg man nehmen will.
Klingt nicht so dramatisch. Bedenkt man aber, dass diese Entscheidungen Einfluss auf den kompletten weiteren Lebensverlauf haben werden, erscheinen sie deutlich weniger leicht.
Man grübelt und fragt sich, was man denn eigentlich will. Wohin soll der Lebensweg führen - kurz: was ist das Ziel?

Das allgemeine Ziel ist es eigentlich immer, glücklich zu werden. Hört sich simpel an. Der Haken an der Sache ist nur, dass es kaum Dinge sind, die ähnlich schwer zu definieren sind wie das persönliche Glück.

Schritt eins: herausfinden, worin das persönliche Glück besteht.
Schritt zwei: sich auf den Weg machen, genau das zu erreichen.
Theoretisch also ganz einfach.

Aber woher soll ich denn wissen, was genau mich erfüllt, ohne es vorher nicht einmal ansatzweise testen zu können? Es ist ein Navigieren nach Intuition und Erfahrungen - und eine Wegwahl, die ein wenig etwas von einem Glücksspiel hat.
Oft sind es Zufälle, die einem eine Idee vermitteln, was einem denn Glück schenken könnte. Zufälle, die uns Wegabzweigungen wählen lassen, für die wir uns von allein nicht entschieden hätten.

Ich erinnere mich gut, dass viele Gleichaltrige zu Zeiten des Kindergartens oder in der Schule scheinbar klar definierte Berufswünsche hatten. Dolmetscher, Tierarzt, Lehrer, Gärtner, Designer, Sänger…sonstwas. Jedenfalls eine konkrete Vorstellung ihres Lebensweges - und genau darum beneidete ich sie.

Ich hatte nie diese exakte Vorstellung davon, was ich einmal werden wollte, wenn ich erwachsen wäre. Sicher war ich mir in darin, dass ich mir einen Partner wünsche, der sowohl bester Freund als auch Geliebter wäre, dass ich gern ein Haus mit eben jenem besitzen oder gar bauen wollte, dass ich gern einmal Kinder hätte und einen Beruf, der mir Freude bereitet aber auch so viel einbringt, dass man leben kann, ohne ständig aufs Geld achten muss.

Das scheint mir so ziemlich das zu sein, was sich fast alle wünschen. Total richtungsweisend und individuell also, was ich mir da vorstellte.

Durch einen Zufall schickte mich ein Lehrer zu einer Biologieolympiade. Anfangs war ich wenig begeistert - schließlich wurde ich nur dahin geschickt, weil aus jeder Klasse zwei an der Vorauswahl für eben jenen Wettbewerb teilnehmen sollte, doch schnell stellte ich fest, dass mich die Aufgaben reizten, die eben nicht mit sturem Lernen des vermittelten Unterrichtswissen zu lösen waren, sondern viel mehr Kreativität und Logik erforderten. Überraschend kam ich in die Regionalrunde, die Landesrunde und schnitt sogar mit einem Platz auf dem Treppchen ab. Fasziniert davon machte ich weiter, nahm von da an jährlich an den Wettbewerben teil und vertiefte damit das Interesse als auch das Wissen im Bereich der Biologie.
Ich bin dem sonst eher extrem inkompetenten Lehrer noch immer dankbar, mich zu diesem Wettbewerb geschickt zu haben.

Als es dann Zeit für ein Praktikum war, wurde es eins in ungefähr diesem Bereich.
Die Facharbeit schrieb ich in Biologie und auch in der Abschlussprüfung der zehnten Klasse war gleich klar, was ich unter meine Prüfungsfächer wählen würde.
Dass ich dann auch den Leistungskurs Biologie wählte, bedurfte kaum einer weiteren Überlegung.

Die von so vielen sicher genauso als mit der Zeit unerträglich empfundene Frage, was man denn nach der Schule machen wolle, konnte ich trotzdem nicht beantworten. Irgendwas mit Biologie…aber was genau?

Lehrer sicher nicht - zwei Dutzend pubertierende oder noch kindlich unkonzentrierte und alberne Schüler vor mir sitzen zu haben, von denen im Glücksfall fünf Interesse an dem haben, was ich da erzähle, muss ich nicht haben. Arzt schloss ich auch immer aus - allein schon den Patientenkontakt stellte ich mir auf Dauer schrecklich anstrengend vor, doch Medizin an sich, den menschlichen Körper, Erkrankungen und Behandlungen empfand ich schon immer als ungeheuer aufregend. Vielleicht hat das auch mit dem Gedanken zu tun, dass man dadurch auch deutlich mehr über seinen eigenen Körper erfährt, wenn man sich mit solcher Materie beschäftigt.
Und trotzdem - die ganzen Patienten, die garantiert auch nicht alle nett und sympathisch wären? Nö.

Meine Überlegung war dann also, Medizin zu studieren, ohne Arzt werden zu müssen. Mit dem Wissen könnte man ja noch immer in die Forschung gehen. Aber Pflegepraktikum und dieses elendig lange Studium dafür, um dann doch nicht Arzt zu werden? Auch unsinnig.
Also Biomedizin studieren…wie Medizin nur ohne komische Patienten eben. Trotzdem schielte ich viel vorfreudiger auf die medizinischen Lesungen im Semesterplan als auf die anderen, die ich eher mit dem Gedanken da muss ich eben durch versah.

Ich habe ein Pflegepraktikum gemacht und festgestellt, dass Patienten zwar durchaus komisch und nervig sein können, doch es sind längst nicht alle. Und selbst bei den weniger angenehmen: es ist einfach ein unglaublich gutes Gefühl, helfen zu können.
Als ich jetzt nach ewigem Warten und vielen Gedanken über Alternativen die Zusage zum Studiumsplatz bekam, war ich erleichtert - und glücklich, denn ich habe das Gefühl mit der Wahl des Medizinstudiums die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Und doch: die Ungewissheit steht noch immer im Raum.
Werde ich mit dem Studium zurecht kommen? Wie wird sich mein Leben verändern? Für welche Fachrichtung soll ich mich später entscheiden? Aber vor allem: ist das eigentlich nun der Weg, auf dem ich glücklich werde?
Es scheint aktuell so, aber sicher ist nichts im Leben. Diese Erkenntnis halte ich zwar für wahr aber auch für auf eine bestimmte Weise erdrückend. Einfach die Vorstellung, dass alles sich ändern könnte und zwar zum Negativen. Einen konkreten Grund dafür, das zu denken, gibt es nicht einmal. Der Gedanke ist dennoch da.
Komplett vergessen sollte ich ihn wohl nicht, doch sollte ich ihn genauso wenig sich in den Vordergrund drängen lassen.
Schließlich ist man glücklicher, wenn man sein gegenwärtiges Glück wahrnimmt statt  über alles nachzudenken, was eben jenes zerstören könnte. Ein naiv-optimistisches Hineinleben in den Tag ist nicht die ultimative Lösung, aber ein wenig Optimismus schadet nicht.

Es hilft wohl auch bei der Beantwortung der Frage, ob man glücklich ist, was man sich denn alternativ für diesen Moment wünschen würde - konkret ob man mit diesem Moment zufrieden ist oder lieber einen anderen Weg mit anderen sich daraus ergebenden Momenten gewählt hätte.
Selbst wenn das so war - man kann noch immer das beste aus der Situation machen. Ich glaube, ich bin dazu aufgelegt, optimistisch zu sein. Vielleicht zwinge ich mich ja nur unterbewusst dazu.

Wie auch immer. Ich weiß nicht, ob ich am Ende des eingeschlagenen Weges glücklich sein werde, doch ich glaube jetzt glücklich zu sein. Und das ist genauso wichtig.

Apfelkern

4 Kommentare:

  1. Es gibt nicht den einen Weg. Es gibt immer Rücksetzpunkte. Man sollte nur hier und dort zwischenspeichern, um nicht von ganz vorne anfangen zu müssen.

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    1. Sehr weise Worte, die in meinen Augend sehr treffend sind. Danke dafür

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  2. Die Entscheidung, wo das Leben denn so hin führen soll, ist meiner Erfahrung nach immer eine ganz schwierige. Ich beneide auch Menschen, die genau wissen, was sie werden wollen. Merkwürdig, sowas. Ich weiß gar nicht, wie das geht.
    Ich freue mich auf jeden Fall für dich, dass du einen Studienplatz hast, mit dem du offenbar zufrieden bist. Die Ungewissheit darüber, was dich noch erwartet und wie es dir gefällt, ist sicher völlig normal. Vielleicht kannst du die Sache ja auch etwas lockerer sehen. Dein Weg ist nicht vorzementiert. Egal, was du studierst oder lernst oder was du heute machst, in ein paar Jahren kann ja alles ganz anders aussehen und du hast immer die Möglichkeit, einen anderen Weg einzuschlagen. Wie du selber sagst: Du musst in diesem Moment damit zufrieden sein.
    Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Spaß und viel Erfolg bei deinem Studium.

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    1. Dass der Weg nicht vorzementiert ist führt zur Möglichkeit, die Entscheidung zu treffen, neue Wege einzuschlagen, führt aber auch dazu, dass es keine Sicherheit gibt. Schon komisch und gleichzeitig ganz normal.

      Danke für deine Worte.

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