Donnerstag, 9. November 2017

Picture or it didn't happen

Kürzlich war ich im Urlaub. Knapp zwei Wochen Portugal zur Erholung nach dem Staatsexamen. Gereist bin ich wieder einmal nur mit Handgepäck, denn warum sollte ich einen Koffer voller unnötigem Kram durchs ganze Land schleppen, wenn alles, was ich brauche, eh in einen Rucksack passt?

Was ich allerdings eingepackt habe, war eine Kamera. Denn auch wenn man keinen Koffer voller Souvenirs mit nach Hause bringen kann, so kann man noch immer versuchen, alles fotografisch festzuhalten. Und genau darüber möchte ich hier sprechen. Denn mir kommt es teilweise vor, als wären Erlebnisse nur etwas wert, wenn man sie dokumentiert.

Man kann noch so wortgewandt davon schwärmen, wie malerisch die Landschaft, wie fabelhaft das Essen oder wie wolkenlos blau der Himmel waren: in einem Bild kann man all das dem anderen direkt vor Augen führen. So sieht er die Eindrücke fast, als wäre er selbst da gewesen, kann alles auf seine eigene Art wahrnehmen und weiß dann definitiv, dass man mit den Schwärmereien vom Urlaub nicht übertreibt.
Ein Bild sagt schließlich mehr als tausend Worte. Picture or it didn't happen.

Das kann einen ganz schön unter Druck setzen, während des Urlaubs auch im richtigen Moment die Kamera mit der perfekten Einstellung in der idealen Perspektive aufs Motiv zu halten. Kann man sich eigentlich noch richtig entspannen, wenn man seinen Tag immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, man müsse für jeden Punkt auf der Reiseliste, ein vollendetes Bild schießen, verbringt? Sobald die Jagd nach DEM Foto die Reise dominiert, wäre die Entspannung zumindest für mich dahin.

Es heißt ja immer, man solle Erinnerungen sammeln statt Dinge anzuhäufen. Indirekt scheint das aber manchmal auch zu bedeuten, dass man Bilder von erinnerungswürdigen Momenten sammeln solle. Gern auch in digitaler Form, damit sich keine tatsächlichen Stapel von Dingen bilden, die man ja eigentlich nicht sammeln wollte. Alternativ kann man seine Erinnerungskollektion auch einfach bei Instagram hochladen. Aus dem alltäglichen Leben poste ich dort nicht wirklich viel, doch sobald ich auf Reisen bin, halte ich das gern fest und poste es dort.
Warum? Einerseits, um anderen zu zeigen, was es für tolle Orte gibt und sie so zu inspirieren, selbst zu reisen, andererseits aber auch, um selbst in einem Jahr durch meine Posts scrollen zu können und in dieser gekürzten Kurzfassung des Urlaubs mich an eben diesen zu erinnern ohne die riesige Datei aller Urlaubsbilder öffnen zu müssen.
Genauso liebe ich es auch, die Reiseeindrücke anderer auf Instagram zu sehen. Teilweise durchsuche ich die Seite auch aktiv einem Hashtag oder einer Lokalisierung folgend nach Tipps, wie ich meine eigene Reiseplanung optimieren kann. Selbst etwas zu posten ist also in gewisser Weise ein Weg, etwas zurück zu geben.
Trotzdem kann ich nicht leugnen, dass ich sehr viel mehr auf der Jagd nach einem perfekten Bild bin, wenn ich weiß, dass ich am Ende des Tages einen Reiseeindruck posten möchte.
Look at me! Ich bin so verrückt, ich mache einfach Strandyoga
 während des Sonnenuntergangs. Position WC Ente.

Ist es falsch, möglichst schöne Bilder aufnehmen zu wollen?
In der Regel sind wir bemüht, ästhetisch ansprechende Dinge zu erschaffen. Soll heißen, dass man sich bei der Einrichtung seiner Wohnung nicht extra Mühe gibt, alles ungemütlich und chaotisch werden zu lassen, sondern dass das Ziel immer eine schöne, wohnliche Umgebung ist. Es entspricht einfach dem, was uns im Rahmen unserer Sozialisierung beigebracht wurde, darauf zu achten, dass wir positive, schöne Dinge tun. Schon bei der Vorstellung, extra die Wohnung zu verwüsten oder generell etwas zu zerstören, bekomme ich ein schlechtes Bauchgefühl. Und warum dann nicht gleich versuchen, das Optimum an Ästhetik raus zu holen, wenn man eh dabei ist, ein Foto zu machen?

Dann bleibt nur noch die Frage, wie viel Aufwand für ein schönes Bild angemessen ist. Ich würde nicht wollen, dass mein Reisegepäck nur aus Kameraequipment besteht und ich an jedem Meter Strand 20 Minuten verbringen müsste, um die perfekte Aufnahme der Aussicht zu machen. Angemessener Aufwand bedeutet in dem Kontext, dass ich im Rahmen meiner Möglichkeiten relativ ansprechende Bilder mache, ohne dafür ewig das eigentliche Erleben unterbrechen zu müssen. Denn wenn wir zu sehr damit beschäftigt sind, den Moment bildlich einfangen zu wollen, ist es zu leicht, ihn dabei einfach zu verpassen.
Wie die coolen Kids, die bei Konzerten in der ersten Reihe stehen und statt zu tanzen Videoaufnahmen machen, die nie von jemandem angesehen werden. Außer vielleicht von ihnen selbst, um dann im Anschluss noch mal zu checken, wie eigentlich das Konzert war.

Wie perfektionistisch seid ihr mit euren Fotos? Könntet ihr euch vorstellen, zu reisen, ohne Bilder davon zu machen?

4 Kommentare:

  1. Mein Gedächtnis ist so schlecht, ohne Fotos wäre es als wäre ich nie da gewesen ^^.
    Ich schaue mir auch später noch oft Urlaubsfotos an und erfreue mich an den selbstfotografierten Postern an den Wänden. Aufwand mache ich mir nicht so viel. Ich möchte nicht stundenlang auf die perfekte Lichtstimmung warten. Entweder es wird geil wenn ich schonmal da bin, oder halt nicht ganz perfekt.
    Für mich reicht es, ich quäle auch keine Unbeteiligten damit.

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    1. Das mit dem Gedächtnis ist manchmal schon ganz schön traurig. Verrückt, was für vermeintlich verlorene Erinnerungen ein Foto wieder hervor zaubern kann. Und da ist es voll egal, ob perfekt oder wackeliger Schnappschuss.
      Umso besser, wenn man wahrheitsgemäß " keine Menschen wurden bei Aufnahme dieses Bildes gequält" drunter schreiben kann. :D

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  2. Interessantes Thema. Ich kenne durchaus einige Menschen mit professionellem Equipment, die für ein perfektes Foto mehr Zeit investieren. Ich stehe jedoch zu meinen shitty Fotografieskills. Meine Digitalkamera ist relativ alt, bei schlechten Lichtverhältnissen wird es sowieso nicht gut. Auch beim letzten Trip nach Brügge mache ich selten mehr als ein Foto von einem Moment. Entweder wird das Foto was oder eben nicht. Dass dann bei hundert Bildern vielleicht nur ein richtig gutes dabei ist, stört mich nicht. Im Endeffekt sind das ja Erinnerungen für mich. Wenn ich sie anderen zeige, kriegen die wenigstens einen kleinen, manchmal verwackelten, manchmal schlecht belichteten Eindruck. Denn genau anders herum, schaue ich mir eigentlich nie Urlaubsbilder von anderen an und achte dabei auf das perfekte Motiv oder wie sie doch einen anderen Bildausschnitt hätten wählen können. Ich glaube, mir fehlt wahrscheinlich einfach der Blick dafür.

    Also, mach' dir kein Stress! Außer du hast Spaß am Fotografieren selbst, dann mach' dir auch kein Stress, aber nimm dir mehr Zeit. Ansonsten: schlechtes Picture or it didn't happen, geht auch! :D

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    1. "Shitty Fotografieskills" sorgen zumindest dafür, dass man Fotos definitiv als seine eigenen Bilder und Erinnerungen wieder erkennt, ohne vorher überlegen zu müssen, ob man die perfekte Aufnahme nicht doch nur bei den Recherchen vor der Reise mit runter geladen und in den Bilderordner gesteckt hat

      Schlechtes Picture or it didn't happen sollten wir echt zu unserem Motto machen!

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