Sonntag, 5. Februar 2012

Klöppeln

Kommt euch das Wort Klöppeln bekannt vor?

Den meisten Menschen unter dreißig scheint der Begriff heute unbekannt zu sein. Stricken ist modern, Häkeln ist hipp - aber Klöppeln? Kennt keiner.

Wahrscheinlich würde dieses Wort auch in meinem Kopf nur schwarze Leere hervorrufen, wenn die Familie meiner Mutter nicht aus dem Erzgebirge käme. Handarbeiten sind dort weit verbreitet, denn als sich die Erzvorräte dahin schmolzen musste man sich andere Einkommensmöglichkeiten suchen. Und so schmiedete man Schwippbögen, schnitzte Osterhasen, Nussknacker, Bergmänner und Christengel, drechselte Weihnachtspyramiden und Spanbäumchen, stickte, strickte, häkelte und - klöppelte. Erzgebirgische Handarbeiten sind relativ weit verbreitet, doch die Handarbeit ist heute eher Einkommensquelle als Privatvergnügen. Es setzt sich fast niemand mehr abends hin und schnitzt.

Immer wieder bin ich erstaunt, wie viele Dinge unserer Weihnachtsdekoration, Osterdekoration oder einfach der Gebrauchsgegenstände erzgebirgische Vorfahren, die ich bis auf wenige leider nur namentlich aber nicht persönlich kennen lernen konnte, selbst hergestellt haben.
Und so war ich fest entschlossen, von Oma das Klöppeln zu lernen.

Beim Klöppeln werden mehrere durch Spulen geführte Fäden zu Spitze verknüpft. Man arbeitet entlang bestimmter Vorlagen, den Klöppelbriefen und fixiert die Fäden darauf mit Nadeln. Untergrund der Arbeit ist ein Klöppelsack, der im Erzgebirge typischerweise rollenförmig ist, doch in anderen Orten mit der Tradition wie zum Beispiel Belgien auch ein Flachkissen ist.

Klöppelspitze, gefertigt von meiner Urgroßmutter

Ich war beeindruckt, welche Mengen an Klöppelbriefen im Besitz meiner Oma sind. Sie sind alle selbst gestaltet und teilweise schon sehr abgenutzt. Ihr an das Heimatmuseum erinnerndes Äußere löste Ehrfurcht in mir aus. So alt und fragil - damit kann ich doch nicht arbeiten!
Sie gab mir tatsächlich eine relativ neue Vorlage. Sicher ist sicher.

Alte Klöppelbriefe  - Achtung! Es gilt das Urheberrecht für Klöppelbriefe, wirklich!

Vor vielleicht sechs oder sieben Jahren hatte ich schon einmal einen Versuch unternommen, das Klöppeln zu erlernen, doch dieser Versuch verlief eher lustlos. Meine Mutter war als Kind zur Klöppelschule geschickt worden und nun wollte meine Oma auch mir das Klöppeln lehren. Ich fand das völlig albern und unnütz. Was will ich denn mit Klöppelspitze?
Inzwischen stehe ich anders dazu. Natürlich ist Stricken vom Aspekt der Nützlichkeit her sinnvoller als Klöppeln, denn mit einem gestrickten Pullover kann man im Alltag mehr anfangen als mit einem Spitzendeckchen, doch nun erkenne ich, dass es darum geht, Wissen zu erhalten und Traditionen zu bewahren. Es wäre peinlich, später meinen Kindern die handwerklichen Meisterwerke der Familie zu zeigen um anschließend zu zu geben, dass ich selbst keinen Schimmer habe, wie sie hergestellt werden.

Der Klöppelsack

Die ersten Schritte waren nicht leicht. Oma ist zu schnell in ihren routinierten Bewegungen, als dass sie für einen Anfänger nachvollziehbar wären. Ich nötigte sie, langsamer zu arbeiten und setzte durch, dass ich auch den Anfang selbst machte, um die Arbeit komplett begreifen zu können.
Meine rudimenthafte Klöppelerfahrung half mir relativ schnell zu verstehen, wie das Grundmuster funktioniert.

Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, beende ich es auch. Und mit dieser Willenskraft beendete ich trotz der ungelenken Hand des Anfängers den Umriss des kleinen Herzens, das ich klöppelte.


Das Innere des Herzens erforderte eine andere Technik als der "Rahmen"und nachdem ich diese im vierten Anlauf akzeptabel ausführen konnte, war der Ehrgeiz in mir geweckt, das Werk so schnell wie möglich zu beenden. Hochkonzentriert klöppelte ich weiter, nur um von Oma darauf hingewiesen zu werden, dass mein Werk recht unregelmäßig wäre.  Nun ja, völlig aus der Luft gegriffen war das nicht, doch meine Freude minderte es nicht.


Ja, ja die inneren Ornamente sind nicht gleichmäßig. Das in meinen Augen schönste davon (unten links) hat meine Oma gefertigt. Für den Anfang bin ich dennoch zufrieden.
Die Fäden bleiben übrigens nicht lose hängen: sie müssen nur noch vernäht werden.

Und sobald ich erst einmal die Grundtechniken beherrsche und begreife, wie man eigene Klöppelbriefe zeichnet, habe ich auch schon einen Plan: ich werde mir einen schwarzen Spitzeneinsatz für ein Top klöppeln. Schwarzes Top mit schwarzer Spitze auf heller Haut unter einem einfachen Langarmshirt stelle ich mir sehr schön vor. So wäre das Klöppeln doch noch mehr oder weniger nützlich. Man muss sich ja Ziele setzen.

Apfelkern

10 Kommentare:

  1. Sieht wahnsinnig kompliziert aus. Aber Traditionen erhalten ist wirklich eine wichtige Sache!
    Und Kompliment für dein Herz, ich als Laie sage einfach mal: Für eine Anfängerin sieht das sehr toll aus (liegt wohl bei euch im Blut:-))!

    AntwortenLöschen
  2. Ganz ehrlich: Ich hab ja schon wirklich viele Spitzendeckchen gesehen, aber ich habe mir noch nie Gedanken darüber gemacht, wie schwierig sowas in Handarbeit wohl herzustellen ist. Ich persönlich hätte sicher nicht die Geduld sowas zu erlernen. Zumal der Nutzen auch eher begrenzt ist. Aber ich wünsche dir viel Erfolg beim Aufleveln dieses Talents.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ja ja, immer dieses verflixte Verhältnis von Aufwand und Nutzen...

      Löschen
    2. Dieses Verhältnis darf man beim Klöppeln nie aufmachen. Ähnlich wie die Büchse der Pandora. ;-)
      Klöppeln ist ein schönes Hobby, für die meisten von uns. Die wenige "Rockstars", die davon leben können, mal ausgenommen.

      Klöppeln dient mir zur Entspannung und zur Erhaltung meines seelischen Gleichgewichts. Wenn ich schon mal ein Deckchen oder eine Spitze verkaufe, dann ist NIEMAND bereit einen auch nur ansatzweise nennenswerten Stundenlohn zu zahlen.
      Deswegen: Viel Herz, viel Ehr, aber wenig oder gar kein Geld.

      Nie werde ich aber die Augen meiner Mutter vergessen, als ich ihr eine 3,60 m lange Ansatzspitze für ihren seidenen Volant-Rock geschenkt habe. (Fächer mit Kreuzschlag-Füllungen und viel gedrehtem Bändchen)

      Löschen
  3. Das hab ich letztens in der Bahn gesehen.Ich war hin und weg!
    Faszinierend diese Blätter, faszinierend das Ergebnis. Ich find dieses Omazeug richtig hübsch.
    Leider hat mir das nie jemand beigebracht, sonst würd ich das bestimmt Freitagabends machen..

    AntwortenLöschen
  4. Ich fange an mich zu gruseln, wie ähnlich wir uns sind. Ich persönlich wollte es jahrelang erlernen, und hab mich nie in einen Kurs getraut. Mit 17 hab ich mir ein Herz gefasst und mit 6-jährigen das Klöppeln gelernt (und das Kinderbetreuen).

    Grüße aus dem Erzgebirge~

    AntwortenLöschen
  5. sieht beeindruckend aus!
    würde ich mir nicht zutrauen...
    respekt!

    AntwortenLöschen
  6. Hallo "Apfelkern",

    ein sehr gutes Ergbnis hast Du abgeliefert. Auch Dein Vorhaben, die Tradition Deiner Vorfahren nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. finde ich hoch zu achten.
    Drehen und Kreuzen sind die ganze Kunst......
    Deine Formschläge sehen schon sehr gut aus. Sie sind so eine Art Gradmesser.
    Ich habe erst viel später das Klöppeln gelernt, eigentlich mehr zufällig. Ich wollte es aber schon immer lernen, besaß zu diesem Zeitpunkt schon sehr lange die Grundausstattung, ein Klöppelset für Kinder ab 6 Jahre, steht auf der Schachtel.
    Ich bin übrigens Norddeutsche, in Mecklenburg-Vorpommern geboren, Klöppeln gelernt habe ich in Berlin bei einer Kursleiterin, die die Fachschule in Schneeberg besucht hatte.
    Zur Zeit bin ich einer Klöppelgruppe in Neubrandenburg, wir treffen uns 14-tägig, fahren auch mal zum Work-Urlaub zusammen weg und, und...
    Regelmäßig treffen wir uns auch mit den Gruppen aus Ueckermünde, Bad Doberan und Berlin.
    Als nächstes kommen wir im April zum Klöppelkongreß nach Annaberg Buchholz.
    Wir klöppeln neben Deckchen und Decken, Tischläufer, Spitzen, Dekorationen zu den Feiertagen, Bilder, Schals, Tücher, Stolen, Westen, T-Shirts, Einsätze, Kragen, Schmuck auch aus Draht usw.
    Der Einsatz von farbigem Garn und anderen Materialien macht die Handarbeit viel moderner.
    Eine anspruchsvolle Handarbeit, die schwierigste, die ich bisher gelernt habe. Aber, wir tun, was nicht jeder kann (und ich lasse mir bei den Formschlägen auch helfen).
    Nun gibt es auch Publikationen zum Klöppeln, nicht immer in deutscher Sprache, aber mit dem Klöppelbrief, dem Foto und ggf. der Arbeitszeichnung läßt sich auch danach arbeiten. Außerdem ist die Umsetzung des Klöppelbriefes nicht star an etwas gebunden.
    Du hättest zum Beispiel anstelle der Formschläge auch Picots klöppeln können, das macht die Arbeit weiter.
    Ich selbst schaue mich auch im Internet um, um mir gelegentlich Hilfe und Anregungen zu holen.
    Jetzt bin ich ganz gespannt auf Deinen Klöppeleinsatz, er wird ganz sicher schick und macht das Shirt individuell.

    Weiterhin viel Spaß und Freude am Klöppeln
    AnneMaxi

    AntwortenLöschen
  7. Hallo Apfelkern!
    Klöppeln ist gar nicht schwer, man muß nur die Technik des Kreuzen und Drehen beherschen. Das wird schon mit der Zeit werden. Ich komme übrigens aus Bremen und habe das Klöppeln vor Jahren bei einer Textil - Professorin gelernt. Leider gibt sie aus gesundheitlichen Gründen keine Kurse mehr!
    Liebe Grüße aus Bremen

    AntwortenLöschen
  8. Hallo Apfelkern
    Echt mutig sich als Anfänger gleich einen Formschlag zuzumuten. Alle Achtung. Mit etwas Geduld und Übung klappt das mit der Zeit immer besser.
    Alles Liebe aus dem Vogtland

    AntwortenLöschen