Samstag, 9. Juni 2012

Und der Fernseher schwieg

Wann habt ihr euch zum letzten Mal bewusst vor den Fernseher gesetzt, um eine Sendung anzusehen?

Um diese Frage zu beantworten, musste ich erst einmal in meinem Gedächtnis kramen. Fernsehen...? Ach ja, das mit dem Receiver und dem Bildschirm. Vor diesem Bildschirm, der auch ein tatsächliches Fernsehprogramm und keine DVD oder die Übertragung vom Laptop zeigte, saß ich zuletzt während des ESC. Und das nicht einmal, weil ich wirkliches Interesse an dem bunten Wettbewerb hatte, sondern nur um anschließend bei den Gesprächen über die Veranstaltung nicht ausgeschlossen zu sein. Gefühlt ging das der Hälfte der Zuschauer, mit denen ich mich später darüber austauschte genau so. Aber weg von dieser Veranstaltung, die hier nicht Thema ist
Seitdem ist bei mir nur noch eine halbe Folge Galileo über den Bildschirm geflimmert und das auch nur, um darüber mit jemandem reden zu können. In meinem Alltag spielt der Fernseher eigentlich keine Rolle mehr, ist zur Nebenrolle geworden. Nicht einmal das würde stimmen - Statist träfe es besser.

Seine Rolle hat der Laptop eingenommen. Die Informationsfunktion des Fernsehens übernimmt er locker. Wer setzt sich schon pünktlich zur Tagesschau vor den Fernseher, um etwas über aktuelle Nachrichten und das Wetter zu erfahren, wenn man das ganze on demand online bekommen kann?
Die Unterhaltungsfunktion erfüllt der Computer Internet sei Dank mit Links; falls gewünscht gibt es statt Trash-TV so einige Kanäle auf YouTube und statt des auf dem Receiver installierten Tetris auch deutlich bessere Spiele.
Obendrauf und inklusive ist die Kommunikationsfunktion, die dem Fernsehen komplett fehlt. Nun ja, man könnte sich an den Sendungen als Kandidat beteiligen oder zumindest an Votings und Gewinnspielen teilnehmen, doch der durchschnittliche Zuschauer wird das eher selten machen. Im Gegensatz zum Internet, wo ein Klick reicht, um aktiv zu werden, ist der Aufwand und damit auch die Hemmschwelle das zu tun viel höher.

Fernsehen ist passiv. Zurücklehnen und berieseln lassen. Man ist in der Abendplanung beschränkt auf die Angeboten für die sich irgendwelche Programmchefs entschieden haben. Und dazwischen eine Prise Werbung. Sagte ich Prise?

Kein Wunder, dass im direkten Vergleich dazu immer mehr Personen dem Internet den Vorzug geben. Besonders auffällig ist laut einer Untersuchung von media control der Rückgang der durchschnittlich vor dem Fernseher verbrachten Zeit bei den Personen im Alter von 14-39 Jahren im ersten Quartal diesen Jahres; am stärksten bei den 14-19 Jährigen mit einer Reduktion um 14 Minuten täglich auf nur 106 Minuten Fernsehzeit. Was für ein Zufall, dass genau diese Altersgruppe wesentlich häufiger als ältere Generationen einen PC samt Internetzugang besitzt.

Hat das Konzept Fernsehen sein Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten und wird mit dem Ableben unserer Eltern und Großeltern sein Publikum verlieren?
Der Gedanken erscheint mir nicht einmal besonders absurd.

Das Fernsehen ist nicht allein in der Sparte der Medien mit rückläufiger Nutzung. Da wäre nämlich noch das Radio.
Es findet sich bei uns im Haus in fast allen Räumen ein Radio, man könnte theoretisch permanent eine Sendung anhören. Die Hauptfunktion des Radios liegt für mich in der Unterhaltung und Information in Momenten, in denen ich die Hände beschäftige und dennoch gern ein wenig geistiges Futter hätte. Beim Kochen und während der Gartenarbeit ist eine interessante Gesprächsrunde im Radio daher optimal. Sitzt man im Auto reicht es, wenn ein wenig beschwingte Musik zum Mitsummen aus dem Radio kommt.
Scheint so, als hätte das Radio sich einen Platz in meinem Alltag geschaffen. Vor einem halben Jahr wäre die Aussage korrekt gewesen, inzwischen ist sie es nur noch bedingt. Mein Lieblingssender erlebte einen Vorstandswechsel, es folgten Programmveränderungen in Richtung Mainstream. Einige von mir besonders geschätzte Sendungen, unter anderem eine computerbezogene Sendung, wurden abgesetzt und beendete so beispielsweise die Möglichkeit, dadurch zumindest ein wenig auf dem neuesten Stand zu bleiben, was momentan der letzte Schrei in Sachen Geräte und Spiele ist. Moderatorenwechsel schafften es sogar, Joko und Klaas, die nervigen Flachwitzreißer aus dem Musikfernsehen permanent ins Programm zu bringen. Ich schaltete seltener ein, mochte weniger Sendungen und entdeckte schließlich über einige Umwege und Zufall Podcasts für mich. Diese Gesprächsrunden sind denen im Radio nicht unähnlich, nur bieten sie den Vorteil, dass ich sie abrufen kann, wann immer ich es möchte und dazu auch noch durch die Wahl des Podcasts schon vorher entscheiden kann, ob ich die Teilnehmer der Gesprächsrunde hören möchte oder nicht.
Außerdem bieten sie auch die Möglichkeit, die Sendungen live zu verfolgen und aktiv während der Aufnahme im Chat zu kommentieren oder zu ergänzen.
Und so lade ich mir inzwischen einfach Podcasts herunter und höre sie während des Kochens oder der Gartenarbeit; die Technik macht es möglich.
Das Radio dagegen bleibt stumm; Sendungen, die mich dann doch noch interessieren, kann man in den meisten Fällen sogar frei herunterladen oder auch gleich abonnieren. Frei nach dem Modell Podcast.

Sind Fernsehen und Radio damit überflüssig? Jein. Noch nicht.
Wie schon angedeutet hängt meiner Meinung nach die Nutzungsintensität stark vom Alter der jeweiligen Personen und damit auch deren Nutzung des Internets ab. DVDs, YouTube und auch Livestreams ersetzen den Fernseher fast vollständig, aktuellen Sendungen, die live übertragen werden, sind jedoch noch ein Grund, sich vor die Flimmerkiste zu setzen. Wenn es das ganze denn nicht zeitgleich auch als Livestream online gibt. Noch ist das Fernsehen für viele leichter zugänglich. Darin zeichnet sich auch ein Wandel ab: die weltweiten Verkäufe von TV-Geräten sind zum ersten Mal seit 2004 rückläufig. Vielleicht liegt es ja an der Wirtschaftskrise, an der Marktsättigung. Und vielleicht liegt es aber auch nicht nur daran, sondern lässt sich einfach dadurch begründen, dass das Modell Fernsehen nicht mehr zeitgemäß ist.

Das Radio hat für mich allein im Auto einen unangefochtene Daseinsberechtigung. Ein wenig Gedudel im Hintergrund ohne sich die dafür viel Mühe machen zu müssen reicht völlig aus. Aber auch in der Situation ließe es sich ersetzen. Eine CD einzustecken dauert nur minimal länger, als mit einem Knopfdruck das Radio einzuschalten.

Generell zeichnet sich zumindest in meinem Fall eine Distanzierung zu den Medien Fernsehen und Radio ab. Der Tageszeitung dagegen bin ich treu. Wahrscheinlich habe ich einfach noch nicht die Website gefunden, welche sie vollständig ersetzen kann.

Und jetzt frage ich mich nur noch, wer eigentlich meine täglichen 106 Minuten Fernsehprogram für mich mitkonsumiert.

Apfelkern

9 Kommentare:

  1. Das ist jetzt mega unpassend, aber ich weiß nicht wirklich, wo ich das sonst hinschreiben soll: Könntest du "27" von Kim Frank vorstellen? Mich würde das Buch nämlich ziemlich interessieren.

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    1. Auch ohne eine formal korrekte Rezension zu schreiben kann ich guten Gewissens sagen: lies es. Es ist beeindruckend, geprägt von Lebensangst sowie Gedanken an die eigene Vergänglichkeit und gleichzeitig doch berauschend und spannend. Lies es.

      Mit den Worten bekam ich es übrigens auch von einer guten Freundin in die Hand gedrückt. Sie hatte recht.

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    2. So tiefsinnige Gedanken hätte ich Kim Frank, meinem kleinem Teenieidol, gar nicht zugetraut. Danke für den Tipp!

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  2. das bin wohl ich ... ich hab ehrlich gesagt viel zu oft die flimmerkiste nebenher laufen -.- ärgert mich manchmal selber dass immer irgendwas laufen muss bei mir...
    ich sollte mir ne stereoanlage zulegen - musik wäre allemal sinnvollere beschallung ^^
    lg

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  3. Ich könnte mir gut vorstellen, dass der Fernseher irgendwann nicht mehr über einen Satelliten, sondern über das Internet angsteuert wird, sich also den von dir beschriebenen Umständen anpasst. Dies würde dieses Medium außerdem für die jungen Menschen, die auch interaktiv etwas erleben wollen, wieder deutlich interessanter machen. Ich bin mir allerdings ziemlich sicher, dass das Radio auch noch in 50 Jahren in jedem Haushalt zu finden ist, auch wenn diese Radios wahrscheinlich dann alle W-Lan fähig sind, um Podcasts zu hören. Aber ohne Hintergrundbeschallung wird Spülen, Gartenarbeit oder ähnliches auf Dauer echt langweilig.
    Viele Grüße,
    Pearl.

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    1. Der erwähnte Gedanke, dass die Medien und Empfangsgeräte vielleicht nicht verschwinden, jedoch extreme modernisierende Veränderungen erleben werden, betrachte ich als sehr realistische Option. Oder es hat einfach jeder einen körpereigenen WLAN-Empfang. Klingt erschreckend. Dann doch lieber das stumme Offlinesein?

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  4. Mein Fernsehverhhalten ändert sich in etwa mit jeder Veränderung in meinem Leben radikal mit. Zu Teeniezeiten war es mit enorm viel Energieaufwand verbunden, meiner Schwester das Couch-Kommando abzuluchsen; es gab zu der Zeit viele Soap-Wiederholungen und Teleonvelas auf VOX (ja, da lief auch mal was anderes als reality-TV, schwer vorstellbar, ich weiß). Dann zog sie aus und ich begann, in der Kneipe zu jobben, so dass das abendliche Fernsehprogramm irgendwie wegfiel und nachmittags lief auch damals schon nur noch Barbara Salesch & Co - schlecht besetzte Pseudosozialdramen hatte ich abends schon bei der Arbeit live, dafür schaltet man den Fernseher auch nicht mehr ein. In Dänemark, ein Jahr allein in einer Wohnung, wurde der Fernseher mein bester Freund; in Kiel hatte ich drei Jahre dann wieder überhaupt keinen Zugang zum Fernsehen. Inzwischen nutze ich ihn tatsächlich hauptsächlich, um "gezielt" zu gucken. Und so lange die Übertragungen im Internet immer noch von Ladefehlern und Langsamkeit terrorisiert werden, wird der Fernseher auch weiterhin einen festen, wichtigen Platz bei mir haben. Übrigens; ICH setze mich gerne um acht hin, und gucke die Tagesschau - ich finde das wichtig, weil die Vielzahl von nichtmal korrekturgelesenen Meldungen aus fragwürdigen Quellen die einfach nur schnell schnell schnell in Umlauf geschoben werden müssen häufig einfach, was den journalistischen Anspruch betrifft, unter aller Sau sind. Tagesschau nicht als alleinige Informationsquelle, aber ein wichtiger Fixpunkt. Manchmal brauche ich eben jemanden, der mich an die Hand nimmt, und vorkaut, was "wichtig" ist, und was nicht. Insbesondere, wenn die Netzwelt sich den Tag über nur mit Jungelcamp und GNTM befasst.

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    1. Hinsichtlich der Zuverlässigkeit ist die Tagesschau eindeutig vielen anderen Informationsquellen vorzuziehen. Man erhält kompakt zusammengefasst die essentiellen Nachrichten. Diese Funktion übernimmt für mich eine Tageszeitung, da ich es selten schaffe, um acht vor dem Fernseher zu sitzen.

      Den letzten von dir angesprochenen Punkt sehe ich auch als problematisch an: der Interessenfokus des Netzes entspricht nicht immer dem eigenen; geistig leichtere Kost wird bevorzugt und anderes demgegenüber zumindest quantitativ vernachlässigt. Für mich tatsächlich auch ein Grund, andere Informationsquellen zu nutzen

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  5. Ich habe früher sehr viel Fernsehen geguckt. Die tollen Zeichentrickfilme haben mich früh begleitet. Inzwischen ist der Fernseher eher nebensächlich geworden. Nutzen tu ich ihn nur noch, um eine DVD anzuschauen und da kann man sich ja bekanntlich meist selbst aussuchen, was man sehen will.

    Dem Radio bin ich immernoch treu geblieben. Jeden Abend muss ich die Talksendung hören. Es wird über alles gesprochen. Manchmal über kein bestimmtes Thema/ein selbstausgesuchtes, manchmal auch über bestimmte Themen: Filme, Bücher, Wut, Fußball..

    Internet ist selbstredend.

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