Donnerstag, 14. Juni 2012

Freude aus dem Kasten

Und dann saß ich mit einem Stift in der Hand vor dem Blatt Papier und empfand die Situation als befremdlich. Normalerweise heißt es Laptop auf, E-Mail Programm öffnen, einen Klick auf den entsprechenden Button und los geht es ganz leger und ungezwungen. Aber wie beginnt man eigentlich noch einmal so einen analogen Brief?!

Ich grübelte, wann ich meinen letzten privaten Brief handschriftlich verfasst hatte. Erstaunt kam ich zu dem Ergebnis, dass es der zu meinem Plätzchen-Gewinnspiel gehörende Gewinnerbrief im vergangenen Dezember war. Ups, das ist doch schon ein Weilchen her. In der Zwischenzeit hatte ich maximal Postkarten verfasst, Urlaubsgrüße an Freunde und Familie. Alles andere wurde auf digitalem Wege übermittelt.

Die Vorteile der nicht analogen schriftlichen Kommunikationswege sind auch nicht zu leugnen: die Nachrichten kommen ohne Verzögerung an, man kann Daten wie Bilder oder Tondateien mitversenden und der ganze Spaß ist in den meisten Fällen von gewissen Grundgebühren abgesehen auch noch kostenlos. Zudem muss man nicht einmal einen der doch recht rar gewordenen Briefkasten suchen, sondern kann die Nachricht bequem vom Schreibtisch aus verschicken. Es ist ganz logisch, dass als Konsequenz dieser Tatsachen die digitale Kommunikation so altmodische Dinge wie Briefe verdrängen.

Das macht die wenigen Briefe, die man in einem Anfall von Nostalgie schreibt, zu etwas besonderem. Es erwartet ja niemand mehr wirklich, zwischen Zeitung, Rechnungen und Werbung persönliche Botschaften auf Papier zu finden. Mir zumindest geht es so.

Briefe sind deutlich persönlicher als Mails, der Text ist nicht in einer neutralen nichtssagenden Standardschriftart verfasst, sondern in der Handschrift des Absenders. Briefe zu verfassen, versandfertig zu machen und abzuschicken kostet deutlich mehr Zeit, als die komplette Prozedur per Mail zu erledigen und genau das steigert den subjektiven Wert eines Briefes in meinen Augen enorm. Man weiß als Empfänger des Briefes, dass sich jemand für einen diese Mühe gemacht hat und so würde ich behaupten wollen, dass der gleiche Text einmal in einer Mail und einmal in Briefform versendet in letztgenannter Variante deutlich mehr Freude bereiten würde.

Anfangs waren die Formulierungen noch ein wenig steif, gezwungen im Gedanken, dass man gerade tatsächlich wieder das Medium Brief nutzt, doch mit fortschreitender Textlänge verflüchtigte sich dieses Bewusstsein und es hätte genauso gut eine Mail sein können, die man da schreibt. Na gut, Smileys würde ich in handschriftliche Briefe nicht einfügen und Links aus sich selbsterklärenden Gründen auch nicht.
Vielleicht lief das Schreiben ab einem bestimmten Punkt sogar flüssiger ab, da man an jeder Formulierung nicht zehn Mal basteln und sie von vorn beginnen kann so wie es in Mails möglich ist.

Genau diese Gedanken führen zu dem Wunsch, mir wichtigen Menschen wieder einmal oder überhaupt einmal einen Brief zu schicken, bei dem es nicht allein um dessen sachlichen Inhalt geht, sondern die Geste zählt.
Die Vorfreude beim Schreiben, das gespannte Warten darauf, dass die Post ankommt und die Neugier, ob der Empfänger denn das eigene Gekritzel auch lesen kann sind nicht zu vergleichen mit den Gedanken nach dem Absenden einer Mail.

Insgeheim hegt man dabei aber auch die Hoffnung, selbst einmal wieder mit erfreulicher analoger Post bedacht zu werden. Sämtliche meiner früher geführten Brieffreundschaften sind schon vor einigen Jahren zum Erliegen gekommen und bieten wenig Aussicht auf eine Überraschung im Briefkasten. Spätestens in der Zeit der Sommerreisen sollte aber mindestens eine Karte drin sein, doch ich hätte auch nichts dagegen, wenn Briefe wieder vermehrt geschrieben würden.


Zumindest die Post wird sich über jeden versendeten Brief freuen.


Apfelkern

3 Kommentare:

  1. Briefeschreiben ist etwas, was ich mittlerweile leider kaum noch mache. Wenn ich mir dann aber mal diese Mühe mache, ist verbinde ich damit aber deutlich mehr als mit einer Mail.
    In gewisser Weise ist es fast schon belustigend, wie sehr sich, zumindest für mich, der subjektive Wert eines Briefes erhöht hat. Vor zwanzig Jahren wäre es noch völlig normal gewesen, Freunden Briefe zu schreiben und heute schreibe ich nur noch zu besonderen Anlässen, weil ein Brief mir deutlich mehr als eine Mail bedeutet.
    Allerdings hat es sich bei mir deshalb, quasie als "Entschädigung" für den meist relativ unpersönlichen Mailverkehr, eingebürgert, dass Weihnachten alle Menschen, die mir besonders wichtig sind, einen kreativen Brief bekommen. Diese "Tradition" wäre sicherlich nicht entstanden, wenn Briefe alltäglich wären.
    Viele Grüße,
    Pearl.

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  2. Ich glaube, daß ich vor 15 oder sogar 20 Jahren das letzte Mal einen handgeschriebenen Brief versendet habe. Da ich aber auch seit Jahren nur mit Kugelschreiber ausschließlich hektische Notizen und Unterschriften verfasse, ist meine Handschrift entsprechend katastrophal eigenwillig. Aus diesem Grunde bin ich vor dem eigenen Drucker auch schon auf Schreibmaschine umgestiegen. Um ganz ehrlich zu sein, habe ich aber auch keine Empfindungen bezüglich Briefen. Soll man die dann noch aufbewahren, weil sie so persönlich sind? Ich weiß ja nicht.

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  3. Ich versuche mich zu erinnern, aber ich denke, ich habe noch keinen handgeschriebenen Brief verschickt. Bekommen glaube ich auch nicht. Postkarten zählen natürlich nicht.
    Dabei würde ich mich über etwas Handgeschriebenes auf jeden Fall freuen. Das würden wohl die meisten. Aber auf der anderen Seite ist die Kommunikation über e-Mail und Ähnliches einfach schneller und komfortabler. Realistisch betrachtet werde ich in näherer Zukunft also keinen Stift in die Hand nehmen, um einen Brief zu schreiben. Das bringt der technologische Fortschritt anscheinend mit sich.

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