Es gibt Bücher, die inhaliert man geradezu. In zwei oder drei Tagen hat man fünfhundert Seiten ausgelesen und wundert sich, dass es so schnell ging. Spannung, die zum Leserausch führt.
Nachdem man so einen Lektürerausch beendet hat, ist man völlig euphorisiert. Meist will ich dann gar kein neues Buch beginnen, sondern noch den Nachhall des Glücksgefühls des letzten Buches genießen.
Also die Freude ist zumindest groß, wenn man so sehr von einem Buch gefesselt wird, allerdings habe ich festgestellt, dass ich besonders wenn ich ein Buch in einem so rasanten Tempo gelesen habe, mich wenig später nur verschwommen daran erinnere.
Heißt das nun, dass man zwar kurzfristig regelrecht berauscht von dieser gierig-rasanten Lektüre ist, im Nachhinein aber wenig davon hat? Erst kauen, dann schlucken?
Ich erinnere mich genau, dass meine Eltern den vierten Band der Harry Potter Romane am Tag seines Erscheinens gekauft hatte. Zu diesem Zeitpunkt verharrte die komplette Familie in Lauerstellung, sich in einem unbeobachteten Moment das Buch zu schnappen. Um Streit zu vermeiden rationierten wir die Lesezeit: jeder bekam täglich eine Stunde lang das Buch.
Ich erinnere mich jetzt noch an die sehnsüchtigen Blicke auf die Uhr, die gezählten Minuten, bis ich erfahren konnte, wie es weiter geht. Es ist eine schöne Erinnerung, doch die Zeit des Wartens war grausam. Ich habe sicher zwei Wochen rationierter Lesezeit zum Beenden des Romans gebraucht, doch so erinnere ich mich noch immer sehr detailliert an die Handlung.
Im Gegensatz dazu hatte ich beim fünften Harry Potter Band unbegrenzten Zugang, ich durfte darin lesen so viel und so lang ich wollte. So verleibte ich mir das Buch in wenigen Tagen ein. Heute erinnere ich mich kaum noch, worum es darin ging.
Sollten wir nun unsere Lesezeit rationieren, um ein Buch bewusster zu genießen? Wenn ich genau weiß, dass ein Buch wunderbar sein wird, scheue ich mich manchmal, es zu beginnen, weil ich weiß, dass ich es gierig und wie gebannt durchlesen werde. Es erscheint mir als Verschwendung, gute Bücher regelrecht zu überfliegen und vor lauter Begeisterung die Hälfte wieder zu vergessen. Es ist ein Verbrechen an guten Werken, Frevel und Lästerung.
Doch wollen die Autoren nicht genau diesen Rausch bei uns Lesern erzielen?
Wahrscheinlich sind solche begeisternden Bücher jene, die man ein zweites Mal lesen sollte. Um ehrlich zu sein, lese ich Bücher sehr selten ein zweites Mal. In den eigenen Büchern blättere ich gern gedankenverloren, deren Geschichte nachhängend, lese sie aber allein aus Zeitgründen fast nie ein zweites Mal. Warum noch einmal die gleichen Worte aufnehmen, wenn ich in der selben Zeit neue Wörter und Gedanken erfassen könnte?
Ich bin wohl eine Leseratte - unersättlich und sich des Werts der Texte kaum bewusst. Mir ist klar, dass ich durch ein bewussteres, langsameres Lesen letztendlich vielleicht einen noch größeren Genuss und Lerneffekt aus meiner Lektüre ziehen könnte, doch sobald der Leserausch mich packt, bemühe ich mich nicht, ihm zu widerstehen.
Mein Trost ist, dass es so unendlich viele großartige Bücher gibt, dass ich sie selbst in Anfällen höchster Lesewut nie alle auch nur einmal in der Hand halten können werde.
Apfelkern
Wenn ich lese, Zeit habe zu lesen oder noch in der Lage bin zu lesen, dann gibt es ein paar Seiten auf dem Klo oder Abends im Bett. Und manchmal höre ich dann Musik und les doch noch eine Stunde. Maximal zwei. Manchmal schaffe ich 200 Seiten im Monat, manchmal tausend. Aber ehrlich? Ich lese im Prinzip nie so anders, daß sich mein löchriges Gehirn nicht schon bald kaum an etwas erinnern will. Es scheint immer, als läge ein Nebel zwischen mir und dem, was ich erlebt habe. Und wenn ich dann die Zeilen noch einmal abtaste, dann fällt mir langsam wieder ein, was geschehen ist. Die Menge ist es bei mir zumindest nicht. Ich erwische mich höchstens bei Unkonzentriertheit, daß ich nach 4-5 Seiten auf einmal keinen Schimmer mehr habe, was ich da eigentlich gerade gelesen habe. Und das, wo ich beruflich dazu verdammt bin, Informationen am besten in Bruchteilen von Sekunden aufzunehmen.
AntwortenLöschenAlso irgendwie finde ich diesen Beitrag jetzt gruselig. Gerade vor ziemlich genau einer Woche, während ich noch an dem erwähnten "Rejsen med Emma" herumnagte - vielmehr: es doch eher verschlang - dachte ich genau dasselbe. Dass von diesen Büchern so viel weniger hängenbleibt, die man verschlingt - weil man sich nicht genug Pausen gibt, in denen man einfach ein wenig darauf herumdenken kann, spekulieren und fabulieren. Dabei gehört ja die dazwischen Zeit auch mit zu dem Buch, genau deshalb eben. Deshalb habe ich auch gerade für mich beschlossen, dass es immer besser ist, wenigstens zwei, besser mehr, Bücher "gleichzeitig" zu lesen. Weil sie sich dann alle länger im Kopf einnisten können.
AntwortenLöschenAber letztendlich ahne ich schon, sobald mir wieder ein PageTurner in die Hände fellt - werde ich ihn auffressen.
Das Thema hatte ich ja auch schon aufgegriffen. Da hab ich eigentlich gar nichts mehr zu kommentieren, außer vielleicht, dass ich dir zustimme.
AntwortenLöschenIch lese, wie du, auch viel. Und die negative Seite davon ist, dass man verdammt schnell wieder den Inhalt eines Buches vergisst.
Das einzige, was man noch beurteilen kann, ist, ob das Buch gut oder schlecht war. Ziemlich traurige Sache aber.
Ich nehme mir immer wieder vor meine "Lieblingsbücher" noch ein zweites Mal zu lesen, aber dann liegen sie doch nur fröhlich im Regal rum. Es ist schade drum, aber es gibt halt so viele tolle Bücher, die noch auf einen warten..
Hmm kenne ich auch von irgendwo her ;). Obwohl ich sogar jemand bin der richtig tolle Bücher auch schon mal 2 mal hintereinander liest, weil man nicht so richtig los lassen kann von der tollen Geschichten. Manchmal entdeckt man dadurch wieder etwas neues, was einem beim ersten lesen nicht so aufgefallen ist. Trotzdem finde ich das Buch auch überhaupt nicht langweilig.
AntwortenLöschenIch glaube nicht nur, dass man die Pausen zum Nachdenken über das Gelesene bzw. über die noch zu erwartenden Abläufe lässt einem die Story verinnerlichen, sondern eher das Weiterlesen nach einem oder zwei Tagen, wenn man sich an das bereits gelesene erinnert, um wieder den Faden aufzugreifen, so geht es mir oft. Wenn ich ein Buch sehr schnell lese, dann bin ich ja in der Geschichte und muss mich nicht an das Gelesene erinnern.
AntwortenLöschenÜbrigens lese ich Bücher auch seltenst ein zweites Mal, aber ich mag sie haben, im Schrank zu stehen haben, aber möchte sie nicht verkaufen! Leseratten können schon eigenartige Macken haben!^^