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Mittwoch, 9. Mai 2012

Nachtaktiv und eingeschlafen

Aufregung, Herzklopfen im Vorfeld, dann im gefürchteten Moment das Gefühl der Taubheit, die Zeitlupenwahrnehmung. Ich war aufgeregt, mir war vor Nervosität schlecht und ich habe die mündliche Prüfung überlebt; einfach so. Im Nachhinein ist man immer schlauer und weiß nun natürlich, dass die ganze Aufregung umsonst und die Anforderungen überbewertet sind. Ich bin trotzdem recht froh, diesen Punkt nun abhaken zu können.

Danach wurde die bleischwere innere Ruhe sofort durch einen Adrenalinstoß weggespült. Erleichterung und Glücksgefühle sofort. Endlich kann ich wieder zu einem nichtprüfungsbezogenen Buch greifen, ohne ein schlechtes Gewissen eigentlich lernen zu müssen zu haben.

Die Liste der Dinge, die man machen will, ist gefühlt endlos. Lektüre, Filme, Freunde, Familie, Zukunft, Blogs, Podcasts hören, Handarbeiten, Aufräumen, Schlaf, Leben - alles wurde auf die Zeit nach den Prüfungen verschoben. Die ist jetzt.
Und obwohl ich jeden Tag 24 Stunden zur Verfügung habe, bemerke ich immer wieder, wie schnell die Zeit vergeht. Weil das Aufräumen länger dauert, man sich vor Filme mit Überlänge setzt, die Gespräche mit Freunden in stundenlange Redeorgien ausarten oder das tausendseitige Buch sich auch nicht von allein liest. Nicht vergessen darf man auch die Zeit für das Essen, Hygiene und Schlafen. Und schon sind vierundzwanzig Stunden wieder weg.

Eigentlich erwartet man, dass die Zeit schneller vergeht wenn man unter Stress steht, doch Freizeit vergeht mindestens genauso schnell. Mindestens, wenn nicht noch schneller.
Ich habe das Gefühl, nachts produktiver zu sein als am Tag. Vielleicht kommt der Gedanke daher, dass mich zu der Zeit niemand mehr in meiner Tätigkeit unterbricht, da viele bereits schlafen. Möglicherweise entsteht diese Wahrnehmung auch nur, weil die anderen schlafen, während ich noch aktiv bin. Als würde man Zeit gewinnen, die andere einfach verschlafen.
Nachts habe ich das Gefühl, am kreativsten zu sein.
Und um diese Phase ausnutzen zu können, bleibe ich natürlich auch länger wach. Zu Beginn kommt man sich noch ein wenig sonderbar vor, wenn um zehn Uhr abends Ruhe im Haus einkehrt, man selbst aber gerade die höchste Aktivitätsphase erreicht, doch man gewöhnt sich daran.
Wie heißt es so schön? Es gibt die Eulen und die Lerchen - die späten und die frühen Vögel. Da wundert es mich wenig, dass die Eulen momentan so hochgejubelt und beliebt sind. Schließlich stehen sie für die schönste Zeit des Tages.

Doch selbst wenn ich bis halb zwei wach war, verschlafe ich ungern den kompletten Vormittag. Es gibt mir das Gefühl, etwas zu verpassen, mich selbst abzukapseln. Das Tageslicht und Gesellschaft sind eben doch etwas, das ich schätze.
So bin ich inzwischen dazu übergegangen, spät schlafen zu gehen und dennoch um acht oder halb neun das Bett wieder zu verlassen. Dauerhaft, nicht nur für einen Toilettengang. Fünf oder sechs Stunden Schlaf scheinen gewöhnlich auch zu reichen.
Und dennoch gibt es da Tage, an denen es nicht reicht: müde tippt und liest man, bemerkt kaum noch die eigene Tätigkeit. Eine Sekunde der Unachtsamkeit und die Augenlider fallen herab, man verfällt in einen Standby-Zustand des körperlichen Verharrens und des geistigen Aufbegehrend gegen die lähmende Müdigkeit. Man kämpft gegen den Schlaf genauso an wie gegen den Hinweis der Vernunft, nun endlich mal die Augen zu öffnen und weiterzumachen oder auch einfach ins Bett zu gehen. Die Lider flattern im letzten Widerstand gegen den Schlaf.
So entschied ich mich gestern, doch vor um eins ins Bett zu gehen. Luschig.
Hätte ich weiter an diesem Post getippt, wäre er genau wie ich gedanklich immer weiter abgedriftet. Obwohl das bei den anderen im Halbschlaf beendeten Beiträgen auch anscheinend noch keinem aufgefallen ist...

Nachts erscheint mir alles viel intensiver, man ist weniger abgelenkt von seiner Umgebung und kann sich besser auf etwas fokussieren.
Bevor ich gestern so früh vor der Müdigkeit kapitulierte, war ich skaten. Eigentlich wollte ich die letzte Abendsonne dabei genießen, wie in schlechten Kitschfilmen dem Sonnenuntergang auf den Rollen entgegengleiten, doch dafür fuhr ich schon etwas zu spät los. Es wurde ein Skaten in der Dämmerung, der frühen Nacht. Ich war allein auf dem glatten Asphaltweg zwischen Wiesen und Bäumen entlang einem Stückchen Heide. Der Himmel hatte schon das Grau der Dämmerung angenommen und sich doch noch einen Schimmer der orangen Abendsonne bewahrt, es war angenehm warm ohne zu heiß zu sein. Die Vögel zwitscherten aufgeregt als wäre es helllichter Tag. Von anderen Menschen war auf dem Weg nichts zu sehen, es war wohl schon zu spät für die meisten von ihnen, doch die Tiere waren noch wach. Sie schienen genau wie ich recht nachtaktiv zu sein.
Ich bildete mir ein, Grillen zirpen zu hören. Insekten tanzten über dem aufgeheizten Weg. Ein Gefühl, als wäre es mitten im Sommer. Vielleicht ist es in der Savanne genauso, die Savannen meiner Vorstellung sehen jedenfalls so aus. Nur statt Asphaltweg gibt es Sandwege und Wasserlöcher mit wilden Tieren.
 Lauer Abendwind und grüne Blätter, die von diesem bewegt mir zuwinkten. In der Geschwindigkeit des Skatens verschwamm alles zu einem sommerlichen Wirbel. Laternen gibt es nur in großen Abständen entlang des Weges, aber da das Licht uns inzwischen schon so viele Stunden erhalten bleibt, waren sie auch nicht wirklich nötig. Die gelegentlich auftauchenden Pfosten auf dem Weg erkannte ich auch so noch rechtzeitig. Das Licht hätte auch die Abendstimmung ruiniert.
Aus dem Geschwindigkeitsrausch, den Erlebnissen des Tages, dem Ambiente und den leisen, unterschwelligen Pianoklängen aus den Kopfhörern formte sich eine Abendeuphorie, ein Gefühl des Lächelns. Am Tage wäre es nicht so schön gewesen. Schon allein die erstaunte Verzückung, wenn die dunkle Laterne plötzlich angeht, sobald man unter ihr durchfährt, würde fehlen.

Momente in denen man sich wünscht, nicht schlafen zu müssen, um den gesamten Tag nutzen zu können. Und doch ist Schlaf auch etwas angenehmes, allein schon wegen der Wärme des Bettes und den wirren Träumen. Trotzdem bin ich entschlossen, ihn heute länger auf mich warten zu lassen.

Apfelkern



1 Kommentar:

  1. Wunderschön! Es ist mitten am tag und trotzdem konnte ich alles nachfühlen was du gesagt hast!

    Ich habe mittlerweile etwas Panik vor der mündlichen am Freitag...ich hab kaum gelernt...

    Jetzt geht es erst einmal zum Einstellungstest, der macht mir weniger Angst muss ich sagen

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