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Freitag, 30. März 2012

Das System hat mich ausgespuckt

Der Countdown, der im Eingangsbereich der Schule hing, erreichte gestern die Null. Es war mein letzter Schultag. Um beim Aufbau zu helfen stand ich halb fünf auf, schmierte mir eine ordentliche Portion Lippenstift durchs Gesicht und auf die Augen Rouge: der letzte Schultag stand unter dem Thema Horror. Der Horror hat ein Ende, hieß es.
Wir verwandelten die Schule recht erfolgreich in ein Geisterhaus mit Spinnenweben, dunklen Tüchern und Geistergirlanden. Selbst als mehr oder weniger blutige Zombies verkleidet (mir hat an dem Tag niemand hinterhergepfiffen) erschreckten wir die jüngeren Schüler und verteilten Bonbons an diese.
Der zuvor einstudierte Tanz zu Thriller wurde drei Mal vorgeführt: im Park, am Bahnhof und auf dem Schulhof.

Das alles machte ich wie in Trance, denn noch immer konnte ich nicht glauben, dass das mein letzter Schultag sein sollte. Es war ein unwirkliches Gefühl. Ich genoss den Tag, schämte mich für die betrunkenen Mitschüler, sah mich noch einmal genau um, fühlte Wehmut und hatte gleichzeitig genug von der Schule.
Viele werde ich nicht wiedersehen, doch viele waren mir bisher auch schon gleich. Ich stand mit meinen Freunden gemeinsam im Nieselregen und jeder ließ einen Luftballon steigen. Genau wie der Ballon werden auch wir nicht mehr da sein. Es ist ein stetiges Kommen und Gehen. Jedes Jahr habe ich den Abiturjahrgang bei ihrer Feier beobachtet und mir versucht, die Gesichter einzuprägen, doch der Großteil davon war jedes Mal schnell vergessen. Menschen, denen man täglich entgegenlief waren plötzlich nicht mehr da und man vermisste sie bald nicht mehr. Nun werde ich einer der Abwesenden sein.

Zuletzt war mein Jahrgang allein auf dem Hof, das Publikum aus Lehrern und jüngeren Schülern war gegangen oder auf dem Weg.
Unter grauem Himmel kamen einigen die Tränen. Ich war entschlossen, mich nicht der Sentimentalität hinzugeben, doch als sich mir eine Freundin in den Arm warf und weinte, spürte ich auch eine Träne die Wange entlanglaufen.
Es stimmt nicht, dass der Horror ein Ende hat, denn es war nie Horror. Die Schulzeit war für mich eine wunderschöne Zeit, die mir viele Erfahrungen, angenehme Erinnerungen und vor allem einige wirkliche Freunde beschert hat. Ich würde daran nichts ändern wollen. Obwohl, ich hätte schon im siebenten Schuljahr an der Biologieolympiade teilnehmen können...

Innerlich fühle ich eine gewisse Leere und gleichzeitig den Drang, Neues zu erleben.

Neu war sicher auch die Abiturprüfung in Deutsch, die ich heute geschrieben habe. Einerseits war es nur eine Klausur und andererseits war es mehr. Gemischte Gefühle.

Und doch nagt der Gedanke der vollendete Schulzeit noch an mir. So fühlt sich wahrscheinlich die Vergänglichkeit an, sie ist immer da und nie bemerkt man sie.
Zeit vergeht, Zeit verinnt, vergiss niemals, du wirst alt mein Kind.
Es gehört zum Leben.

Immerhin kann ich nun auch wieder einmal ein Buch lesen, das nicht auf der Liste der Püfungsschwerpunkte vermerkt ist. Ein lachendes und ein weinendes Auge.
Ich glaube, ich sollte skaten gehen - das hilft gegen zu viele Gedanken.

Apfelkern

4 Kommentare:

  1. Der Text gefällt mir unheimlich gut, schon allein, weil ich ja auch gerade meinen Abschluss mache.
    Ich wünsche dir auch viel Erfolg bei deinen restlichen Abiprüfungen!

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  2. Das Gefühl kann ich nachvollziehen...und falls es beruhigt (wenn es Dich nie bekümmert hat, einfach ignorieren. ;) ) , wirkliche Freunde sieht man immer noch total gut/oft...:) Ohja. Mal weg von Prüfungsschwerpunkten war echt ein tolles Erlebnis. :) Ganz viel Erfolg bei deinen weiteren Prüfungen. Steht Dir eine Mündliche auch bevor?

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  3. Ist es nicht auch erschreckend, wenn man feststellen muß, daß man trotzdem kein fertiger Mensch dadurch wird? Einerseits ist ein Kapitel abgeschlossen, welches so endlos weit weg schien und andererseits ist die Welt vor einem auf einmal so unglaublich groß und unübersichtlich.

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  4. Oh ja, wir werden alle alt und die Vergänglichkeit sitzt einem im immer grauer werdenden Nacken...
    Und nun auf mit dir ins nächste Kapitel. Husch, husch! ;)

    Och, ich habe nichts dagegen, dass es zu Ostern Schokohasen gibt. So lange jene kein Nervensystem haben und lediglich aus sündiger Schokolade bestehen, ist für mich alles in Ordnung ;)

    Liebe Grüße und ich bin dann mal weg...arbeiten...was ja auch noch auf dich zukommen wird ;)

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