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Mittwoch, 28. Dezember 2011

Einfach mal schwarz machen

Ich plane nicht, was ich am nächsten Tag tragen werde und so griff ich auch vor einigen Woche einfach mal in den Schrank. Obenauf lag ein schwarzer halblanger Rock. Aus dem Krisengebiet. Aus schwarzem Samt, genäht von Oma vor wahrscheinlich einem halben Jahrhundert.

Ach, ja, warum eigentlich nicht. Und so zog ich ihn mit schwarzer Strumpfhose, graublauem Pullover und einem rot-blau-cremefarbenen Tuch an. Ja, nicht übel, befand ich und verließ so das Haus. Natürlich nicht bevor ich meinen schwarzen Mantel, die dunkelblaue Mütze und meine schwarzen Handschuhe übergestreift hatte. Und so bewegte ich mich auf alltäglichen Bahnen ohne einen weiteren Gedanken an die Kleidung zu verschwenden. Warum auch. Hauptsache, ich friere nicht.

Irgendwann wies mich eine Freundin darauf hin, dass der schwarze Rock zusammen mit der schwarzen Jacke sehr düster aussehe. Das Wort "Grufti" fiel. Ups.
Nachdem sie mich auf die auf das dominierende Schwarz hingewiesen hatte, war es mir regelrecht unangenehm, so herumzulaufen. Ich wollte möglichst schnell und möglichst ungesehen nach Hause.

Dort angekommen war die Panik wegen übermäßig viel schwarzer Kleidung aufzufallen rasch verflogen und ich ärgerte mich eher, dass ich mich davon überhaupt beeinflussen ließ. Ich kann doch anziehen, was ich will. Aber deswegen schief angesehen werden möchte ich auch nicht.

Farblich ungefähr so. Nur nicht so schief. Nee, so sehe ich nicht aus.
Dieses Erlebnis geriet in Vergessenheit, bis ich gestern auf einem Konzert der Gruppe Coppelius war, deren Musik der Richtung (ich orientiere mich hier an der last.fm Einordnung) Kammercore, Kammermetal oder auch Gothik zugeordnet wird.  Die Bandmitglieder spielen nicht nur auf dem Schlagzeug sondern auch auf Klarinette, Cello oder Kontrabass und sind dabei gekleidet wie Personen des 19. Jahrhunderts. Zudem orientieren sie sich stark an E.T.A. Hoffmann und dessen Werken. Klingt zuerst ungewöhnlich, funktioniert aber grandios und ist besonders live überzeugend. Für einen Konzertmitschnitt auf Youtube bitte klicken.

Genau diese spezielle Musik scheint Menschen in vorzugsweise schwarzer Kleidung an zuziehen. Daran hatte ich nicht gedacht und kam so in schwarzer Hose und leuchtend rotem Shirt. Warum auch nicht; ich mag Rot.
Jedoch stach ich damit farblich stark aus der Menge heraus und zudem hatten sich viele der Gäste auch noch sich an der Kleidung des 19. Jahrhunderts orientierend altertümlich gekleidet, sodass ein rotes Shirt noch mehr aus dem Rahmen fiel. Mist!

Wieder war mir meine Kleidung nur wegen des von mir erwarteten Urteils der Umgebung darüber  unangenehm und dieses Mal auch noch ausgerechnet wegen eines Mangels an Schwarz.  Und erneut ärgerte ich mich, dass ich mich davon beeindrucken ließ. Man möchte selten aus der Menge stechen, denn eigentlich gibt diese einem Schutz durch Anonymität. Und so passt man sich der Allgemeinheit an, um ja nicht aufzufallen. So viel zum Thema Individualität.
Und warum erschreckt es mich eigentlich derart, dass ich aufgrund dunkler Kleidung als "Grufti" bezeichnet werde? Diese "Gruftis" sind auch nicht anders als der Rest der Menschheit.

Erkenntnis des Tages: Kleidung wird überschätzt. Die Wärmfunktion ist eindeutig unverzichtbar und auch die dekorative Wirkung kann angenehm sein, doch Menschen werden viel zu oft nach ihrer Kleidung beurteilt oder sie versuchen sich diesem Druck zwanghaft durch Anpassung zu entziehen.
Und so werde ich einfach weiterhin willkürlich nach Lust und Laune in meinen Schrank greifen.  Außerdem spiele ich mit dem Gedanken, mir bei den nächsten notwendigen Kleidungskäufen bevorzugt schwarze Sachen zu besorgen, da ich eigentlich relativ wenig Schwarz in meinem Schrank beherberge, denn man hat mir seit frühester Kindheit eingebläut, dass ich viel zu blass sei um Schwarz zu tragen ohne kränklich auszusehen. Pah.

Und jetzt könnt ihr alle den Schwarz-zu-Schwarz-Look auf Lookbook...
Ich wusste doch, dass ich das irgendwo noch einbringen können würde. Höhö.

Eine weitere Erkenntnis ist, dass ich auf Konzerten nicht zu denjenigen gehöre, die sich vom Rand oder dem Balkon aus alles in Ruhe und außerhalb des Tumults ansehen wollen. Ich möchte lieber springen, tanzen und gern auch ein wenig schubsen. Und so lasse ich mir nie wieder einreden, dass ich beim Knorkatorkonzert zerquetscht werden würde, wenn ich mich nicht auf den Balkon rette. Im August wird zu Knorkator geschubst!

Nur minimal in Schwarz,

Apfelkern

5 Kommentare:

  1. Was bin ic froh, dass noch ein andere Mensch meine Ansichten über Klamotten teilt! ^^ Puh! Ja, ich trage was ich will und wenn es der Menschheit zufällig gefallen sollte, dann sei es so. Aber wenn mich Leute ansprechen würden mit dem Satz "Du trägst viel zu viel Schwarz, du siehst aus wie ein Grufti!" bekämen sie eine gleichermaßen dümmliche Antwort...

    "Ich trage Schwarz weil ich um die verlorengegangene Tolleranz und Freiheit dieser Nation trauere!" -.- Idioten!

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  2. Konzert? Balkon? :D Was für ein Luxus.

    Bei Konzerten hab ich mich klamottentechnisch bisher immer angepasst, weil es mir gefällt hat.
    Letztens aber hatte ich Lust auf ein Kleid. Ein Kleid auf einem Metalkonzert. Und es war wunderbar. 8)

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  3. Somit ist mein Werk vollbracht! XD Fix, fix!

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  4. Ein äußerst gelungener Text der meine Meinung in einem erfrischend präzisen Maße widerspiegelt. Weiter so, Frau Apfelkern. :)

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  5. Oh du Arme, das ist wirklich ärgerlich...Hast du auf deiner langen Reise wenigstens etwas anderes Schönes entdecken können?

    Ich habe als Schülerin und auch heute noch relativ oft auch gerne schwarz getragen, ohne ein Gothic gewesen zu sein...Ich habe auch meinen "Pure"-Rucksack heiß und innig geliebt und wenn du jetzt Pure und Rucksack googelst, wirst du wissen, welches Klischee mir anhaftete...Das hat mich aber nicht geärgert, sonderm im Gegenteil, es hat mich eher amüsiert und ich konnte mit diesen Gerüchten herrlich "spielen" und mich totlachen, was bei den Leuten manchmal für ein Kopfkino entstehen kann...

    Liebe Grüße :)

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