Freitag, 23. März 2018

Die inneren Werte

Wir haben nur einen Körper. Dementsprechend sorgsam sollte man mit dem umgehen, den man hat. Wie genau das sich gestalten soll, wird einem regelmäßiger in den Medien, der Werbung oder auch medizinischem Fachpersonal erzählt, ohne dass man es so ganz bewusst mitbekommen. Irgendwann schaltet man auch ab, wenn man zum tausendsten Mal hört, dass man sich ausgewogen ernähren, sich bewegen und vor Sonnenstrahlung schützen soll. Bla bla bla.

Aktuell befinde ich mich im praktischen Jahr des Medizinstudiums. Das letzte Studienjahr wird durchgehend in Krankenhäusern verbracht, dafür genutzt, praktische Erfahrungen zu sammeln und verschiedene Fachbereiche im Alltagsgeschäft kennen zu lernen. Momentan bin ich auf einer chirurgischen Station. Nicht unbedingt mein Wunschfachgebiet für die Zukunft, doch zugleich unheimlich faszinierend.

Der menschliche Körper ist wunderschön. Filigrane, sorgsam angeordnete Strukturen, die einen Zweck erfüllen müssen. Es ist jedes Mal wieder ein kleines Wunder, nach dem Schnitt durch die Haut zu sehen, wie sich darunter Fettgewebe, Faszien, große Gefäße, Muskulatur und dann die inneren Organe anordnen. Es ist sehr ästhetisch, wie der Körper sich auf den verschiedenen Ebenen gestaltet. Sich über einen Bauchschnitt durch die Muskulatur zu präparieren und das Bauchfell, welches die Bauchorgane beinhaltet, nicht verletzend nach retroperitoneal zu bewegen, um an der Aorta anzukommen, flößt Ehrfurcht ein. Denn anders als im Präparierkurs ist die Aorta nicht leer und in Formalin konserviert, sondern voller Blut, pulsierend und lebendig. Schon verrückt. Und gleichzeitig total deprimierend. 

Denn man schneidet ja nicht in den Körpern gesunder Menschen umher, sondern das Handwerk dient der Reparatur der defekten Hardware. Es ist so traurig, was man da zu sehen bekommt. Verkalkte Gefäße, die kein Blut mehr durchlassen, sodass eine Zehe nach der anderen schwarz wird und letztlich amputiert werden muss. Die verkalkte Innenschicht der Gefäße knackt richtig, wenn man mit dem Skalpell durch sie hindurch schneidet. Die eingetrockneten schwarzen Zehen fallen bei Berührung schon fast von allein ab, man muss nur die Wundränder ein bisschen säubern.
Unfassbar, durch welche Fettschichten man sich teilweise wühlen muss, um erst mal an die eigentliche Bauchhöhle zu gelangen. Da drin sieht es dann aber nicht weniger fettig aus, wenn außen schon die ganze Unterhaut voller schmieriger gelber Fettknötchen war. Dann darf der Student die schwere Bauchfalte festhalten, damit der Operateur auch ordentlich arbeiten kann.

Das alles gibt mir einen ganz anderen Blick auf die gut gemeinten Gesundheitsratschläge. Warum sollte man rauchen, wenn man wüsste, wie krank und hässlich einen das innerlich macht? Warum sollte man sich mit übermäßig vielen Kalorien schaden und nicht bewegen, wenn einem klar wäre, was für furchtbare Auswirkungen das hat?
So einfach ist das alles nicht. Es gibt psychische Erkrankungen, die einen hindern, es gibt körperliche Ursachen, ans Bett gefesselt zu sein und sich nicht zu bewegen. Oder es fehlt schlicht der Antrieb. Aber Rauchen müsste man noch immer nicht.

Der Mensch ist ein komplexes Geschöpf, das alles andere als rational ist. Man kann niemanden zwingen, gesund zu leben. Es ist einfacher, die anstrengende und schmerzhafte Krankengymnastik abzulehnen und das Bein steif werden zu lassen, als dafür zu kämpfen, wieder laufen zu können. Man kann sich ganz bequem mental positiv zu seinem übergewichtigen Körper einstellen statt die Ernährung umzustellen und Sport zu machen. Äußerlich können übergewichtige Körper gut aussehen - aber innerlich nicht. 

Diese Erfahrungen sorgen bei mir dafür, mir noch mehr zu überlegen, ob ich wirklich das Stück Kuchen in meinen Stoffwechsel werfen will. Regelmäßiger Sport war für mich nie etwas, das in Frage stand, sondern Dank meiner Eltern immer Teil des normalen Lebens. Ernährung ist ein anderes Thema. Ständig so viel Versuchung um einen herum. Ungesundes Essen ist sozial genauso akzeptiert wie Alkohol. 

Alkohol. Als Dankeschön bekommt man eine Flasche Champagner geschenkt, zu Feierlichkeiten stößt man an. Es wird einfach davon ausgegangen, dass man Alkohol gut findet. Hallo?! Würde man eine Zigarre verschenken, gäbe es sicher mehr Protest. Das zeigt wieder einmal, wie sehr Traditionen wie Alkoholproduktion und Alkoholkonsum in der Kultur verankert sind und als normal akzeptiert werden, obwohl allgemein bekannt ist, dass Alkohol ungesund und nebenbei auch noch kaloriendicht ist. 

Rauchen ist in meinen Augen eine furchtbare Sache und ich denke mir, dass es nur fair wäre, wenn diese Gruppe der Bevölkerung mehr Krankenkassenbeiträge zahlt. Aber der Wille ist frei und man darf niemanden diskriminieren. Also Nichtraucher belohnen statt Raucher bestrafen? 
Bei weitem nicht alle haben es selbst verschuldet, dass sie krank sind. Es kann immer was unvorhergesehenes passieren, ganz gleich wie gesund man lebt. Stichwort Sportunfall. Aber das ist am Ende auch kein Grund, gleichgültig mit seinem Körper umzugehen. Denn wenn man nicht beim Extremsport stirbt, holen einen Herzkreislauferkrankungen und Diabetes doch ein, ganz gleich, wie oft man sich über gesunde Lebensweisen lustig gemacht hat.

Stattdessen gilt man leicht als Spaßbremse, wenn man gesund lebt. Damit habe ich mich inzwischen abgefunden, mache trotzdem weiter regelmäßig Sport und esse mein Gemüse. Ich rede nur nicht gern darüber, wenn ich merke, dass mein Gegenüber das alles spießig findet. Man möchte niemanden angreifen oder beleidigen. Sollte man dem Patienten oder auch einem Freund wiederholt sagen, dass er seinen Zustand selbst verschuldet hat oder gut dabei ist, sich mit seiner Lebensweise ins Krankenhaus zu bringen? Man kann nicht alle retten, bevor sie in den Brunnen fallen. Und deshalb hat man als Arzt dann das Vergnügen, durch Fettschwarten zu schneiden und knusprigen Kalk aus den Gefäßen zu popeln, damit nach der Amputation wenigstens der Beinstumpf noch irgendwie abheilt.

Freitag, 9. März 2018

#PMDD26

Moment, PMDD? Da war doch was... 
Und zwar ein Tag, an dem kollektiv der Tagesablauf fotografiert und in Bildern geteilt wird. Es ist spannend zu sehen, was andere so treiben und deshalb bin ich froh, dass Mia ihn am Leben erhält und organisiert hat. Die Liste aller Beiträge dieser 26. Ausgabe findet ihr hier.
Seit dem 26. Picture My Day Day am 01. März sind schon ein paar Tage vergangen, doch ich habe eine ganz hervorragende Erklärung für den verspäteten Post: ich war im Urlaub. Und deshalb gibt es hier einen Picture My Holiday Day für euch.

Am ersten März war ich gemeinsam mit meinem Freund in Italien unterwegs und bin ich in Verona aufgewacht. Nach einem Blick aus dem Fenster war ich überrascht: Schnee!


Gemütlich noch eine Runde kuscheln, dann aber doch endlich mal aufstehen und schauen, was man in der Küche der Unterkunft so für ein Frühstück zaubern kann.


Es gab Joghurt, Rosinenbrot, italienische "Vollkorn" Brötchen (helles Weizenmehl mit gefühlt 2% Weizenkleien darin), großartige Salami und Käse gekauft in Venedig sowie weiche Eier, die zum Zeitpunkt des Bildes noch im Kochtopf waren.


Packen, um zur nächsten Station aufzubrechen. Feststellen, dass der Freund wirklich immer die Socken trägt, die man ihm gestrickt hat. Awwwwww!


Das ist übrigens unser gesamtes Gepäck, dass wir zwei für 10 Tage dabei hatten. Es ist so unfassbar viel entspannter, mit weniger Zeug zu reisen und ich kann mir nicht mehr vorstellen, einen Koffer hinter mir her ziehen zu müssen. Man braucht ja eh nix außer Kleidung, Waschzeug, Portemonnaie, Brotbox, Trinkflasche, Stift, Notizbuch, Handy, E-Reader, Ladekabeln und Schirm.


Draußen sah es weiterhin wenig italienisch aus.


Erster Stopp des Tages: Wolladen! Ich bringe aus dem Urlaub gern Wolle mit, die es zu Hause (hoffentlich) nicht zu kaufen gibt und stricke mir etwas als Erinnerung. Die Souvenirsocken sind sogar schon in Arbeit.


Die Porta Versari in Verona, ein altes römisches Stadttor dekoriert mit Schnee.


Zypressen im Schnee sind nun auch nicht der gewöhnlichste Anblick in mediterranen Ländern.


Moment, hat sie nicht gesagt Verona?! Das ist doch das Colloseum!
-Nope, immer noch Verona. Die haben auch eine überraschend gut erhaltene Arena. Mit Schnee sogar.


Zwischenstopp im Supermarkt. Am Pastaregal bleibt kein italienisches Klischee unerfüllt.


Auf auf zum Bahnhof! Und in der Kälte warten, während man die behandschuhten Daumen drückt, dass die italienische Bahn mit Schneefall klar kommt.


Süßkram, den es bei uns nicht gibt mampfen, während man auf den Zug wartet. Außen Waffel, innen Kinderschokolade. Keine revolutionäre Kreation aber sehr lecker.


Der Zug war pünktlich! Rein hüpfen in den geheizten Wagen.
 

Auf dem Weg von Verona nach Bergamo muss man umsteigen. Unser Zug war wetterbedingt langsamer unterwegs als geplant und wir verpassten den Anschlusszug. Also noch mal eine halbe Stunde im Schnee auf den nächsten Zug warten. Aber immerhin kam der.


Ein erster Blick von der Unterstadt (die heißt wirklich so!) auf die 85m höher gelegene Altstadt von Bergamo.

Hatte ich erwähnt, dass die Altstadt 85 Meter über der Unterstadt liegt?


Wow, was für ein erster Eindruck! Es war magisch ruhig als wir ankamen und über den schneebedeckten Weg durch die Porta San Giacomo, ein Stadttor aus der Zeit, als Bergamo Teil der Venezianischen Republik war, die Altstadt betraten.


Mit besserem Wetter wäre die Aussicht definitiv besser gewesen, doch die Schneedecke gab dem Moment eine sehr besondere Atmosphäre.


Da sind die berühmten Stadtmauern. Unesco Weltkulturerbe sind sie auch noch.


Erst mal den Bäcker checken. Es gibt Polenta e Osèi, eine typische Süßspeise der Region, die auch für Touristen ansprechend präsentiert wird. Haben wir auch ausprobiert: sehr sehr süß aber gut.


Wir haben unsere Unterkunft für die Nacht gefunden, eingecheckt und uns mit dem Gastgeber über eine Stunde unterhalten. Es war wirklich einer der interessantesten, freundlichsten Hosts, die ich je hatte. 
Bei dem Schneefall blieben wir einfach drin und es wurde nur ein bisschen Rind und Zucchini zum Essen in die Pfanne geworfen. Dazu überraschend brotiges Brot.


Der Gastgeber hatte noch ein Stück eines selbst gebackenen Käsekuchens, den er uns überließ. War hervorragend!


Erst mal den Ab Roller ausprobieren. Was für ein komisches Gerät, doch die Übungen damit waren echt anstrengend. Hab ich das also auch mal gemacht.


Das ist übrigens die Wolle, die ich in Verona gekauft habe. Ungefärbte Schafswolle aus der Region, die ich mit Avocadokernen und - schalen zu färben plane.


Duschen, Zähne putzen, Reisetagebuch schreiben und sofort einschlafen.


Bergamo ist eine unglaublich schöne und besondere Stadt gewesen, mit ihren schmalen Gassen, altmodischen Geschäften umrahmt von den Stadtmauern. Ein bisschen als wäre die Zeit stehen geblieben. Ist sie aber nicht - und deshalb bin ich nun zurück auf der heimischen Couch und tippe diesen Post. Da bekomme ich direkt Lust auf die nächste Reise. Vielleicht gibt es da ja auch wieder eine terminliche Überschneidung und einen Picture My Holiday Day.