Samstag, 31. Dezember 2016

Der traditionelle Jahresrückblick; 2016er Jahrgang

Noch ein bisschen mehr als 24 Stunden bleiben diesem Jahr 2016 und dann wird es von einem neuen abgelöst. Verrückt, dass ich nun hier sitze und schon wieder einen Jahresrückblick tippe. Die scheinen nur so an mir vorbei zu fliegen, diese Jahre.
Die allgemeine Meinung ist ganz klar, dass 2016 ein beschissenes Jahr war. Europa zerrüttet, Brexit, Flüchtlinge, Anschläge, Donald Trump und auch noch gefühlt die Hälfte der liebsten Prominenten gestorben. Für mich persönlich allerdings war es trotz all dem ein wirklich tolles Jahr. Wenn ich so durch meine Instagrambilder der letzten zwölf Monate scrolle, sehe ich ganz klar, wie viele wirklich glückliche Momente ich hatte und dort geteilt habe.

2016 zum ersten Mal getan?
Zuerst fällt mir da ein, dass ich es zum ersten Mal mit Onlinedating versucht habe. Eine gute Entscheidung; danke für den Schubs in diese Richtung, Karo!

In diesem Jahr bin ich von meinen Eltern in eine WG gezogen und damit so glücklich und inzwischen so daran gewöhnt, dass ich mir wirklich Mühe geben musste, mich jetzt an diesen Punkt zu erinnern.
Ganz unerwartet bin ich zu einem Studentenjob gekommen, in dem ich Dinge lerne und meistens Spaß habe und damit offiziell behaupten kann, dass mein erster Job mir gefällt.
Ein weiterer Erfolg war es, das erste mal komplett frei im Kopfstand zu stehen ohne wild umher zu wackeln, sondern mich dabei wirklich stabil zu fühlen. So ein verrücktes Gefühl, wenn das, was man so lange geübt hat, plötzlich einfach wie auf magische Weise klappt.

2016 nach langer Zeit wieder getan?
Nach drei Jahren Abstinenz war ich wieder einmal auf einem Barcamp unterwegs. Es war sehr inspirierend zu sehen, zu welchen Themen Menschen spontan referieren können. Leidenschaft für etwas zu haben, macht Menschen unfassbar interessant.

2016 leider gar nicht getan?
Trotz des ganzen Reisens bin ich wieder ein Jahr mehr nicht im Meer schwimmen gewesen. Na ja, zumindest nicht mit dem ganzen Körper. Wenigstens meine Finger habe ich im Ärmelkanal, der Ostsee und dem Atlantik kurz gebadet.
Ansonsten war es auch wieder ein Jahr, in dem ich nicht am Halbmarathon teilgenommen habe, doch im kommenden Jahr werde ich wieder die 21 Kilometer skaten. Angemeldet bin ich jedenfalls schon.

Worte des Jahres?
Auszug, Minimalismus, Reisen, Datingapp

Zugenommen oder abgenommen?
So minimalistisch wie ich bin, habe ich einfach keine Waage. Problem gelöst. Aber von der Passform der Kleidung her würde ich sagen: gleich geblieben. Sport ist schon was tolles.

Städte des Jahres?
Berlin und London

Alkoholexzesse?
So langsam glaube ich ja, dass das in diesem Leben mit mir und dem exzessiven Alkoholkonsum einfach nichts mehr wird. Und das stört mich auch nicht wirklich, denn ich finde betrunkene Menschen meistens sehr unangenehm und finde auch nicht, dass Kontrollverlust ein erstrebenswerter Zustand wäre. Leitungswasser und Tee ftw!

Haare länger oder kürzer?
Weder noch, doch ich habe zum ersten Mal Spiralzopfgummis ausprobiert und seitdem doch tatsächlich seit Jahren mal wieder Zopf getragen statt immer nur mit der Spange hochgestecktes Haar. Gar nicht so doof diese Telefonkabelhaarbänder.

Mehr ausgegeben oder weniger?
Wenn man nicht mehr bei den Eltern wohnt und reist, gibt man einfach automatisch mehr aus. Da man aber auch steigende Einkünfte dank Studentenjob hat, geht das voll klar. Der Lauf des Lebens.

Krankenhausbesuche?
Nein. Allerdings war ich zum ersten mal ambulant beim Orthopäden, nachdem ich beim Abgang aus dem Handstand gegen die Tür mit dem Zeh eine Kommode gerammt hatte, da jemand unerwartet die Tür geöffnet hat. Das war aber eine große Enttäuschung. Geröntgt, Entwarnung, dass nix gebrochen sei, keine Diagnose, keine Therapievorschläge sondern nur Fragen, wie denn heute so das Medizinstudium wäre. Orthopäden ey.

Verliebt?
Oh ja! Ich kann hier gar nicht ausdrücken, wie glücklich ich bin und wie fasziniert, dass es einfach so gut funktioniert und wir so viel miteinander unternehmen, voneinander lernen und den anderen motivieren, über sich hinaus zu wachsen. Auf dass ich in einem Jahr nur noch mehr positive Dinge darüber berichten kann.

Most called person?
Mein Telefon sagt: meine Eltern. Allein schon, weil die auf schriftliche Nachrichten erst nach Tagen reagieren.

Die schönste Zeit verbracht mit?
Mir selbst, meiner Familie, Freunden und dann auch mit meinem Freund. Je älter ich werde, desto mehr merke ich, was für eine gute Verbindung ich zu vielen meiner Freunde habe und wie sehr wir auf einer Wellenlänge sind. Gleichzeitig gibt es aber auch einige, bei denen ich bemerke, dass ich mit ihnen nur aus Gewohnheit befreundet bin und die Beziehung niemandem viel gibt. Das beschert mir ein ungutes Gefühl, doch es fällt mir

Die meiste Zeit verbracht mit?
Mir selbst, dem Studium, Freunden und meiner Familie. Wahrscheinlich passt in die Aufzählung auch mein Laptop, da der auch fast immer mit dabei ist.

Song des Jahres?
36 Degrees von Placebo. Sowohl in der originalen als auch in der unplugged Version und live im Konzert liebe ich Text, Musik und all das, was ich inzwischen damit verbinde.


Buch des Jahres?
Jules Vernes "Die Reise zum Mittelpunkt der Erde" hat mich als in Island spielende Geschichte während meiner Reise dorthin sehr gut unterhalten. Genaus habe ich es in Großbritannien genossen, Sherlock Holmes zu lesen.
Ansonsten begeistert mich gerade "Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra" sehr, jedoch werde ich das Buch in diesem Jahr nicht mehr beenden können.


Serie des Jahres?
Jessica Jones, iZombie, Forever und Westworld. Ich bin einfach zu langsam, was das Ansehen von Serien angeht. Das Leben bietet halt noch so viel mehr Dinge.

Erkenntnis des Jahres?
Man muss sich nur trauen, neues auszuprobieren und schon wird das Leben viel spannender. Und man sollte sich weniger Gedanken machen, was alles peinlich sein könnte, da am Ende eh keiner darauf achtet, was genau man macht.

Dinge, auf die ich gut hätte verzichten können?
Spontan fällt mir nichts ein. Entweder, das Jahr war wirklich gut oder ich bin dabei, das Verdrängen zu perfektionieren.
Selbst gegen die Glastür des Fahrradladens zu laufen, als ich einen Helm kaufen wollte, führte einfach nur zum direkten Hinweis, wo die Helme zu finden sind.


Schönstes Ereignis?
Die Erkenntnis, dass ich einfach relativ günstig viel reisen kann und jetzt als Student noch die Zeit dafür habe, hat dafür gesorgt, dass ich zwei mal in Großbritannien, in Island, in Sofia und in mehreren deutschen Städten war. Auch im kommenden Jahr sind schon zwei Städtetrips geplant und ich freue mich jetzt schon.
Ansonsten bin ich jedes mal einfach nur glücklich, so gute Freunde zu haben. Nicht viele, aber dafür welche, denen ich wirklich nahe stehe.
Es war sehr erleichternd, vor dem Umzug und auch danach sehr viele Dinge auszusortieren und ich bin sehr viel glücklicher, nicht mehr ganz so viel unnützes Zeug zu besitzen. Fühlt sich einfach gut an.

Hast du dich äußerlich in diesem Jahr verändert ?
Äußerlich nicht wirklich, Veränderungen sind bei mir eher innerlich.

Hast du dich innerlich verändert ?
Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass man so viel mehr hat als man braucht und habe angefangen, viele vor allem alte Sachen, die ich lange schon nicht mehr benutze, auszusortieren.

Filme, die du besonders gut fandest?
Im Kino hat mir spontan Dr. Strange sehr gefallen. Aber wirklich von den Socken gerissen hat mich dann American Beauty. Ohne Erwartungen habe ich ihn gesehen und saß dann einfach nur wie hypnotisiert da. Genialer Film mit toller Botschaft und Atmosphäre.

Hast du 2016 neue Freunde gefunden?
Ja. Total faszinierend, auf wie vielen verschiedenen Wegen man Menschen begegnen und sie zum Freund gewinnen kann.

Hast du ein neues Hobby dazu gewonnen?
Zählt reisen als Hobby? Mir ist einfach klar geworden, wie großartig ich es finde, zu beschließen, irgendwohin zu fahren und es dann tatsächlich zu tun.

Hat das Bloggen dich verändert? 
Nö. Aber gestresst hat es mich auch nicht. So muss das sein.

Wie wird dein Bloggerjahr 2016? 
Ganz ehrlich: ich plane kein Bloggerjahr. Es bleibt weiterhin dabei, dass ich darüber blogge, was mich bewegt. So funktioniert es schlicht am Besten.

2016 war in zwei Worten?
Bewegt und abenteuerreich.

Bist du glücklich, dass 2016 bald vorbei ist?
Nein. Das liegt nicht daran, dass ich jetzt so sehr an diesem Jahr hänge auch wenn es für mich persönlich ein gutes war, sondern viel mehr, dass ich genau weiß, dass mich im kommenden Jahr mein schriftliches Staatsexamen erwartet und damit ein Sommer im Lernstress am Schreibtisch.

Was wünscht du dir für das neue Jahr? 
Sehr viel Selbstdisziplin für den bevorstehenden Lernmarathon und die Fähigkeit, es trotzdem ab und an zu schaffen, die schönen Seiten des Lebens zu genießen.

Vorherrschendes Gefühl für 2017?
Zuerst gehen die Gedanken in Richtung Staatsexamen, Ende des Studiums und das führt zu einem Gefühlsgemisch aus Aufbruchsstimmung, Stress und Vorfreude auf Veränderungen. Mal sehen, was daraus wird.

Wie war euer Jahr und wie wird das neue?
Ganz egal, wie das Fazit eures Rückblicks ausfällt: macht euch die letzten Stunden des Jahres schön. Bis nächstes Jahr!

Freitag, 23. Dezember 2016

Stressige Besinnlichkeit

Was wäre, wenn Weihnachten wirklich besinnlich wäre? Also nicht nur in den idealisierten Darstellungen in Werbung, Fernsehen oder Büchern, sondern auch in der Realität?

Was wäre, wenn Weihnachten tatsächlich eine Auszeit vom Trubel des Alltags wäre, in der wir uns mit Familie und Freunden treffen, um wirklich Zeit mit ihnen zu verbringen? Damit meine ich nicht, Zeit verbringen im Sinne von Sitzen im selben Raum wobei jeder mental noch einmal durchgeht ob er nun auch wirklich an Geschenken alles besorgt, die Dekoration optimiert und das opulente Essen in stundenlanger Arbeit nun auf den Punkt vorbereitet hat, damit man es in zehn Minuten festlich herunter schlingen kann, sondern wirklich die gesamte Aufmerksamkeit auf den Moment richten zu können? Offen reden, zuhören ohne an die nächsten Aufgaben zu denken, Emotionen der Mitmenschen wahrnehmen und einmal entschleunigen und sich zurück lehnen.

Die Realität sieht anders aus; zumindest bei mir. Gestern habe ich neun Pakete für Nachbarn angenommen - das sind sicher nicht nur die üblichen Lustkäufe oder Bestellungen für den Eigenbedarf, sondern ganz sicher auch Weihnachtsgeschenke, die in letzter Minute bestellt wurden. Denn das oberste Ziel an Weihnachten scheint ja zu sein, für jeden ein Geschenk zu haben, das man in tadellos aufgeräumter und dekortierter Wohnung unter dem idealen Tannenbaum in bester Kleidung überreicht. Das alles kann den Punkt Weihnachten zu einer schier endlosen Quelle von Stress machen, wenn man sich zu sehr an diese idealisierten "Ziele" klammert.

Ich liebe es, Menschen, die mir wichtig sind, Geschenke zu machen. Wenn ich weiß, dass ich etwas gefunden habe, das jemandem aufrichtig Freude bereiten wird, kann ich es immer kaum erwarten, das Geschenk zu überreichen. Es ist dann jedes Mal, als würde ich selbst beschenkt werden, wenn ich sehe, wie sehr sich ein anderer Mensch über ein Päckchen von mir freut.
Das ist dann Weihnachten. Meinen Liebsten eine Freude machen ganz egal, ob sie nun vom monetären Wert her teuer ist oder auch "nur" ein Paar selbstgestrickte Socken und ganz bewusst und aktiv gemeinsam Zeit zu verbringen ist es, was ich mir unter einer weihnachtlichen Atmosphäre vorstelle. Dabei ist es egal, ob nun die Geschenke perfekt verpackt, der Baum absolut symmetrisch und das Essen unvergleichbar deliziös ist. Natürlich freue ich mich, wenn das alles gelingt, doch im Endeffekt wird man sich kaum daran erinnern, wie poliert in einem Jahr die Fenster waren, wie gut die aufwendig hergerichtete Frisur saß oder sich darüber freuen, stundenlang in der Küche die Gans gebraten zu haben. Was wirklich hängen bleibt, sind die ganz persönlichen Momente der geteilten Freude, die kleinen Missgeschicke, die passieren und wie man sie zusammen überwindet.

In einem Jahr ist uns beim Aufsetzen der Spitze auf den Tannenbaum selbiger umgekippt, wobei die Spitze zu Bruch ging und wir dann kurzfristig eine neue besorgen mussten. Es war die hässlichste Baumarktsbaumspitze aus billig beglittertem zu glänzend hellgold lackiertem Glas, die wir je hatten. Doch die Aufregung im Baumarkt und das riesige Glück, doch noch im letzten Moment fündig geworden zu sein, werde ich nie vergessen.

Es gibt Menschen, da habe ich tausend Ideen, wie ich sie beschenken könnte und es gibt andere, da fällt es mir wirklich schwer, mir ein Geschenk aus den Rippen zu leiern. Diejenigen bekommen dann einfach selbstgemachte Pralinen, gebrannte Mandeln oder ähnliche Leckereien aus der Küche. Das ist zwar nicht besonders persönlich aber meiner Meinung nach unendlich viel besser als unnützer Dekokram oder einfallslose Duschbadsets.
Denn auch wenn es uns immer wieder so verkauft wird, als wäre das Schenken der wichtigste Teil des Weihnachtsfests, ist es das genau nicht.

Weihnachten sollte nicht um den Konsum und den damit verbundenen Stress kreisen, sondern wir sollten uns wieder bewusster machen, dass es eigentlich um die nicht mit Geld bezahlbaren Dinge im Leben geht: Familie, Freunde, Nähe und geteilte Momente des Glücks.
Vielleicht könnt ihr den Gedanken mitnehmen und statt nun auf den letzten Drücker Geschenke zu jagen, den zu Beschenkenden lieber ein paar Zeilen schreiben, was sie euch eigentlich bedeuten. Denn das ist ein so unendlich viel besseres Geschenk als eine in der Einfallslosigkeit und Not gekaufte Schachtel Pralinen.

In dem Sinne: habt ein entspanntes Weihnachtsfest ohne sinnlosen Konsum unnötiger Dinge sondern stattdessen mit guten Gesprächen und Treffen mit Menschen, die euch wichtig sind!

Mittwoch, 21. Dezember 2016

Ins Netz gegangen: meine Erfahrung mit Onlinedating

Es ist ein paar Monate her, dass ich das letzte mal etwas zum Thema Beziehungen, Dating und dem Gefühl, wahrscheinlich für immer allein bleiben zu müssen, geschrieben habe. Seitdem hat sich einiges verändert und zwar ganz besonders an meiner Einstellung zum Thema Onlinedating, was ich zuvor ja immer konsequent abgelehnt hatte. 
Ich war überzeugt, dass man dort eh nur die wirklich verzweifelten Seelen antreffen würde. Dann war ich aber irgendwann anscheinend selbst verzweifelt genug, es trotzdem auszuprobieren. Immerhin kann ich jetzt auch zu dem Thema eine fundiertere Meinung abgeben, auch wenn ich meilenweit davon entfernt bin, so einen riesigen Erfahrungsschatz zu dem Thema zu besitzen, wie Juliane.

Es gibt wohl genauso wenig DAS Onlinedatingportal wie es DIE Cloud gibt. Daher kommen wir direkt zu Frage Nummer eins: auf welcher Plattform wollen wir denn suchen?
Für das spontane Ausprobieren (powered by ganz viel Selbstüberwindung und einer Freundin, die genug davon hatte, dass ich regelmäßig über Einsamkeit jammerte) kam für mich nicht infrage, etwas zu nutzen, was ein Abonnement oder generell Bezahlung erfordert. Ganz klischeehaft versuchte ich also Tinder zu installieren. Es blieb jedoch beim Versuch, da die App sich nach dem Öffnen immer wieder selbst beendete oder ewig im Suchmodus festhing. Dann wird halt woanders gematcht.
Gesagt, getan und zack die nächste Datingapp in der Liste installiert. Dieses mal hieß sie Pink und/oder Jaumo, was nicht durchgängig klar war. Scheinbar wurden da mal zwei Plattformen fusioniert, doch wen interessiert das schon. Hauptsache, die App lief. 

Kaum hatte ich ein Profil erstellt, meinen Namen und das Alter eingegeben, schon bekam ich die erste Nachricht.
"Hey Süße! Gibt es auch ein Bild von dir?"
Na klar gibt es das! Gib mir aber bitte erst mal fünf Minuten, überhaupt mein Profil einzurichten. Also Nachricht ignoriert, zwei Bilder hinzugefügt und noch ein bisschen was über mich ausgefüllt. Das Freitextfeld erschien mir auf den ersten Blick als zu viel Freiraum, um mich sofort auf einen Text festlegen zu können. Es ist nun mal wirklich schwer, seine Persönlichkeit und Ziele im Leben in vier Sätzen so zu verpacken, dass Fremde eine grobe Idee davon bekommen, was für ein Mensch man ist.
Scheinbar hat man zumindest als Lady solche Texte aber auch gar nicht nötig, da schon innerhalb der ersten Stunden nach Anmeldung zahlreiche Nachrichten eintrudelten. Wow, das ging fix!

Halbnackte Typen, die selbstdarstellerisch an ihre Karre gelehnt Sixpack und Tattoos präsentierten, Aufreißer, die sich für extrem verführerisch hielten und ab und an auch mal zurückhaltendere, sympathische Nachrichten purzelten in mein Postfach. Dazwischen gestreut wie Schokostückchen auch mal Männer mit Rechtschreibkenntnissen und neutralen bis attraktiven Prodilbildern. Das ging ganz schön ab dafür, dass ich mich dabei völlig ahnungslos fühlte, was ich da eigentlich tat. 

Die Art der oberflächlichen bis hin zu viel zu direkten Nachrichten störte mich dabei von Beginn an. Zugegeben ist es wirklich schwer, einen Gesprächseinstieg zu finden, wenn man den anderen gar nicht kennt und dabei einen guten Eindruck zu hinterlassen ist gleich mal noch einen Schritt näher an unmöglich, doch es gibt definitiv so ein paar Dinge, die wirklich nicht sein müssen.
Ich zweifelte ernsthaft an der Intelligenz der Menschheit.

Darunter waren sowohl Dinge, die genauso harmlos wie häufig waren wie das unvermeidliche"Hey Süße!" (Woher willst du wissen, dass ich süß bin, wenn du mich gar nicht kennst? Und noch schlimmer: wer gibt dir das Recht, mich so zu nennen?) als auch komische Anreden á la"Hey Prinzessin! Bist du auf der Suche nach einem Prinzen, der dich mit in sein Schloss nimmt?" bis hin zu Formulierungen, die mich einfach nur irritierten ("Hallo schöne Frau! Auch wenn du es gar nicht geschrieben hast: du bist extrem sexy. Lust, Bilder auszutauschen und zu fantasieren? ;)" ), weil ich nicht wusste, was zur Hölle ich darauf sagen sollte, mir aber klar war, dass ich eigentlich auch nicht weiter darauf eingehen wollte. Schon verrückt, wie direkt manche versuchen, zur Sache zu kommen.

Mein liebster Chatverlauf, bei dem ich sofort wusste, was ich sagen sollte, war folgender: 
Krass trainierter Typ mit halbnacktem Profilbild:"Du siehst wunderschön aus!" 
Apfelkern: "Ja, ich weiß!" 
Typ: *antwortet nie wieder*
Wahrscheinlich kam er mit so viel Direktheit und Selbstbewusstsein auch nicht klar. Dabei war das nicht mal komplett ernst gemeint, sondern war bloß ein alberner Reflex. 

Das führte aber zu einer ganz anderen Erkenntnis: Partnersuche funktioniert über auf selbiges optimierte Plattformen einfach komplett anders als im alltäglichen Leben.
Da hat man plötzlich einen riesigen Katalog potentieller Partner, die man gemütlich nach Kriterien von Körpergröße und Augenfarben über Anzahl der Rechtschreibfehler im Profil bis hin zur Angabe des Berufs oder Attraktivität auf den Bildern aussortieren kann. Auf der einen Seite wurden mir so viele Typen vorgeschlagen, die ich im realen Leben niemals mit dem Gedanken, dass sie für mich ein potentieller Partner sein könnten, angesehen hätte (sorry, bin eh zu vernünftig für schwer tättowierte Rapper!) und auf der anderen Seite gab es so eine riesige Auswahl an Profilen, dass ich ohne es sofort zu bemerken, sehr wählerisch wurde. 

Typ nur genauso groß wie ich oder kleiner? Next!
Bilder von zu vielen alkoholreichen Partynächten? Next!
Schon sehr deutlicher Bauchansatz? Next!
Raucher? Ewwww! Next!

Trifft man jemanden auf eine andere Weise und lernt erst denjenigen kennen und seinen Charakter zu schätzen, würde man ganz anders mit kleinen Makeln umgehen und sie sehr viel eher schlichtweg akzeptieren. So hat man aber die Auswahl und sucht vor lauter Angebot noch kritischer. Ganz nach dem Motto, wozu mit den faden Tiefkühlwindbeuteln zufrieden geben, wenn man auch die Gourmettorte mit Edelbitterschokolade vom Konditor haben kann.

Zum einen war es gut zu sehen, wer eigentlich wie nach einem Partner sucht und ein Gefühl dafür zu bekommen, dass man selbst a) nicht allein und b) definitiv nicht der verzweifeltste Mensch in dieser Situation ist, zum anderen lässt einen zu viel Auswahl und zu viel Aufmerksamkeit dann leider doch schnell ein wenig voreingenommen bis arrogant werden. Teilweise habe ich einfach anderen direkt einen Korb gegeben, weil mich das Profil auf den ersten Blick nicht angesprochen hat. Zwar immer auf möglichst freundlich-sachliche Art und Weise, um den anderen nicht völlig zu traumatisieren, am Ende dann aber doch ganz klar abweisend.

Und dabei bin ich mir unglaublich arschig vorgekommen. Ich fand mich selbst schrecklich. Wie kann man denn nur so oberflächlich sein und gleich nein wischen, nur weil derjenige klein ist und auf dem Bild einen dümmlichen Gesichtsausdruck hat, von dem ausgehend man direkt darauf schließt, dass derjenige tendenziell nicht die hellste Birne des Kronleuchters sein wird? Das verstößt komplett gegen meinen Grundsatz, einfach jedem erst einmal eine Chance zu geben.
Beim Dating offline in der Realität bin ich schon froh bis hin zu überrascht-schockiert gewesen, wenn mich zum Beispiel auf der Tanzfläche jemand angesprochen hat, online dagegen rechnete ich damit und habe von vornherein den anderen extrem viel kritischer betrachtet. Ich bin mir nicht sicher, ob das eine gute Verhaltensweise ist, um den möglichst fittesten und intelligentesten Partner zu finden, oder einfach wie schon erwähnt das Verhalten eines Dating-Arschlochs. 

Ganz ehrlich aber: ich möchte nicht nur aus Höflichkeit Zeit und Mühe in einen Kontakt investieren, von dem ich mir meinem Bauchgefühl zum ersten Eindruck folgend sowieso nichts erwarte oder noch schlimmer absolut keine Lust darauf habe. Am Ende würde ich auch nur den anderen enttäuschen, wenn ich dann plötzlich doch gar kein wirkliches Interesse habe, weshalb ich es von vorn herein sein lassen kann. 

Es gab auch noch einen anderen Gedanken, der mich beschäftigt. Wenn mir da so viele potentielle Traumprinzen angezeigt werden: mit wie vielen davon könnte ich wirklich glücklich werden? Könnte man nicht mit theoretisch jedem, mit dem man auf einem in etwa gleichen Intelligenzniveau ist, ähnliche Wertvorstellungen und Ansprüche an eine Beziehung hat, eine gute Partnerschaft führen? 
Man muss nur offen miteinander kommunizieren und dann Zeit sowie Arbeit investieren, damit es funktioniert und dann wird eine Beziehung mit Menschen, die auch dazu bereit sind, wahrscheinlich gut laufen. 

Mit anderen Worten: ich persönlich glaube nicht daran, dass es The One gibt, den einzig wahren Partner, mit dem man für immer und ewig glücklich sein kann. Es gibt für jeden Menschen sicher einige, mit denen das glücklich zusammen leben und alt werden funktionieren kann, solange beide aktiv dafür etwas tun. Man muss eben nur mal so jemanden finden und denjenigen dann bestenfalls nicht nur als Gleichgesinnten erkennen, sondern auch noch attraktiv finden.

Apropos aktiv dafür etwas tun: nach meinen paar Erlebnissen bin ich überzeugt, dass genau das in der Welt des Onlinedatings Timing eine extrem große Rolle spielt. Noch viel mehr als in offline Situationen, wo man jemanden im Alltag immer wieder trifft, immer wieder Kontakt haben und diesen intensivieren kann, wenn man Interesse hat, vielleicht mehr aus dieser Bekanntschaft zu machen. Schließlich ist der andere nicht ständig online erreichbar, viel wichtiger sucht er aber auch parallel aktiv nach Kontakten, weshalb der Moment so wichtig ist. Sonst hat er vielleicht schon was am Wickel.
Wen erwischt man gerade online, wer sieht und matcht einen zufällig? Der andere kann noch so attraktiv, korrekt in Orthographie und Grammatik sowie kreativ in den Formulierungen als auch interessant sein: wenn er nie Zeit für Antworten oder ein Treffen findet, wird es wahrscheinlich einfach nichts mit demjenigen werden. 
Und je öfter man das Treffen dann schon verschieben musste, desto unwahrscheinlicher wird es, dieses Vorhaben tatsächlich noch zu realisieren. Unter anderem auch, weil das Angebot ja noch mehr potentielle Dates hergibt.

Wirklich unangenehm wird es dann, wenn man den einen schon getroffen hat, wiedersehen will und dann der nächste Kandidat aus einem anderen Chat, den man nebenbei weiter geführt hat, doch noch einen Termin für ein Rendezvous findet. Das waren schwere Momente für mein Gewissen, bis ich mich entschieden hatte, nicht zwei Männer parallel zu daten, weil das nur in Ärger und Enttäuschung ausgeufert wäre. Vor allem, wenn das schon statt gehabte Treffen auch noch richtig gut war.

Es gibt also ein paar Tipps, die ich meinem Vergangenheits-Ich gern gegeben hätte, bevor es sich in diese Datingsache hinein gestürzt hat:

  • Es ist in Ordnung, wählerisch zu sein! 
  • Traue deinem Bauchgefühl und dem ersten Eindruck
  • Ehrlichkeit lohnt sich, Spielchen spielen frustriert nur und sind irreführend.
  • Immer nur einen Chat ernsthaft führen und nicht mehrere nebeneinander
  • Finde heraus, welche Richtung des Swipens in der App ja und welche nein bedeutet, bevor du versehentlich einfach alle matchst, weil du dir nur mal die Profile ansehen wolltest...
Am Ende hat sich viel von dem, was ich vom Onlinedating erwartet habe, als wahr erwiesen. Man wird von merkwürdigen Gestalten mit furchtbaren Anmachsprüchen angeschrieben, einige davon wollen direkt zum Sex(-ting) übergehen, andere sind auf den ersten Blick selbstunsicher, hilflos und verzweifelt und man muss sich daran erinnern, dass man ihnen dennoch einen Korb geben darf, weil es keine Selbsthilfegruppe ist, sondern ein Portal für eine Partnersuche. Mit anderen Worten: das ist das, was ich damit meinte, als ich sagte, Onlinedating wäre eine Sammelstelle für die ganz verzweifelten Singles.
Schließlich hatte ich doch interessante und sehr lebhafte Chats, von denen aus sich Dates und ein Dauerdate ergeben haben, aus dem dann eine Beziehung entstanden ist. Es klappt also tatsächlich mit dieser Partnersuche im Netz.

Habt ihr schon mal online nach Partnern gesucht? Was habt ihr erlebt?