Donnerstag, 5. November 2015

Und was ist mit Teeeee? Oder auch: Kein Herz für Kaffee

Vor einigen Wochen saß ich morgens noch mit leichtem Jet-Lag durch die Zeitumstellung in der Bahn und war auf dem Weg zu einer viel zu frühen Vorlesung. Draußen war es dunkel und mein Instinkt sagte, es wäre der perfekte Moment, noch ein wenig zu dösen. Friedlich nickte ich immer wieder ein wenig weg, sah ab und an auf, um festzustellen, wo die Bahn sich inzwischen befand.
Ein stechender, muffiger Geruch unterbrach diese Verlängerungsrunde meiner Nachtruhe - Kaffee.
Neben mir saß ein junger Mann mit Kaffeebecher, aus dem es heiß dampfte und aufdringlich roch.

Gefühlt bin ich der einzige Mensch, der morgens beim Geruch von Kaffee nicht fröhlich aus dem Bett springt, sondern sich überlegt, ob er unter der Bettdecke warten soll, bis der Mief sich verzogen hat oder mit angehaltenem Atem aus dem Bett hastet um möglichst schnell die Quelle des Geruchs zu eliminieren.

Ich bin in einer Familie von Teetrinkern aufgewachsen. Morgens gab es am Wochenende immer eine 2,5 Liter Kanne schwarzen Tee für vier Personen, die wir problemlos geleert haben. Obwohl in der Küche auch eine Kaffeemaschine steht, wird sie so selten angeworfen, dass man das aufs Jahr gerechnet an einer Hand abzählen kann. Regelmäßig passiert es, dass der Kaffee, der bei meinen Eltern für unerwarteten Besuch im Schrank gelagert wird, sein Mindesthaltbarkeitsdatum überschreitet.
Als Kind bekam man wie selbstverständlich immer sein Tässchen Milch zum Geburtstagskaffeetrinken mit den Verwandten. Proportional zum steigendem Alter kam die Frage, ob man denn auch Kaffee wolle, immer häufiger. Danke nein, ich trinke keinen Kaffee.
Die typische Antwort: Warte nur ab, bis du älter bist - dann wirst du Kaffee lieben! Oder auch die beliebte Variante davon: Wenn du erst einmal studierst, wirst du dir ein Leben ohne Kaffee gar nicht mehr vorstellen können!

Nun, ich bin älter und habe sechs Semester erfolgreich hinter mich gebracht und muss die Verwandtschaft leider enttäuschen: ich finde Kaffee weiterhin widerlich.
Als ich früher weder Oliven noch Pilze oder Naturjoghurt mochte, sagten die weisen Erwachsenen im Überzeugungston der Erfahrung, dass sich mein Geschmack verändern und ich all diese in dem Moment abstoßend erscheinenden Lebensmittel lieben würde. Und sie behielten tatsächlich Recht, was Oliven, Pilze und Naturjoghurt angeht. Doch um Kaffee schlage ich weiterhin einen großen Bogen.

Ob man nun Oliven mag oder nicht interessiert eigentlich niemanden. Aber wenn man keinen Kaffee trinkt, fällt man in der Gesellschaft schon negativ auf. Am Frühstückstisch, wenn das einzige angebotene Getränk Kaffee ist und man notgedrungen zu Leitungswasser greift oder auch wenn einem einfach ein Kaffee mitgebracht oder eingegossen wurde und man dann beichten muss, dass man eigentlich gar keinen Kaffee trinkt. Das mit dem lächelnd versuchen, das Zeug runter zu würgen oder mit ganz viel Milch zu verdünnen habe ich schon versucht. Und bin gescheitert. Ich würde gern auch den hippen Pumpkin Spice Latte mal probieren, aber da er Kaffee enthält, weiß ich, dass ich nach einmal daran nippen eh die Nase voll haben werde.
Es reicht ja schon ein Biss in eine Praline mit Kaffeegeschmack, um das typische muffig-beißende Aroma zu bemerken, den Rest der Süßigkeit liegen zu lassen und sich schnell was zum Nachspülen zu suchen.

Ich kann mich aufgrund des Geschmacks einfach nicht überwinden, Kaffee zu trinken und ich denke, dass es auch nicht nötig ist. Heißgetränke am Morgen sind etwas wundervolles und ich bin sehr dankbar, dass es dafür Tee gibt. Warum also mich mit Kaffee quälen, wenn ich ihn eigentlich nicht mag?
Manchmal wünsche ich mir einfach nur, dass nicht alle es als selbstverständlich ansehen würden, dass man ab einem gewissen Alter Kaffee mag. Wahrscheinlich ist das auch eine Einschränkung für sämtliche soziale Kontakte, wenn man den anderen keinen Kaffee kochen kann. Aber wie soll ich kontrollieren, wie das Produkt am Ende schmeckt, wenn ich es immer ekelhaft finde egal wie das Verhältnis von Wasser zu Kaffee nun ist? Man erwartet von Veganern schließlich auch nicht, dass sie Hackbraten zubereiten - weshalb also sollte ich Kaffee kochen?

Dass andere Kaffee trinken ist für mich völlig in Ordnung. Der Geruch ist nun nicht mein liebster, aber im Gegensatz zu Zigarettenrauch stört er nur olfaktorisch und schädigt mich nicht gesundheitlich.
Trotzdem bin ich noch immer fasziniert, wie gut sich Kaffee verkauft. Fast als wäre er lebensnotwendig. Morgens steht jeder Dritte mit seinem Coffee-to-go Becher am Bahnhof und in der Uni kommt auch die Hälfte des Kurses mit Kaffeebecher in der Hand in die Vorlesung. Ehrlich: spielt das Zeug eine so wichtige Rolle im leben, wenn es einem schmeckt?
Aber Faszination hin oder her: ich bin glücklich als passionierter Teetrinker. Man spart jede Menge Geld, wenn man nicht den Drang hat, sich täglich unterwegs Kaffee kaufen zu müssen. Dennoch bin ich interessiert: Könnt ihr euch ein Leben ohne Kaffee vorstellen?

9 Kommentare:

  1. Ich denke, deine extreme Abneigung gegen Kaffee hat sicherlich auch mit deinen schlechten Erfahrungen in sozialen Situationen zu tun. Ich wurde nie von meiner Familie belehrt, dass ich Kaffee irgendwann mögen werde. Wie selbstverständlich macht mir mein Opa nach all den Jahren immer noch roten Krümeltee. Auch war ich noch nie irgendwo als Frühstücksgast anwesend und hatte keine andere Wahl als Kaffee, oder wurde komisch angeguckt, weil ich ihn nicht trank.

    Daher hatte ich auch viel weniger Druck und konnte es, ganz freiwillig, selbst Ausprobieren. Einfach mal gemacht und zack, gar nicht so schlimm. Nun noch herausfinden, wie man ihn am liebsten mag und schon hat man eine ziemlich gute schmackhafte Energiebombe. Besonders als Mensch mit Schlafproblemen sehr praktisch, wenn ich damit die Uni konzentrierter überstehen kann. Ich trinke ihn bei weitem auch nicht jeden Tag, doch ich freue mich auch schon darauf, in den nächsten Jahren die vielen Sorten und Zubereitungsarten auszuprobieren.

    Und ja, bei mir wirst du auch immer Tee und heiße Schokolade kriegen, denn die liebe ich trotzdem ebenfalls. Es wäre nur nett, wenn du mir meinen Kaffee nicht wieder umkippst. Okay bye.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ich muss dir zustimmen. Kaffee und ich könnten eine so friedliche Koexistenz wie Leber und ich führen, doch es gibt ständig Situationen, in denen erwartet wird, dass ich Kaffee trinke. Das setzt mich unter Druck und ich fange an, das Zeug nicht mehr zu mögen.
      Meine Familie weiß eigentlich schon, dass sie mir keinen Kaffee anbieten muss, versucht es aber trotzdem. Vielleicht sollte ich einfach mal mit dir bei deinem Opa Krümeltee trinken gehen. Und meinen Opa mitnehmen, damit er was lernen kann.

      Es ist für mich ein kleiner Schock gewesen, dass du nun auch Kaffee trinkst. Du auch, Brut... äh, Karo?!
      Aber solange ich auch mal wieder deinen Tee statt nur Kaffee auf dem Tisch verteilen kann, ist alles gut.
      Ach, und: echte Ladys trinken Lady Grey. Und das ist Tee. ;)

      Löschen
  2. Lass uns einfach gemeinsam drauf warten "erwachsen" zuwerden. ;D
    Mich versuchen auch wirklich ständig Leute (vor allem, die mich neu kennenlernen) davon zu überzeugen, dass der Capucchino den sie grad trinken gaaaaar nicht nach Kaffee schmeckt. Denkste. Ich komme einfach mit diesem extrem bitteren Geschmack, der jedes Mal auf meine Zunge knall nicht klar. Egal wie viel Zucker oder Milch oder anderer Geschmack dabei ist. Ugh. Ekelhaft.
    Bei mir im Kindergarten gabs immer Pfefferminztee zum Morgen oder Kakao und so halte ich das auch noch. Ich bin mittlerweile auch schon nicht mehr verlegen darum als einzige nach Kakao, Tee oder einfach nur Wasser beim Kaffeetisch zu fragen.
    Immer wenn mir ein Kaffeegetränk vor die Nase gestellt wurde habe ich höflich die Lippen an die Tasse gepresst, verdeckt angewiedert meine Lippen abgeleckt und das Zeug stehen gelassen und dann "hach! den hab ich ganz vergessen zu trinken".

    ...vielleicht hälts auch wirklich jung keinen zu trinken? :) Im Vergleich zu gleichaltrigen Kaffeetrinkern werd ich immer jünger geschätzt.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Erwachsen werden…ich denke, wir sollten aufhören, erwachsen werden mit Kaffee trinken zu assoziieren. Erwachsen ist, wenn man für sich selbst sorgen kann. Egal mit welchem Getränk.

      Deine Strategie, den Kaffee nicht trinken zu müssen und gleichzeitig nicht unhöflich zu sein, klingt sehr ausgeklügelt. Trotzdem käme ich mir dabei sehr verschwenderisch vor, den Kaffee als Rohstoff aber auch das Geld dafür ungenutzt zurück und damit in den Müll gehen zu lassen. Also am besten gleich schreiend eine dramatische Szene machen und jemanden mit (leicht abgekühlten) Kaffee überschütten - dann ist er auch nicht verschwendet. :)

      Löschen
  3. Ich trinke auch keinen Kaffee, weil ich diesen bitteren Geschmack einfach nicht mag. Bei Ablehnung von Kaffee bekomme ich oft die Frage gestellt "Nicht mal einen Capucchino oder Latte Macchiato?" Egal wieviel Zucker, Milch oder fancy süßen Syrup man in den Kaffee tut, der typische Kaffeegeschmack ist einfach wahnsinnig dominant und den bekomme ich einfach nicht runter. Aber so kann ich zumindest sparen mein Geld in 20€ teuren Starbucks-Kaffee zu investieren. :)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Manchmal habe ich das Gefühl, dass es gar nicht darum geht, Kaffee zu trinken, weil man es mag, sondern einfach weil es eine Art Statussymbol ist, mit dem Kaffeebecher in der Hand umher zu laufen. Wenn man dafür aber so viel Milch, Sirup, Kakao und Pumpkin Spice in den Kaffee tun muss, dass er nicht mehr nach Kaffee schmeckt, damit man ihn runter bekommt, hat es meiner Meinung nach eh keinen Sinn, sich das Zeug zu kaufen.
      Schon spart man viel Geld ohne was zu vermissen. Und wie jetzt - der Kaffee von Starbucks kostet 20 Euro?! Wohlhabende Irre, die den kaufen.

      Löschen
  4. Ich gehöre auch zur nicht-Kaffee-Trinker-Fraktion :D
    Habe mir auch immer Sprüche angehört: im Studium fängst du an, im Arbeitsleben fängst du an ... Ich habe sogar über ein Jahr als Barista gearbeitet und trinke nach wie vor kein Kaffee. Allerdings mag ich den Geruch total gern.
    Grundsätzlich gilt: Du bist nicht allein :)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Wir könnten hier glatt einen Verein der Nicht-Kaffeetrinker eröffnen!
      Dass du mal als Barista gearbeitet hast, ist umso amüsanter, wenn du Kaffee nicht mal magst. Wie hast du es dann geschafft, ihn geschmacklich gut hinzubekommen, wenn du nicht abschmecken kannst? Oder macht das alles die Maschine?

      Löschen
    2. Haha, ja so geht es mir auch: Ich mag Kaffee einfach nicht. Den Geruch davon finde ich aber irgendwie toll, keine Ahnung warum.

      Zum Glück werde ich nicht so oft zum Kaffeetrinken genötigt, ich kenne wohl zum Glück genug Tee-trinker :)

      Bei uns zu Hause haben wir auch nur Instant-Kaffee für Gäste und die lass ich den dann immer selbst zubereiten, keine Ahnung, wie viel da rein muss, damit es schmeckt. Bisher hat sich noch niemand beschwert ;)

      Löschen