Samstag, 26. Juli 2014

Wenn der Status sturmfreie Bude permanent wäre

Es ist Sommer, es ist verdammt heiß draußen und die Familie ist im Urlaub. Nur ich sitze hier allein zu Hause und versuche mir für die anstehenden Prüfungen möglichst viel Wissen einzuarbeiten.
Abgesehen davon, dass die Zeit vor den Prüfungen eh immer viel angespannter läuft als das restliche Semester, bin ich jetzt in der Situation, komplett sturmfreie Bude zu haben. Keiner da für drei Wochen, ein großes Haus nur für mich. Party! Den ganzen Tag im Wohnzimmer fernsehen! Ich könnte mich drei Wochen lang nur von Pizza ernähren und jeden Tag meine Freunde einladen, ohne dass es jemand mitbekommen würde!

Aber in der Realität sitze ich im um die Hitze draußen zu halten abgedunkelten Raum über meinen Büchern, lerne, koche mir eine Gemüsepfanne und mache in meinen Lernpausen Pilates oder gieße im Garten. Ich bin super langweilig. Trotzdem ist es alleine seltsam.
Es ist großartig, den ganzen Tagesablauf allein bestimmen zu können. Niemand, der will, dass ich Essen mache obwohl ich selbst noch gar nicht hungrig bin. Niemand, der sagt, dass ich um 23:30 nicht mehr Pilates machen darf, weil ich dabei gelegentlich lauter trampele. Niemand, der sagt, dass er jetzt doch lieber Grießbrei statt Kartoffeln mit Quark zum Mittag möchte. Es hat schon unbestreitbare Vorteile.
Ich kann dem Tageslicht folgend sämtliche Schreibtische im Haus zum Lernen nutzen ohne dass sich jemand beschwert, dass ich seinen Schreibtisch blockieren würde. Und so richtig viel Ruhe zum Lernen habe ich auch.

In dieser Situation ist es nicht weit bis zur Überlegung, wie es eigentlich wäre, wenn ich immer allein wohnen würde. Ich hätte meine Ruhe, wäre in einigen Dingen viel selbstbestimmter und doch - aktuell scheint es mir nicht das große Ideal zu sein.
Fleisch und Wurst kaufe ich für eine Person erst gar nicht, die Obst- und Gemüseauswahl bleibt eingeschränkt. Ich kann das ja eh nicht alles essen, bevor es schlecht wird. Der Tiefkühler ist mein bester Kumpel geworden. Gleich nach dem letzten Einkauf habe ich erst einmal die Hälfte der Champignons in Scheiben geschnitten tiefgefroren. Matschige Bananen und Nektarinen? Kleinschneiden, einfrieren und später damit erfrischende kalte Smoothies machen oder Konfitüre daraus kochen. Die hält sich wenigstens, bis der Rest der Familie zurück ist.

Was das Kochen angeht, denke ich mir dauernd, dass es sich für eine Person kaum lohnt. Klar, es ist günstiger und gesünder aber der Aufwand rechnet sich nur, wenn man gleich für mehrere Mahlzeiten im Voraus kocht.
Halloumi oder Würstchen braten und einen sehr schlichten Salat dazu machen, eine kleine Suppe improvisieren oder ein bisschen Gemüse mit Kräutern in die Pfanne zu hauen ist so das Maximum an Aufwand, den ich betreibe, wenn ich nur für mich koche. Da bin ich froh, wenn mein Freund mal da ist oder ich bei ihm, dass ich wieder ein "richtiges" Gericht zubereiten kann. Für zwei lohnt es sich ja immerhin schon. Außerdem koche ich auch vor allem aus dem Grund gerne, weil es mir Freude macht zu sehen, dass jemandem mein Essen schmeckt. Diese positive Rückkopplung fällt weg, wenn ich der einzige Esser bin.

Sämtliche Hausarbeit kann nur von einem erledigt werden, wenn sonst keiner da ist. Garten gießen, Müll raus, waschen, bügeln, putzen, einkaufen... alles eben. Normalerweise läuft das bei uns alles mit Aufgabenteilung und ich muss sagen, dass es wirklich einen Unterschied macht und deutlich entspannter ist für alle Beteiligten. Die Waschmaschine anstellen ist okay, die Wäsche raus hängen oder sie abzunehmen auch - aber alles davon zu machen und nicht nur einen oder zwei Punkte davon zu erledigen macht schon einen Unterschied. Wahrscheinlich bin ich in der Hinsicht ein bisschen verwöhnt.

Und abgesehen von dem Aspekt mit der Hausarbeit und dem Kochen: manchmal hätte man doch gern jemanden zu Hause, dem man von seinem Tag erzählen oder mit dem man lachen und einfach mal entspannen kann. Ist man alleine fehlt das und obendrein hat man nicht mal jemanden, an dem man noch mal versuchen kann, das Trommelfell anzusehen oder Reflexe auslösen üben kann.
Ist der Zulauf der Waschmaschine dicht, muss man erst mal alleine zusehen, wie man klar kommt. Muss die so gar nicht zahme Katze zum Tierarzt, muss man sich auch erst einmal Hilfe rufen, um sie dorthin zu bekommen.

Dass ich drei Wochen sturmfreie Bude habe, genieße ich in gewisser Weise schon (soweit das mit der Nase im Neuroanatomie Buch geht), doch ich könnte mir momentan nicht vorstellen auf Dauer allein zu leben. Ich fühle mich so ein bisschen isoliert. Dazu trägt wahrscheinlich auch bei, dass ich mich aktuell wenn ich nicht gerade noch in der Uni bin oder Hausarbeit mache in meinen Unterlagen vergrabe um für die bevorstehenden Prüfungen zu lernen. In den zwei verbleibenden Wochen bis zum Ende der Prüfungen sind Besuche bei Freunden erst mal kein Thema, denn das ganze Wissen will gelernt und wiederholt werden.
Wenn man regelmäßig dazu kommt, Freunde zu besuchen oder diese vorbei kommen, kann ich mir vorstellen, vielleicht auch allein lebend glücklich sein zu können aber so isoliert wie es in der Vorprüfungszeit ist, gefällt es mir nicht wirklich.

Ein bisschen muss ich dabei an meinen Opa denken, der seit dem Tod seiner Frau vor ein paar Jahren auch allein lebt. Er kocht und friert alles ein, weil er allein gar nicht so viel essen kann, wie er in seinem Garten erntet und wenn wir undankbaren viel beschäftigten Enkel nicht mal vorbei kommen, ist er auch ziemlich allein und hat abgesehen von ein paar ihn anrufenden Freunden auch niemanden zum Reden.

Mit der Ruhe und dem Alleinsein ist es wie mit allen anderen Dingen auch: es ist eine Frage des Geschmacks, der Gewohnheit und vor allem ist es auch eine Frage der Dosis. Ein bisschen Alleinsein und Ruhe ist prima aber ausschließlich das würde mich alles andere als glücklich machen. Der Mensch ist halt doch gesellig.

Mein Alleinsein reicht bis zum Ende des Urlaubes der Familie und auch wenn dann mitten in der Klausurwoche wieder Trubel im Haus ist, freue ich mich darauf. Kontakt zu einem nahestehenden Menschen tut einem einfach gut; man hilft und unterstützt sich gegenseitig, muntert sich auf und macht sich kleine Freuden - allein fehlt das alles. Der Mensch, der mit einem zusammen wohnt, ist meist sehr viel mehr als nur derjenige, der einen Teil der Hausarbeit erledigt.
Natürlich wird auch der Punkt wieder kommen an dem sie mir auf die Nerven gehen - aber so ist das halt. Und lieber einmal von den anderen genervt als immer allein zu Hause. Dann kann man auch endlich wieder etwas aufwendigeres kochen und mich ärgern, dass ich gerade in der Zeit zu viel zu lernen hatte um eine Party mit Freunden im leeren Haus zu schmeißen.

Und ihr so? Lieber alleine wohnen und selbstbestimmt die Ruhe oder doch eher die Gesellschaft von Familie, Partner oder Mitbewohner genießen?

Apfelkern