Freitag, 22. März 2013

Lebt der noch oder stirbt der schon?


Während eines Pflegepraktikums denkt man über einiges nach, das einem sonst nicht in den Sinn kommt. Oder zumindest selten und weniger präsent.

Eins ist mir klar: ich habe kein Problem damit, selbst Patient zu sein. Ich möchte aber kein Dauerpatient, kein Pflegefall werden. Ich möchte nicht unbeweglich sein und mich monatelang; vielleicht sogar jahrelang mit Inkontinenzmaterialien versorgen aka windeln lassen, gefüttert oder via Sonde oder PEG ernährt werden müssen und all das auch nur gerade so ertragen können, weil ich mit rezeptpflichtigen Betäubungsmitteln zugedröhnt bin.

Es ist nicht Krankheit selbst, was mir Angst macht. Der schreckliche Gedanke ist, nicht die Aussicht haben, wieder gesund zu werden. Und noch schrecklicher ist der Gedanke, das ganze nicht nur selbst zu erleben, sondern dabei zusehen zu müssen, wie der Partner genau das durchlebt, langsam vor sich hin stirbt und man dabei hilflos zusehen muss.
Vielleicht kann man ja weitere unnötige weil eh nicht mehr wirksame Behandlungen ablehnen und  lebensverlängernde Maßnahmen ablehnen, aktive Sterbehilfe leisten ist aber verboten.

Davon abgesehen: ich möchte nicht erleben, wie ein Partner, mit dem ich über ein halbes Jahrhundert zusammen bin, sich mir entfremdet, mich nicht mehr erkennt, abmagert, körperlich langsam verfällt und ich das weder aufhalten noch beenden kann. Das Leben kann grausamer sein als der Tod.

Es ist niemals leicht, Menschen, die man liebt los zu lassen. Trotzdem muss es wahrscheinlich sein. Ich hoffe für alle mir nahestehenden Personen, dass sie sterben ohne lange zu leiden.
Mich betrifft das aktuell nicht selbst - zum Glück. Es ist schlimm genug, das bei Fremden mitzuerleben.

Eine Grenze zu ziehen, wann ein Leben noch lebenswert ist, ist unendlich schwer. Wer sollte das tun? Anhand welcher Kriterien? Es ist doch eh alles subjektiv. Das hilft allerdings auch nicht weiter, wenn der Betroffene selbst sich nicht mehr dazu äußern kann.

Unser medizinisches System ist großartig, hilft so vielen und kann so viel. Eines kann es aber nicht immer: zwischen zu behandelndem Patient und Sterbendem unterscheiden.

Apfelkern

1 Kommentar:

  1. Aktive Sterbehilfe wird gleichgesetzt mit Mord und als moralisch verwerflich abgestempelt. Aber das ist nur eine Seite der Medaille. Ich finde es ist moralisch verwerflicher jemanden bewusst und absichtlich leiden zu lassen, ohne dass überhaupt eine Spur von Besserung möglich ist, nur um sein Gewissen zu erleichtern. Das ist Selbstsüchtig, Sadistisch und viel schlimmer als jemanden gehen zu lassen, wenn er sowieso nur noch vor sich hin vegetiert. Natürlich muss man da unterscheiden, bei Koma-Patienten, die ausser dem Koma selbst körperlich noch gesund sind ist das was anderes, die könnten doch noch nach Jahren aufwachen...

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