Mittwoch, 30. Mai 2012

Hut ab!

Hin und wieder geschieht es, dass uns während des Kontakts mit einer anderen Person bestimmte positive Aspekte an dieser auffallen. Solche Aspekte können sich beispielsweise auf Handlungen, Gedankengänge, Leistungen oder auch das äußere Erscheinungsbild des anderen beziehen.
Das Erkennen einer positiven Seite an einem anderen kann als bloßes Wissen für sich behalten oder dem anderen mit anerkennenden Worten offenbart werden: durch ein Kompliment

Und was macht derjenige, der Objekt der lobenden Äußerung ist, nun? Ich empfinde es als schwer, angemessen auf Komplimente zu reagieren.
Zuerst stellt sich die Frage, welche Art von Kompliment es war und wer es ins Gespräch einbrachte.

Komplimente von völlig fremden Personen machen mich misstrauisch. Warum äußert derjenige das? Meint derjenige es auch so, wie er es sagt oder steckt eine bestimmte Absicht dahinter?
Auffallend oberflächliche Kommentare, bevorzugt natürlich die Standardphrasen, erfreuen weniger als konkret auf die eigene Person bezogene Komplimente, da diese erfordern, dass der andere sich mit einem beschäftigt hat. Eine solche Auseinandersetzung mit anderen Personen kostet Zeit, etwas, das begrenzt ist und das man nicht kaufen kann, weshalb ich es sehr hoch schätze, wenn man einander Zeit widmet. Eine Packung Pralinen ist schnell gekauft und genauso schnell weggeputzt, ein angeregtes vierstündiges Gespräch bleib lange in Erinnerung.
Und nur diese Gespräche, die sich nicht allein aus Smalltalk über das Wetter zusammensetzen, ermöglichen es, wohlwollende Äußerungen zu Charakter, Intelligenz oder Humor eines anderen machen zu können statt an der Oberfläche des Offensichtlichen verharren zu müssen und plump zu sagen, wie gut unser Gegenüber doch aussähe.

Komplimente über das Äußere sind ein Thema für sich. Natürlich freut man sich, wenn andere das eigene Erscheinungsbild als angenehm oder gar schön empfinden, doch gleichzeitig sollten dann nicht allein positive Bemerkungen über das Äußere gemacht werde, da man dadurch schnell anderen das Gefühl geben könnte, sie darauf zu reduzieren. Und wer will denn bloß als Hülle wahrgenommen werden?

Muss man eigentlich alle Komplimente annehmen? Ist man verpflichtet, dem anderen im Gegenzug auch ein Kompliment zu machen, um nicht unhöflich zu sein?
Aussagen, die zwar rein objektiv positiv wertend gemeint sind, rein subjektiv in der Situation und der gegebenen Ausdrucksweise aber abwertend sind, ignoriere ich für gewöhnlich und gebe sie dementsprechend auch nicht zurück. Wenn Bauarbeiter weiblichen Wesen, die sich ausnahmsweise mal nicht im Kartoffelsack vor die Tür bewegen, hinterher pfeifen, sollten sie nicht erwarteten, dass jemand ihnen zurückgibt, sie sähen unglaublich heiß mit Latzhose und Helm aus.

Für ein angemessen formuliertes Kompliment würde ich mich immer bedanken, aber nicht jedem bedingungslos und postwendend ein Kompliment zurückgeben. Wenn ich selbst ein Kompliment äußere, meine ich das, was ich damit lobe auch so. Würde ich jedes Kompliment direkt erwidern, bestenfalls noch mit oberflächlichen oder heuchlerischen Standardphrasen, würde ich fürchten, dass meine positiven Bemerkungen an Wert verlören, da sie so großzügig verteilt würden. Komplimentinflation quasi.
Außerdem weckt eine Komplimentflut zumindest bei mir eine gewisse Skepsis, was der andere damit zu erreichen versucht. Ganz nach dem Motto "das macht der doch nicht ohne Hintergedanken".

Manchmal gibt es aber auch Personen, die man tatsächlich einer Sturzflut an Komplimenten würdig hält. In solchen Situationen bin ich mir nicht sicher, ob ich alle meine positiven Gedanken über diesen menschen äußern sollte, da ich fürchte jenes genanntes Misstrauen dadurch zu erwecken. Auch könnte derjenige nicht nur skeptisch, sondern auch verlegen reagieren und sich gezwungen fühlen, das ganze Lob zu erwidern. In solchen Fällen versuche ich die positiven Aspekte lieber Stück für Stück zu loben, um den anderen nicht völlig zu überrumpeln.

Manche Menschen angeln geradezu nach Komplimenten, indem sie zum Beispiel andere für etwas loben und sich gleichzeitig selbst im Kontrast dazu zurücksetzen, obwohl sie genau wissen, dass dies nicht der Wahrheit entspricht. Für gewöhnlich wird die gelobte Person sich daraufhin bedanken und anschließend darauf hinweisen, dass sein Gegenüber doch auch jene gepriesene Qualität aufweist.
Und genau diese Methode, sich selbst Komplimente zu erschleichen; andere fast dazu zu zwingen kann ich gar nicht leiden. Aus diesem Grund lasse ich mich auf dieses Spiel auch nicht ein, da ich es nicht einsehe, solche dreisten Erntetechniken auch noch zu unterstützen.

Weist derjenige, der ein Kompliment erhält, dieses mehrfach ab, kann dies aus Bescheidenheit geschehen oder auch nur eine Strategie sein, das Lob vehement wiederholt zu hören. Ich denke, dass nur wenige Menschen wirklich aus Bescheidenheit Komplimente zurückweisen; für viele ist es einfach nur wieder eine Strategie, eindringlicher gepriesen zu werden. Ja, das menschliche Selbstbewusstsein will gestreichelt werden, aber doch nicht um jeden Preis. Das Haschen nach Komplimenten empfinde ich selbst eher als unangemessen und peinlich.

Es gibt auch den Fall, in dem Komplimente nicht geäußert werden, um dem anderen aufrichtige Anerkennung und Bewunderung zu zeigen, sondern um denjenigen zu verletzen. Ein Beispiel dafür wäre es, jemanden erst für seinen Gesang häufig genug zu loben, dass derjenige überzeugt ist, gut singen zu können und sich in diesem Glauben später öffentlich blamiert. Eine wenig komplexe Illustration, doch genau das, was sicher vielen Teilnehmern von Castingshows widerfahren ist. Anders kann ich es mir zumindest nicht erklären, wieso sie sich bei all jenen bekannten Formaten bewerben würden.

Ich sehe Komplimente als eine hervorragende Möglichkeit, anderen seine Achtung und sein Wohlwollen zu zeigen. Es ist angenehm, von seinen Mitmenschen zu hören, dass man ihnen nicht gleich ist, sondern sogar von ihnen geschätzt wird. Kleine freundliche Gesten stärken zwischenmenschliche Beziehungen. Jedoch hängt die Rezeption eines solchen objektiv betrachtet positiven Kommentars stark von der Situation, dem Maß des Lobs und dem Anbringer dessen ab. Ist das Kompliment auffällig übertrieben, basiert vielleicht gar nicht auf der Wahrheit und ist auch noch oberflächlich, kann die erwünschte Reaktion - nämlich des anderen Sympathie zu gewinnen - schnell ins Gegenteil umschlagen.

Und auch wenn das Kompliment ernst gemeint und mit guter Absicht gemacht wird, kann es das Gespräch stocken lassen, weil dessen Empfänger verlegen ist und nicht weiß, wie er reagieren soll.

Mit Komplimenten ist es wie mit so vielen anderen Dingen im Leben: die Menge macht es. Sparsam eingesetzt und aufrichtig gemeint können sie das Selbstbewusstsein stärken und Sympathie schaffen, übertrieben verwendet führen sie zu dem gegenteiligen Effekt. Ein bedachter Umgang mit Komplimenten ist für deren positive Rezeption wichtig, man sollte nur Komplimente äußern, die man so formuliert auch selbst als passend und erstrebenswert empfände, die man so selbst gern hören würde. Es ist eine Gradwanderung.

Wahrscheinlich machen wir unseren Mitmenschen im Alltag zu wenig Komplimente, zeigen ihnen nur selten, wie wichtig sie uns sind. Freundschaften sind jedoch keine Selbstverständlichkeit. Allein schon deshalb lohnt es sich in meinen Augen, jemandem mit einem dezenten Kompliment Aufmerksamkeit und im Idealfall ein Lächeln zu schenken.

Und wenn das gelingt, ist man vielleicht auch selbst als Person, die das Kompliment äußert ein wenig glücklicher als zuvor.

Apfelkern



Sonntag, 27. Mai 2012

Sommer im Ohr

Dass es draußen wärmer wird, ist sicher keinem von euch entgangen. Dieses wärmer entspricht meiner Meinung nach momentan bereits einem zu warm, doch das ist nicht das Thema dieses Beitrags. Es geht nicht um den Sommer aus klimatischer, sondern aus musikalischer Sicht.

Lange habe ich überlegt, wie für mich der Sommer klingt. Sommer bedeutet für mich Tage am See mit ausgedehnten Nachtbäder, reife Früchte, Grillen, bis weit nach Mitternacht wach bleiben, die tägliche Flucht vor der Mittagshitze, abendliches Skaten, Sonnenbrand und Sommersprossen. Aber wie hört er sich an? Zirpende Grillen aber kein Lied.

Ich dachte an ein Konzert der Kings Of Leon, das ich im vergangenen Sommer besuchte. Es war ein Open Air Konzert, mein erstes unter freiem Himmel, um genau zu sein. Ein lauer Abend voller Musik und Bewegung. Dabei merkte ich, dass ich weder besonders viele Lieder der Band kenne noch ein wirklicher Fan von ihnen bin. Und doch genoss ich den Abend allein schon wegen der Stimmung, der sommerlichen Leichtigkeit. Gut erinnere ich mich an das Ende des Konzerts, bei dem wie so oft einer der größten Erfolge der Band gespielt wird. Bei den Kings Of Leon war das Sex On Fire. Wer den Titel nicht kenne, könnte gleich gehen, sagten sie. Ich kannte ihn als einen der wenigen an dem Tag gespielten Titel gut und wähle ich daher stellvertretend für dieses Konzert, das für mich reine Sommerstimmung verkörpert.

Kings Of Leon - Sex On Fire



Apfelkern

Freitag, 25. Mai 2012

Nimmt lieber den Duden!

Verspürte jemand gerade einen kalten Schauder und Grammatiksinnschmerzen beim Lesen der Überschrift?

Jeden Tag strömen Unmengen von Texten auf uns ein. Zeitung, Mails, Bücher, Werbung, Blogs, soziale Netzwerke und vielleicht auch mal etwas Handgeschriebenes. Manches liest man gern, anderes weniger und ganz unabhängig vom Inhalt gibt es eine Sache, die für mich den ganzen Text ruiniert: Rechtschreibfehler. Ein vergessenes Komma, ein Tippfehler, ein fehlendes Leerzeichen - von mir aus. Hat der Schreiber aber offensichtlich keinen Schimmer von Rechtschreibkenntnis, kann ich das Sprachzentrum meines Hirns weinen hören.

"Were es ein Problem für dich das mein Man ja sagt?", "Mort und Todschlag"", "Das ist so lächerlig!"

Vermurkste Konjunktive, Schwierigkeiten mit dass und das, kleingeschriebene Substantive - all das nervt. Fehler wie aus dem Rechtschreibheft der Grundschule. Selbst in Eile würde ich mir nicht die Blöße geben wollen, derartig viele Fehler zu machen.

Es zeugt meiner Meinung nach weniger von Schludrigkeit als von konkretem Unwissen über Orthografie und Grammatik, denn sonst würde es weh tun, solche Sätze zu schreiben. Und das Sprachgefühl bleibt verkümmert und stumm zurück. Die ganzen Regeln gibt es doch nicht zum Spaß und so kann allein eine Kommaverschiebung eine komplette Bedeutungsveränderung des Satzes bedeuten.

Oft weiß ich nicht, wie ich auf diese Fehler reagieren soll.
Liest man einen Blogpost mit einer auffälligen Häufung von Rechtschreibfehlern, bestünde die Möglichkeit, dessen Autor durch einen Kommentar darauf hinzuweisen. Nutzt man diese Option, könnte der Autor diesen ignorieren und löschen, sich über die konstruktive Kritik freuen und sich um Änderung bemühen oder verärgert sein von solchen Klugscheißern, die glauben alles besser zu wissen.
Mit dem Wissen über all diesen Varianten, die eintreten könnten, gilt es sich zu entscheiden.

Ein Hinweis auf die Rechtschreibproblematik würde wohl kaum etwas ändern, denn Grammatikkenntnisse erlernt man nicht von heute auf morgen. Also könnte man sich den Hinweis sparen und muss sich damit auch nicht unbeliebt machen. Doch wenn man keinen Anstoß gibt, wird nie eine Veränderung eintreten.
Was kümmert mich eigentlich die Rechtschreibung anderer? Wenn sie mich zu sehr stört, muss ich die fehlerreichen Texte nicht lesen, zumindest insofern es sich beispielsweise um Blogposts handelt. Ich kenne fast keinen Blogger dessen Seite ich verfolge persönlich und so könnte es mir auch aus der Hinsicht egal sein. Man kann ja nicht jeden retten.

Aber will ich denn einem Menschen verschweigen, dass seine Formulierungen das Sprachgefühl des Lesers foltert? Lieber würde ich es einer Person mit einem objektiven und hoffentlich konstruktivem Kommentar offenbaren, dass deren Rechtschreibung verbesserungswürdig ist, als dass es jemand macht, der dies weniger höflich angeht und denjenigen dafür vielleicht sogar verlacht. Der Ton macht die Musik und erhöht die Chance, dass jemand ihn ernst nimmt und sich um Verbesserung bemüht.

Apropos Mühe - teilweise habe ich sogar das Gefühl, einigen wäre die Rechtschreibung völlig gleichgültig. Das ist etwas, das ich überhaupt nicht nachvollziehen kann, denn schließlich sind selbstgeschriebene Texte eine Repräsentation der eigenen Person. Dabei möchte ich definitiv nicht, dass zuerst auffällt, dass ich von Orthografie und Grammatik wenig Ahnung habe und darüber schnell ein Rückschluss auf ein wahrscheinlich niedrigeres Bildungsniveau gezogen wird.

Natürlich kommt es immer auf die Situation an, in welchem Maße man auf seine Rechtschreibung achtet. Beim Schreiben einer Bewerbung, einer Gratulationskarte oder eben einem Blogpost würde ich die Rechtschreibung mehr im Auge behalten als beispielsweise in einem Chat, bei dem es darum geht, rasch seine Aussage niederzuschreiben und dabei auch einmal versehentlich Substantive klein geschrieben und Buchstaben vergessen werden können. Doch auch in einem Chat ist mir jeder Flüchtigkeitsfehler peinlich, da ich immer wieder daran denken muss, dass andere glauben könnten, ich wüsste es nicht besser und würde diesen Fehler permanent machen.

Ich halte es für sehr wichtig, einen hohen Wert auf die Rechtschreibung zu legen, denn Texte mit auffälligen Rechtschreibdefiziten, kann ich bei allen Bemühungen um Objektivität und reinen Fokus auf den Textinhalt nicht so ernst nehmen, wie bis auf Ausnahmen korrekt formulierte Texte. Man kann und will nicht jeden darauf hinweisen, dass er gehäuft Rechtschreibfehler begeht, doch bei Personen, die einem nicht komplett gleich sind, würde ich dies versuchen.

Apfelkern

Montag, 21. Mai 2012

An die Leine, Birne!

Mir ist aufgefallen, dass sich durch meine letzten Post ein dezenter Bildermangel zieht. Und um die Leser dadurch nicht zu sehr damit zu langweilen, dass es beim schnellen Scrollen immer nur Text zu sehen gibt, habe ich beschlossen, das ein wenig auszugleichen. Wie gut, dass ich kürzlich etwas zusammengewerkelt habe, das sich vorzeigen lässt.

Zum Geburtstag habe ich einer Freundin unter anderem einen Kettenanhänger gehäkelt, da ich solche selbstgemachten Geschenke als Zeichen, dass man sich nicht nur mit ein wenig Geld ins nächste Geschäft bewegt, sondern sich Zeit für ein besonderes persönliches Geschenk genommen hat, sehr schätze. Außerdem ist es bei Ideenlosigkeit bezüglich der Geschenke meiner Meinung nach die bessere Lösung, statt eines Gutscheins etwas selbst zusammenzubasteln.
Dass sich das Geburtstagskind (Jubilarin klingt in meinen Ohren schon zu sehr nach biblisch hohem Alter...) über dieses Geschenk gefreut hat, bestätigt diesen Gedanken für mich.

Zur Herstellung habe ich zuerst die hellgrüne Grundform gehäkelt, mit einem Kreis beginnend, langsam Maschen zunehmend und nach Überschreitung des breitesten Punktes wieder abnehmend. Das Zauberwort für Letztgenanntes, gelernt auf diversen sicherlich elitären Häkelblogs, lautet invisible decrease.
Bevor ich die entstandene Hohlform durch Zusammenziehen der Fäden abschloss, habe ich sie mit Watte ausgestopft. Die Blätter häkelte ich, indem ich ... ähm, vergessen. Rein theoretisch müsste ich entlang einer Reihe Luftmaschen einfach ganz normal entlanggehäkelt und dann langsam die Anzahl der Maschen reduziert haben. Während ich die Blätter arbeitete, war jedoch der Podcast, den ich dabei hörte, einfach spannender und daher ist die Erinnerung an die Herstellung der Blätter eingeschränkt. Momentan habe ich irgendwie das Gefühl, dass ich es mit Anleitungen wie dieser nicht zum großen Häkelguru bringe...

Wie auch immer: die Blätter habe ich an die Birnenform angenäht, eine Drahtschlaufe hindurchgezogen und aus Stabilitätsgründen im Boden der Birne verankert. Zuletzt habe ich das Band durch die Schlaufe gezogen und verknotet. Fertig.

Jetzt noch einmal das Werk in aller Pracht:


Da habt ihr die Bilder. Und ja, ich weiß, dass ihr mich jetzt anhand der Handlinien identifizieren werdet.

Apfelkern

Sonntag, 20. Mai 2012

Jung und optimistisch

Welches Lied verbinde ich mit meiner Jugend? Das fragt mich in dieser Woche das Projekt 52.

Die Frage empfinde ich als recht schwer zu beantworten, schließlich stecke ich ja noch mittendrin (jawoll!) in dieser Zeit. Im Nachhinein wäre eine Titelwahl sicher leichter, doch so lange will ja niemand warten. Also, unter welchen Titel will ich diese Zeit denn stellen?
Meine Erstassoziation war es, Wir werden alle sterben von Knorkator dafür zu wählen, denn seit ich  durch den Song auf einer Lesung von Mark Benecke im Alter von vielleicht 14 Jahren die Gruppe kennen gelernt habe, bin ich begeistert von Stumpen, Alf, Buzz Dee und Freunden. Jedoch erscheint mir die Wahl unter diesem Thema ein wenig makaber...

Also dachte ich über Alternativen nach. Die beste wäre Dani California von den Red Hot Chilipeppers, denn nachdem ich das Lied auf dem Mp3-Player einer Freundin entdeckt hatte, bat ich sie einige Monate lang jeden Tag, mir das Lied anhören zu dürfen und freute mich unglaublich, wenn es einmal im Radio lief. Den Text sang ich so wunderschön falsch mit, dass dieses Möchtegern-Englisch aus ähnlich klingenden Silben fast als Kunst gelten könnte.
Doch auch wenn ich das Lied noch immer sehr mag - meine Verbindung zu Knorkator ist wesentlich enger.

So war ich auch im letzten Jahr auf einem ihrer Konzerte, habe nach langem Zögern jetzt gerade spontan entschlossen, mir auch Karten für ihr diesjähriges Konzert zu besorgen. Auch wenn ich wahrscheinlich aufgrund mangelnder Knorkatorfandichte in meinem Freundeskreis allein hingehen muss - Stumpens Showeinlagen und ein wenig Schubsen sind es wert.

Die Lieder von Knorkator entlocken mir immer ein Grinsen, ihre Videos und Auftritte erst recht. Kürzlich sah ich einen bärtigen Mann im Knorkatorshirt - Anlass genug, ihm ein Lächeln zu schenken. Und da der Titel auch noch hervorragend zum angekündigten Weltuntergang am 21.12. passt, wähle ich den Titel Wir werden alle sterben als meinen Beitrag zu diesem Thema.



Apfelkern

Samstag, 19. Mai 2012

Odyssee zwischen Ladenzeilen

Abiturprüfungen überlebt und schon steht der nächste Grund zur Panik auf der Matte: der Abiball.
Der Abend aller Abende, ein unvergessliches Ereignis, der Höhepunkt deiner Jugend, du wirst deinen Enkeln noch davon erzählen - teilweise klingen die euphorischen Stimmen ja schon so, als stünde meine Hochzeit bevor. Ein Kleid, passende Schuhe, perfekt sitzende Frisur, Maniküre und Make-up. Habe ich nicht gerade noch gegen übertriebenes Styling bei Jugendweihen gestänkert? Gerade musste ich feststellen, dass ich beim Stylingmarathon Abiball dabei bin.

Gerüchten zufolge genießen Frauen das Einkaufen, Shopping ist angeblich eine ihrer liebsten Freizeitbeschäftigungen. Eine Aussage, die ich noch nie nachvollziehen konnte. Man streift lange durch die Läden, findet abgeschreckt von den neusten Trends in fünf Stunden drei Teile und macht sich danach frustriert, unterzuckert und dehydriert auf schmerzenden Füßen auf den Heimweg. Und wo war jetzt die Stelle, die mich daran begeistern sollte?
Mit dem Gedanken an meine übliche Shoppingbegeisterung im Hinterkopf graute es mir schon vor dem Kauf des Kleides für den Abiball. Schließlich werden Bilder davon noch ewig in den Familienalben kleben und Erinnerungen daran sollen gern wiederaufgewärmt werden. Und dazu gehört auch ein schönes Kleid.

Allein den Gedanken daran, ein Kleid für diesen Anlass kaufen zu müssen, erschreckte mich seit Jahren. Ich bin doch schon bei alltäglichen Kleidungsstücken ein komplizierter Kunde, der nicht jeden H&M-Trend mag und letztendlich immer wieder die Sachen, die er schon hat nur in neu sucht - wie sollte das dann erst mit einem Ballkleid werden?
Aber ich habe ja zum Glück noch Zeit, bis ich eines kaufen muss, dachte ich ... und irgendwann war es nun die Zeit, sich auf die Jagd nach dem Kleid zu begeben. Oh je.

Meine Vorstellung davon war wenig klar: keine Rüschen, Glitzer maximal dezent, irgendwas klassisches, als Farbe Rot, Blau, Grün, Violett oder Schwarz; eventuell auch eine Zwischenfarbe davon und vor allem etwas nicht zu pompöses, das man wieder einmal anziehen kann. Bloß kein langes Ballkleid.

Drei Stunden und gefühlte dreißig Geschäfte später war klar, dass man sich auf einen Kompromiss einlassen müsste, um fündig zu werden. Kurze sackartige Kleidchen, unvorteilhafte Oberteile auf schön geschnittenem Unterteil und anders herum, schöner Schnitt, wenig schmeichelnde Farbe und so viel mehr führten schließlich dazu, dass ich mich anders als geplant auch bei den bodenlangen Ballkleidern umsah. Ach, doch bei den Ballkleidern gelandet? 

Der nächste Probiermarathon folgte. Zu lang, zu glänzender Stoff, zu aufreizende Schnürung, trägerlos und rutschend ... es war ermüdend. Als ich schon völlig abgestumpft ein weiteres Kleid probierte, stellte ich fest, dass ich es bis ins letzte Detail mochte. Nein, dass ich das noch erleben durfte!
Es wurde gekauft, erleichtert, endlich eines gefunden zu haben. Völlig erschöpft und vom Schienenersatzverkehr zusätzlich gebeutelt wurde der Heimweg angetreten, froh, ein Kleid zu haben und bemüht zu verdrängen, dass allein schon der Schuhkauf die nächste Odyssee werden wird.
Egal, wenn ich beides erst einmal habe, kann ich es in dieser Kombination bei den Hochzeiten, Doktortitelverleihungen und Opernbesuchen, die in den nächsten Jahren anstehen, anziehen.

Man will sich nicht völlig verkleiden und gleichzeitig auch nicht zu wenig festlich angezogen erscheinen. Warum kommen wir nicht einfach alle in Jeans und Shirt? Das würde uns den Shoppinghorror zumindest ersparen. Ja ja, es nähme dem Anlass den festlichen Charakter.
Aber man kann seine Tage auch angenehmer verbringen als mit Einkäufen zwischen lärmenden und schubsenden Menschenmengen in grell ausgeleuchteten Läden.

Und warum sind dann Frauen angeblich so wild darauf? Wahrscheinlich ist das genauso ein Fehler in der Untersuchung wie der hohe Eisengehalt des Spinats. Eine bessere Erklärung dafür habe ich zumindest nicht.

Apfelkern



Freitag, 18. Mai 2012

Die Angst vorm Rufmord durch Schleifchen

Wofür bloggt man? Um Gedanken auszutauschen, Empfehlungen zu geben, von Dingen abzuraten, Anleitungen verbreiten, kostenlose Produkte abzusahnen, um andere Blogger kennen zu lernen - welchen Grund auch immer man hat, über Anerkennung und Lob für das, was man macht, wird sich der Blogger immer freuen. Diese erfreulichen Rückmeldungen erhält man oft durch die Kommentare, doch auch über Blogawards. Genau dieser Fall ist für mich schon vor einer Weile eingetreten. E.T. - nein, nicht der Außerirdische - hat mich mit dem Schleifchen Award geehrt.

Ich habe mich sehr gefreut, dass sie meinen Blog für einen Award würdig hält. Als ich jedoch ihrem Link auf ihren Blog folgte und dort feststellte, dass es sich bei dem Award um einen rosanen Schleifchen-Award handelte, war ich ein wenig erstaunt.
Das ist doch kein Beautyblog voller Rüschen und Glitter! Statt rosa Schleifchen würden doch viel besser Äxte, Dosentelephone und Bücher hierherpassen! Kurz spielte ich mit dem Gedanken, einen so kitschigen Award nicht anzunehmen. Ich und rosa Schleifen ... das passt ja ähnlich gut zusammen wie Fön und Badewanne oder Kalk und Salzsäure.

Aber nach einer akuten Phase der grollenden Gedanken über glitzrigen Kitsch, wurde mir klar, dass es hier nicht um den Charakter des Awards geht, sondern um den Fakt, dass mich jemand mit einem bedacht hat. Und dabei ist es egal, ob die Auszeichnung nun mit schweizer Bergblumen oder rosa Schleifchen verziert ist. Die inneren Werte sind doch bekanntlich das, worauf es ankommt.
Außerdem steht auf diesem Exemplar sogar, mein Blog wäre wundervoll. Worte, die das Bloggerherz höher schlagen lassen.

Ich bedanke mich noch einmal bei E.T. für den Award und dafür, dass ich dadurch gezwungen war, mich mit der eigenen Oberflächlichkeit auseinanderzusetzen.

Nun liegt es in der Natur eines Awards, dass er weitergegeben werden muss. Ich habe mich bei der Wahl der Awardempfänger doch ein wenig von dessen Farbe beeinflussen lassen...

Zuerst würde ich ihn gern an die sympathische Caro mit der roten Lippe weiterreichen. Für deine Mails, die mir immer ein Lächeln entlocken und natürlich das Treffen mit dem wilden Menschenfresser.

Nicht vergessen werden sollte Jules, Freundin des Nagellacks, der Ratten und der Sonne. Na gut, das mit der Sonne habe ich mir gerade ausgedacht. Aber mit rosa Schleifchen sollte sie zurecht kommen, denn sie mag ja auch rosa Nagellack, obwohl ich mich nicht konkret daran erinnern kann, dass sie welchen trug. Aber wer metallicbraunen Nagellack trägt, dem ist bekanntlich alles zuzutrauen.

Der quirlig-kreativen Julie würde ich auch gern diesen Award verleihen, weil ihre bunten Posts immer eine Aufmunterung sind und ihre Zeichnungen so unerträglich niedlich, dass man schon vom Ansehen einen Zuckerschock bekommt.

Ich hoffe sehr, dass ihr anders als ich beim Anblick des Awards nicht sofort von der Rosaphobie ergriffen werdet. Wäre ja auch albern, Angst vor einer Farbe zu haben.


Apfelkern

Dienstag, 15. Mai 2012

Einsame Herdentiere

Wir hocken aufeinander und kennen uns nicht. Hunderte Einwohner pro Quadratmeter und man weiß nicht einmal, wie genau die Nachbarn eigentlich heißen. Es grüßt kaum jemand, wir hetzen aneinander vorbei, die Uhr im Blick und das Handy in der Hand. Zu Hause erst einmal den Computer anschalten, Mails checken, lesen, was Bekannte und Freunde getan haben, kommentieren, selbst Meldungen verfassen, sich unterhalten lassen. Allein.

Ich habe das Gefühl, die Menschen in unserer Gesellschaft des Wohlstands waren selten so einsam, wie sie es heute sind. Einzelkinder, Alleinerziehende, ewige Junggesellen, Witwer.
Nicht einsam, weil niemand in der Nähe ist, sondern einsam, weil die geistige Vertrautheit fehlt. Wie viele Personen gibt es, denen ihr euch völlig anvertrauen würdet? Kennt ihr sie alle aus dem wirklichen Leben oder sind es Onlinekontakte?

Man braucht zum Überleben kaum noch persönlichen Kontakt, die moderne Kommunikation macht es möglich: Fernstudium, Pizzadienst, Amazon, eigenes Auto statt Fahrgemeinschaft, sogar der Beruf lässt sich aus der Öffentlichkeit ins Heimbüro verlegen. Das reduziert die Zeit, die man mit anderen verbringt stark. Weniger Berührungspunkte mit anderen bedeutet gleichzeitig natürlich auch, dass mit deutlich geringerer Wahrscheinlichkeit neue Bekanntschaften im Alltag entstehen. Und Bekannt- und Freundschaften zu pflegen fällt schon allein wegen Distanzen und Zeitmangel nicht immer leicht.

Wie gut, dass es Telephone gibt. Wie viel besser, dass es das Internet gibt.
Man liest Worte anderer, sieht ihre Videos und hört ihre Aufnahmen, kommentiert diese, kommt dadurch vielleicht in näheren Kontakt zu den aktiv mitteilenden Personen, wird eventuell angeregt,  selbst aktiv zu werden. Weitere Kontakte entstehen, man wird Teil von Gruppen und Netzwerke , kennt einzelne Mitglieder davon irgendwann vielleicht näher als oberflächlich, weil der Kontakt sich auf eine persönlichere Ebene verlagert.

Und doch sind beispielsweise meine Eltern überzeugt, dass das Internet isoliert und zur Vereinsamung führt.

Den Gedanken teile ich überhaupt nicht. Denn die Kontakte verlegen sich nur auf eine andere Plattform, entstehen so, dass man äußerlich nicht davon sieht. Zumindest vorerst sind diese Kontakte nach außen hin unsichtbar, bis sie die Ebene wechseln, man sich trifft. Morgen werde ich zum ersten Mal eine Bloggerin treffen, die ich auch durch genau diese Tätigkeit kennengelernt habe.
Ich bin gespannt, ob man sich auch offline genauso gut versteht wie online, doch warum sollte es denn nicht so sein? Das Internet verbindet viele, die ohne jenes nicht zusammengefunden hätten, was aber nicht daran liegen muss, dass sie grundverschiedene Charaktere haben, die inkompatibel sind. Man wagt sich direkt einfach nur nicht, jemanden direkt anzusprechen wohingegen ein Kommentar oder ein Tweet an eine interessant und sympathisch erscheinende Person schnell geschrieben sind. Der Wechsel in private Chats oder zum direkten Mailaustausch ist schnell vollzogen.
Eigentlich erleichtert das Internet uns damit die Kontaktaufnahme. Warum aber findet sich trotzdem so oft das deprimierende Forever-Alone-Gesicht?

Ich denke, es liegt an den verschiedenen Verhaltensweisen am PC. Nicht jeder ist aktiv, schreibt und tauscht Gedanken aus. Es gibt Nutzer, die den Computer hauptsächlich als Informationsquelle und Unterhaltungsmedium verwenden. Dass man bei Wikipedia, bloßem Ansehen von Videos und Offlinespielen keine Bekanntschaften schließt, ist aber kein Wunder. Man muss also zwischen konsumierenden Passivnutzern und produzierenden Aktivnutzern des Internets unterscheiden. Und bei letzteren würde ich eine starke Ausbildung von Kontakten und Verknüpfungen, die sich irgendwann auch ins Leben 1.0 verlagern könnten diagnostizieren wollen.

Selbst wenn man aktiv Texte schreibt, wird man nicht umgehend in ein Netzwerk von Personen eingebunden. Man denke nur an das Klischee des einsamen Bloggers, der täglich ellenlange Texte einstellt, die dennoch so gut wie nie gelesen oder kommentiert werden. Solche Bilder halten sich anscheinend hartnäckig in den Vorstellungen von Personen, die wenig netzaffin sind. Das würde auch die direkte Assoziation des Internets mit Einsamkeit erklären.

Aber ich verstehe auch die Bedenken, man könne im Internet keine Freundschaften knüpfen, weil man sich zu leicht anonym oder mit gefälschten Profilen darin bewegen kann. Wem soll man denn vertrauen? Wer weiß, wer sich hinter dem Bild eines niedlichen Kätzchens verbirgt.
Aber in der Realität ist es auch nicht viel anders: man kann sich auch dort sehr hinter einem bestimmten Äußeren verbergen, jedoch nicht so vollständig wie es online möglich ist.

Einsamkeit ist kein Nebeneffekt des Internets. Ich denke dabei an eine kürzlich gedruckte Zeitungsmeldung, die inzwischen mumifizierte Leiche einer vor dem Fernseher verstorbenen Rentnerin sei zufällig von einem Einbrecher gefunden worden. Fünf Jahre nach ihrem Tod; in Deutschland.
Die Miete war automatisch von ihrem Konto abgebucht worden, vermisst hatte sie anscheinend niemand. Es klingt wie ein Albtraum: man stirbt und wird von niemandem vermisst.

Viele alte Menschen sind allein. Auch meine Großeltern haben jeweils ihren Partner verloren, leben allein und freuen sich über jeden Besuch, jede Gesellschaft. Ein täglicher Besuch ist kaum möglich, da man schon mit der Bewältigung des eigenen Lebens gut ausgelastet ist, doch es wäre sicher häufiger ein Besuch möglich, als man ihn letztendlich durchführt. Es gibt so viele Aufgaben und Möglichkeiten auf die man seine Zeit verwendet, dass für solche Besuche, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, kaum Zeit bleibt.

Ist es eine Isolation aus Zeitmangel? Früher arbeiteten die Menschen weniger mit Maschinen zusammen als mit anderen Menschen, heute ist es nicht selten umgekehrt. In Zeiten ohne großartige Medienangebote waren Gesellschaft und Handarbeiten ideal, um den Abend zu verbringen. Der digitale Mensch dagegen sieht sich auf dem Höhepunkt der allabendlichen Geselligkeit den Tatort allein im Wohnzimmer sitzend an und twittert parallel dazu darüber.

Da kommt das Internet wieder ins Spiel: es verbindet doch, bietet zumindest das Potential dazu. Wie weit man das ausschöpft ist jedem selbst überlassen. Genau wie die Entscheidung, einfach mal wieder spontan analog jemanden kennenzulernen statt immer nur aneinander vorbeizulaufen und den Blicken anderer auszuweichen.

Einsamkeit ist nichts, was wir uns wirklich wünschen, denn tief in unserem Inneren sind wir doch Herdentiere. Einsamkeit ist auch nichts, wozu wir gezwungen sind. Es gibt mehr als genug Menschen auf dem Planeten, mit denen wir in Kontakt kommen können. An der Auswahl mangelt es nicht, eher an dem Mut, auf andere zuzugehen. Etwas, das ich gut nachvollziehen kann. Das Stichwort lautet Schüchternheit.
Aber man kann bei diesen Kontaktaufnahmeversuchen rückblickend nur gewinnen. Erfahrungen, ein gutes Gespräch, Bekanntschaften, im besten Fall Freundschaften. Und die anderen sind für gewöhnlich nicht weniger froh als man selbst, neue Bekanntschaften knüpfen zu können.

Apfelkern

Montag, 14. Mai 2012

Wer sucht, der findet ... Alternativen

Ich bin ja so ein Rebell, meinen Beitrag für das Projekt 52 einen Tag nach Ablauf der Woche des Themas "Instrumental" abzuliefern. Und das auch noch bei eine Thema, welches ich selbst vorgeschlagen hatte.
Vielleicht lag das ja auch an den Schwierigkeiten bei der Musikwahl. Als ich das Thema einbrachte, hatte ich im Hinterkopf, Bulletproof Cupid von Placebo dafür auszuwählen. Da ich diesen Titel aber schon für das Thema Gewitter zum Einsatz brachte, fiel der ursprüngliche Plan damit flach.

Eine Alternative fand sich aber unerwartet schnell in der Pianoversion des Stücks "Spiel mit dem Feuer" von Saltatio Mortis. Die Version mit Gesang ist wunderschön, mitreißend in Text und musikalischer Umsetzung. Während der Ostertage hörte ich das komplette dazugehörige Album in einer Endlosschleife, alle Titel empfinde ich als mehr als nur hörenswert. Das Album ist in meiner Erinnerung stark mit dem diesjährigen Frühling verknüpft, da ich es schon so oft gehört habe. Beim Spaziergang, beim Skaten, am Osterfeuer, nachts. Ich würde es inzwischen zu meinen Lieblingsalben zählen.

Das Pianostück zu "Spiel mit dem Feuer" ist alles andere als eintönig, selbst wenn man mental nicht den in der anderen Version vorhandenen Text mitsprechen könnte. Meine Wahl für das Thema Instrumental.

Und jetzt kommt das Problem: die Pianoversion ist in voller Länge mit meinen Suchfähigkeiten nicht zu entdecken. YouTube hat sie nicht (war ja fast zu erwarten...), die anderen üblichen Videoportale auch nicht, Grooveshark hat die GEMA und die Betriebskosten gesegnet und mit Links zu dubiosen Seiten möchte ich auch nicht unbedingt aufwarten.
Nun könnte ich meine Wahl überdenken und mir einen Titel suchen, der ein Instrumental UND verfügbar ist. Aber nein. Ich möchte meine Begeisterung für dieses Instrumental teilen, selbst wenn ich es euch nur als Ausschnitt zum Reinhören verlinken kann.

Auf der Seite des Metal Labels Nuclear Blast kann man die einzelnen Tracks des Albums kurz probehören. Spiel mit dem Feuer in der Pianoversion ist hier weiter unten auf der Seite unter der Überschrift "CD 2" zu finden.

Entgegen der Bedingungen, die das Thema "Instrumental" stellt, bette ich euch hier noch die Version des Songs mit Gesang ein, damit ihr euch wenigstens an einem kompletten Titel erfreuen könnt.



Hach, ich würde die Gruppe gern live sehen.

Apfelkern

Freitag, 11. Mai 2012

Puderzuckerwolken

Gerade noch kleiner Hosenscheißer, dem man permanent hinterherputzt, dann Dreikäsehoch, niedlicher Fratz, Grundschüler und plötzlich steht die Jugendweihe vor der Tür. Die Zeit vergeht schnell.
Und da waren dann die Einladungen für die Jugendweihe. 

Vor einer Woche traf sich die Verwandtschaft an der Festhalle, ausgehfein im Anzug mit Krawatte oder Feinstrumpfhose. Kaum am Zielort angekommen, überfiel mich die Überzeugung am falschen Ort zu sein: Mädchen in quietschbunten Cocktailkleidern, die weder das Knie noch die Hälfte des Oberschenkel bedeckten, Jungs in Anzug mit Krawatte oder Jeans zu Sakko und Goldkettchen, pompöse Frisuren, bei denen von hochgesteckten aufgeplusterten Lockenballen über sich herabringelnde Schweineschwanzlöckchen bis blütenverzierten Pagenköpfen mit glitzrigem Haarreif alles dabei war, ein Make-Up, das sich vom Wort dezent gekonnt zu distanzieren wusste und Schuhe mit einer Absatzhöhe, mit denen man beinahe den Himalaya hätte überragen können.
Hä - und wo ist hier die Jugendweihe?

 Ich sah nur aufgebretzelte junge Menschen, die eher so aussahen, als wären sie auf dem Weg in einen Club. Jedenfalls lag es außerhalb meiner Vorstellungskraft, dass Eltern ihre Kinder so durchgestylt und aufgemotzt zu deren Jugendweihe gehen lassen würden.
Spätestens während der Feierstunde als all die sorgfältig gerüschten und geföhnten Jugendlichen auf die Bühne gerufen wurden war es sicher, dass sie nicht nur zufällige Gäste in unpassendem Outfit waren.
Ich dachte an meine eigene Jugendweihe vor mittlerweile fünf Jahren. Damals war die Kleidung mehr als deutlich weniger hochgestochen gewesen, die drei oder vier Mädchen, die so auffällig aufgeputzt waren wie die weiblichen Jugendweiheteilnehmer es in diesem Jahr waren, wurden als eitel und übertrieben gekleidet beäugt, die Mehrheit beschränkte sich auf Rock und Bluse oder einen Hosenanzug, die Jungs machten keine Anstalten, im Anzug zu erscheinen sondern hielten Jeans und Hemd für völlig ausreichend.

Im Gespräch mit befreundeten Familien kristallisierte sich die Ansicht heraus, dass es völlig angemessen wäre, dem 13- oder 14- jährigen Sprössling für diesen Tag Kosmetikbesuch, Maniküre, Pediküre, einen Friseurbesuch, ein pompöses Kleid und professionelles Make-up zu gönnen. Mir kam der Gedanke, das ich anlässlich der Jugendweihe zum ersten Mal beim Friseur die Haare geschnitten bekam statt mich nur auf Muttis eingeschränkte Frisierkünste verlassen zu müssen.
Muss ich diesen Schock als Anzeichen dafür nehmen, dass ich alt werde? Ist das heute völlig normal, sein Kind wie einen kleinen Prinz und eine kleine Prinzessin zu hofieren?

Es waren ja nicht nur die High Heels, in denen wenn ich überhaupt darin stehen können würde ich wohl keine zehn Meter unfallfrei zurücklegen könnte, die mich in Erstaunen versetzten, den gleichen Effekt hatten auch die Ausmaße der Geschenke. Mal einfach so ein iPhone, weil das drei Monate vorher bekommene Smartphone ja nur von Samsung war, zweitausend Euro hier und dreitausend Euro da, ein Moped, falls man irgendwann mal einen Führerschein machen würde....
Ich dachte, ich wäre im falschen Film. Da hatte ich mich über dreihundert Euro, ein paar Bücher und eine Silberkette gefreut, während nun kleine Vermögen verschenkt wurden. Ist das die Inflation oder wie kann ich mir das erklären?
Millionenschwer ist jedenfalls keine der befreundeten Familien, deren Geschenkeflut ich miterleben konnte. Feiern mit weniger als zwanzig Gästen galten als klein und wenig gewinnbringend (Merke: jeder Gast = mindestens 50€), Einnahmen unter tausend Euro als enttäuschend.

Welches Interesse hätte ich als Mutter daran, meinem Kind ein so verschobenes Weltbild zu vermitteln? Ich halte es nicht für sinnvoll und normal, seine Wertschätzung derart zu ruinieren. Es muss ja nicht unbedingt in diesem Alter mit Geldwerten umgehen, die sich besser mit dem Wert von MacBooks als in dem von Alben beschreiben lassen. Lebensfremde verwöhnte Lieblinge, Püppchen, die erwarten, dass ihnen alles geschenkt wird, sind einfach nicht das, was ich für eine Bereicherung der Gesellschaft halte.

Vielleicht bin ich ja nur neidisch. Und doch frage ich mich, ob der aufwendige Putz und die Geschenkeberge den Tag wirklich zu einem besseren machen. Was soll man denn dann erst zu seiner Hochzeit anstellen, wenn jetzt schon von Maniküre bis hin zu Blumenlieferdienst und Catering alle Register gezogen wurden? Ich halte es für übertrieben, maßlos.

Überreagiere ich? Sind das verschrobene Wertvorstellungen, die das letzte Update der Gegenwart verpasst haben?

Vorerst bin ich froh, dass diese amerikanischen Sweet-Sixteen-Partys sich bei uns noch nicht durchgesetzt haben. Man braucht ja nicht noch mehr Anlässe, seinen Kindern bis zum Zuckerschock Puderzucker in den Allerwertesten zu blasen.
Meiner Meinung nach brauchen Kinder Liebe, Geborgenheit, Aufmerksamkeit und Freunde statt dem dritten Smartphone und Designerkleidung. Die wertvollsten Dinge sind die, welche man weder kaufen noch umtauschen kann.

Apfelkern

Mittwoch, 9. Mai 2012

Nachtaktiv und eingeschlafen

Aufregung, Herzklopfen im Vorfeld, dann im gefürchteten Moment das Gefühl der Taubheit, die Zeitlupenwahrnehmung. Ich war aufgeregt, mir war vor Nervosität schlecht und ich habe die mündliche Prüfung überlebt; einfach so. Im Nachhinein ist man immer schlauer und weiß nun natürlich, dass die ganze Aufregung umsonst und die Anforderungen überbewertet sind. Ich bin trotzdem recht froh, diesen Punkt nun abhaken zu können.

Danach wurde die bleischwere innere Ruhe sofort durch einen Adrenalinstoß weggespült. Erleichterung und Glücksgefühle sofort. Endlich kann ich wieder zu einem nichtprüfungsbezogenen Buch greifen, ohne ein schlechtes Gewissen eigentlich lernen zu müssen zu haben.

Die Liste der Dinge, die man machen will, ist gefühlt endlos. Lektüre, Filme, Freunde, Familie, Zukunft, Blogs, Podcasts hören, Handarbeiten, Aufräumen, Schlaf, Leben - alles wurde auf die Zeit nach den Prüfungen verschoben. Die ist jetzt.
Und obwohl ich jeden Tag 24 Stunden zur Verfügung habe, bemerke ich immer wieder, wie schnell die Zeit vergeht. Weil das Aufräumen länger dauert, man sich vor Filme mit Überlänge setzt, die Gespräche mit Freunden in stundenlange Redeorgien ausarten oder das tausendseitige Buch sich auch nicht von allein liest. Nicht vergessen darf man auch die Zeit für das Essen, Hygiene und Schlafen. Und schon sind vierundzwanzig Stunden wieder weg.

Eigentlich erwartet man, dass die Zeit schneller vergeht wenn man unter Stress steht, doch Freizeit vergeht mindestens genauso schnell. Mindestens, wenn nicht noch schneller.
Ich habe das Gefühl, nachts produktiver zu sein als am Tag. Vielleicht kommt der Gedanke daher, dass mich zu der Zeit niemand mehr in meiner Tätigkeit unterbricht, da viele bereits schlafen. Möglicherweise entsteht diese Wahrnehmung auch nur, weil die anderen schlafen, während ich noch aktiv bin. Als würde man Zeit gewinnen, die andere einfach verschlafen.
Nachts habe ich das Gefühl, am kreativsten zu sein.
Und um diese Phase ausnutzen zu können, bleibe ich natürlich auch länger wach. Zu Beginn kommt man sich noch ein wenig sonderbar vor, wenn um zehn Uhr abends Ruhe im Haus einkehrt, man selbst aber gerade die höchste Aktivitätsphase erreicht, doch man gewöhnt sich daran.
Wie heißt es so schön? Es gibt die Eulen und die Lerchen - die späten und die frühen Vögel. Da wundert es mich wenig, dass die Eulen momentan so hochgejubelt und beliebt sind. Schließlich stehen sie für die schönste Zeit des Tages.

Doch selbst wenn ich bis halb zwei wach war, verschlafe ich ungern den kompletten Vormittag. Es gibt mir das Gefühl, etwas zu verpassen, mich selbst abzukapseln. Das Tageslicht und Gesellschaft sind eben doch etwas, das ich schätze.
So bin ich inzwischen dazu übergegangen, spät schlafen zu gehen und dennoch um acht oder halb neun das Bett wieder zu verlassen. Dauerhaft, nicht nur für einen Toilettengang. Fünf oder sechs Stunden Schlaf scheinen gewöhnlich auch zu reichen.
Und dennoch gibt es da Tage, an denen es nicht reicht: müde tippt und liest man, bemerkt kaum noch die eigene Tätigkeit. Eine Sekunde der Unachtsamkeit und die Augenlider fallen herab, man verfällt in einen Standby-Zustand des körperlichen Verharrens und des geistigen Aufbegehrend gegen die lähmende Müdigkeit. Man kämpft gegen den Schlaf genauso an wie gegen den Hinweis der Vernunft, nun endlich mal die Augen zu öffnen und weiterzumachen oder auch einfach ins Bett zu gehen. Die Lider flattern im letzten Widerstand gegen den Schlaf.
So entschied ich mich gestern, doch vor um eins ins Bett zu gehen. Luschig.
Hätte ich weiter an diesem Post getippt, wäre er genau wie ich gedanklich immer weiter abgedriftet. Obwohl das bei den anderen im Halbschlaf beendeten Beiträgen auch anscheinend noch keinem aufgefallen ist...

Nachts erscheint mir alles viel intensiver, man ist weniger abgelenkt von seiner Umgebung und kann sich besser auf etwas fokussieren.
Bevor ich gestern so früh vor der Müdigkeit kapitulierte, war ich skaten. Eigentlich wollte ich die letzte Abendsonne dabei genießen, wie in schlechten Kitschfilmen dem Sonnenuntergang auf den Rollen entgegengleiten, doch dafür fuhr ich schon etwas zu spät los. Es wurde ein Skaten in der Dämmerung, der frühen Nacht. Ich war allein auf dem glatten Asphaltweg zwischen Wiesen und Bäumen entlang einem Stückchen Heide. Der Himmel hatte schon das Grau der Dämmerung angenommen und sich doch noch einen Schimmer der orangen Abendsonne bewahrt, es war angenehm warm ohne zu heiß zu sein. Die Vögel zwitscherten aufgeregt als wäre es helllichter Tag. Von anderen Menschen war auf dem Weg nichts zu sehen, es war wohl schon zu spät für die meisten von ihnen, doch die Tiere waren noch wach. Sie schienen genau wie ich recht nachtaktiv zu sein.
Ich bildete mir ein, Grillen zirpen zu hören. Insekten tanzten über dem aufgeheizten Weg. Ein Gefühl, als wäre es mitten im Sommer. Vielleicht ist es in der Savanne genauso, die Savannen meiner Vorstellung sehen jedenfalls so aus. Nur statt Asphaltweg gibt es Sandwege und Wasserlöcher mit wilden Tieren.
 Lauer Abendwind und grüne Blätter, die von diesem bewegt mir zuwinkten. In der Geschwindigkeit des Skatens verschwamm alles zu einem sommerlichen Wirbel. Laternen gibt es nur in großen Abständen entlang des Weges, aber da das Licht uns inzwischen schon so viele Stunden erhalten bleibt, waren sie auch nicht wirklich nötig. Die gelegentlich auftauchenden Pfosten auf dem Weg erkannte ich auch so noch rechtzeitig. Das Licht hätte auch die Abendstimmung ruiniert.
Aus dem Geschwindigkeitsrausch, den Erlebnissen des Tages, dem Ambiente und den leisen, unterschwelligen Pianoklängen aus den Kopfhörern formte sich eine Abendeuphorie, ein Gefühl des Lächelns. Am Tage wäre es nicht so schön gewesen. Schon allein die erstaunte Verzückung, wenn die dunkle Laterne plötzlich angeht, sobald man unter ihr durchfährt, würde fehlen.

Momente in denen man sich wünscht, nicht schlafen zu müssen, um den gesamten Tag nutzen zu können. Und doch ist Schlaf auch etwas angenehmes, allein schon wegen der Wärme des Bettes und den wirren Träumen. Trotzdem bin ich entschlossen, ihn heute länger auf mich warten zu lassen.

Apfelkern



Sonntag, 6. Mai 2012

Musik to go

Ja, ich komme momentan zu nix. Kein Blogpost und Kommentare nur sehr spärlich. Meine mündliche Abiturprüfung steht bevor und ich bin nervöser als vor jeder schriftlichen Prüfung. Wenn ich wollte, könnte ich spontan in Panik verfallen. Mache ich aber nicht. Dachte ich. Hoffe ich.

Dennoch will ich nicht meinen Beitrag zu Konnas musikalischem Projekt 52 auslassen. Immerhin habe ich die letzten 43 Themen nicht ausnahmslos bearbeitet, um jetzt die Kette zu unterbrechen. So nicht, Freunde.

Ich habe mir nicht lange Gedanken zum aktuellen Thema Bus- und Zugfahrt gemacht. Zuerst kam mir der Gedanke, das schottische Lied "Loch Lomond" zu wählen, doch die Interpretationen, die ich fand hatten einfach nicht den Charme der von meiner Mutter enthusiastisch und schief gesungenen Version, die ich in Erinnerung hatte. Dabei hat sie uns damit während der Autofahrten des Urlaubs in Schottland damit so viel Freude bereitet.

Im Zug nutze ich die Zeit gern zum Lesen. Musikalisch würde ich daher etwas ruhiges, sanft dahinfließendes bevorzugen, um es im Hintergrund hören zu können, ohne dabei das Lesen zu stören. So entschied ich mich für das Pianostück, das gefühlt jeder zweite als sein liebstes Pianostück nennt und es mir dadurch langsam fast pseudointelligent erscheint, sich auch dazu zu bekennen. Aber ich mochte es natürlich sowieso schon vor allen anderen.


Comptine d'un autre été von Yann Tiersen. Was auch immer die französischen Worte bedeuten - ich mag das Lied sehr.

Und nun zurück zur Panik.

Apfelkern

Donnerstag, 3. Mai 2012

Außenwirkung

Man ist sein gesamtes Leben mit sich selbst zusammen, keine Sekunde erlebt man ohne die eigene Anwesenheit. Wie auch. Schon allein durch diese Tatsache sollte man sich selbst in- und auswendig kennen, doch oft habe ich das Gefühl, dass es nur scheinbar so ist.

Ich kenne meine Gedanken, meine Schwächen und Fehler, meine Vorteile und Schokoladenseiten, meine  Wünsche und Ängste gut. Genauso weiß ich, wie die Farbe meiner Augen im Licht aussieht, wie meine Stimme klingt, wie ich lache und wie ich unbewusst manchmal die Nase runzle, um die Brille hochzuschieben.
Und trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass man sich selbst anders wahrnimmt, als man von anderen wahrgenommen wird.

Es fängt schon bei der Stimme an. Man hört sich selbst beim Sprechen ganz anders, als es von der Umgebung wahrgenommen wird. Spätestens bei Aufnahmen der eigenen Stimme wird man mit der Realität konfrontiert und über deren ungewohnten Klang staunen.
Da verbringt man Jahre mit seiner Stimme nur um dann festzustellen, dass sie sich in Wirklichkeit ganz anders anhört.
Üblicherweise gelangt unsere Stimme vom Kehlkopf über den Schädelknochen an unser Trommelfell und genau diesen Klang sind wir gewohnt. Bei einer Aufnahme nimmt die Stimme einen anderen Weg und erreicht über die Luft das Trommelfell, was zu dem anderen Klang führt. Und zu Verwirrung.
Die Stimme, die aus dem Lautsprecher kommt klingt fremd und ist die doch eigene. Daran hat das Hirn zu knabbern.

Sehe ich Videoaufnahmen von mir, bin ich auch immer wieder erstaunt, wie ich mich bewege. Wem fällt die eigene typische Gestik schon auf, wenn man sie doch unbewusst einsetzt? Woher soll ich denn wissen, wie ich aussehe, wenn ich renne? Für gewöhnlich filmt man sich nicht dabei, um die eigenen Bewegungen observieren zu können.
Ich könnte viele typische Bewegungen von Freunden und Familie beschreiben, doch die eigenen nicht. Man beobachtet ständig andere und sieht sich selbst vielleicht vier mal täglich im Spiegel, was vergleichsweise wenig ist. Lange Selbstbetrachtungen sind merkwürdig, nach einigen Minuten stehe ich meist kurz davor, meinen Augen ein Ey, was glotzt ihr so? an den Kopf zu werfen. Na ja, an den metaphorischen Kopf. Je länger man etwas ansieht, desto seltsamer wird dieser Anblick. Man zerlegt das Bild mental in kleine Teile, sieht etwas anderes als das eigentliche Objekt oder zumindest das, als was es bei einem flüchtigen Blick erscheinen würde. Genauso zerfällt auch der Sinn eines Wortes, wenn man es oft genug wiederholt.

Schon allein der Fakt, dass man sich im Spiegel immer seitenverkehrt sieht und so der Scheitel auf Bildern immer anders aussieht als man es selbst gewohnt ist, verwirrt. Teilweise komme ich mir wie ein Fremder vor, wenn ich mich auf Bildern oder in Videos betrachte.
Sagt man nicht immer, man würde sich selbst am Besten kennen?

Innerlich mag das zutreffen, denn das Innere ist allein der eigenen Person permanent zugänglich während man es mit anderen nur selektiv teilt. Das Äußere aber ist dauerhaft sichtbar für alle außer denjenigen, der darin steckt.
Manchmal denke ich, der Körper ist ein wenig wie ein UFO. Man steckt in einem Raumschiff, das man nur kurz und in verzerrter Form zu Gesicht bekommt und navigiert darin durch eine fremde Umgebung auf der Suche nach einem sicheren Landeplatz. Ja, selten so ein sinnfreies Bild ausgemalt aber ich musste den Gedanken äußern.

Der Gedanke, dass die Menschen früher oft ohne Möglichkeit waren, das eigene Erscheinungsbild zu betrachten, fasziniert mich. Ganz nach dem Motto "Ich sehe was, was du nicht siehst" wusste man, wie andere aussahen, hätte sich selbst der eigenen Spiegelung im Wasser nicht zuordnen können. Würde man sich anders verhalten, wenn man nicht wüsste, wie man aussieht?
Ich vermute sogar, dass man sich einfach gar keine Gedanken darüber machen würde, weil man mit der Problematik gar nicht konfrontiert würde. Wenn kein Fokus auf dem Äußeren liegt, sorgt man sich auch nicht darum. Man würde vielleicht denken, dass man genau wie die anderen aussehen muss. Warum auch nicht.

Heute beschäftigen wir uns ausgiebig mit unserem Äußeren, studieren unsere Wirkung auf andere. Natürlich gab es das schon in den letzten Jahrhunderten, doch ich bezweifle, dass es in diesem Ausmaß stattfand. Ich bin immer wieder beeindruckt von der Masse der Zeitschriften, Sendungen und Websites mit dem Thema der Schönheit. Die Frisur, die Kleidung, das Make-Up, die Figur selbst - alles wollen wir kontrollieren, nach vorgegebenen Maßstäben gestalten. Was versprechen wir uns davon?
Akzeptanz, nehme ich an, denn das wäre ein offensichtliches Vorteil, wenn man sie allein durch seine Erscheinung erzielen könnte.

Je mehr wir uns mit unserem Erscheinungsbild auseinandersetzen und es bewusst verändern, umso kontrollierter wird es. Die Gestik verliert an Natürlichkeit, das Haar wird nicht gedankenverloren gezwirbelt, sondern bewusst über die Schulter geworfen. Klingt nicht schlecht, wir ersparen uns damit vielleicht peinliche Kleinigkeiten (wenn man so konzentriert in die Leere starrt, dass andere denken, man sei ins Koma gefallen...), doch ginge damit nicht auch ein Verlust des natürlichen Charmes einher?

Mit dem Ordnen des Inneren ist man nicht selten auch schon beschäftigt. Manchmal reagiere ich in einer Weise, die ich nicht von mir erwartet hätte. Neue Gedanken und Wünsche entwickeln sich, die ich nicht in meinem Kopf zu finden gedacht hätte.
Man verändert sich sein ganzes Leben lang innerlich, reift, wächst. Und alles, was die meisten sehen, ist die Veränderung des Äußeren. Es gibt Faltencreme für die Krähenfüße, doch was ist mit dem Rest? Von Seelenbalsam habe ich nur in metaphorischem Sinn gehört.

Wir sind so fixiert auf das Äußere. Es ist natürlich nicht unwichtig, ist es doch auch Zeichen des Gesundheitsstandes des Individuums und schon allein deshalb ein wichtiges Signal an unsere Umwelt und instinktiv auch ein Wahlkriterium bei der Suche von Freunden und Partner, doch es lenkt auch vom Inneren ab.
Man darf sich geschmeichelt fühlen, wenn man Komplimente für sein Äußeres erhält und nicht anders ergeht es mir, wenn man mir ein solches in angemessener Form gemacht wird. Die Freude über ein Kompliment zu meiner Persönlichkeit aber ist unendlich größer. Es zeigt mir, dass sich jemand wirklich Gedanken gemacht hat, sich mit mir auseinandergesetzt hat.
Lobende Worte über das Gesicht des anderen sind schnell gefunden, das Innere des anderen muss man erst erkennen, um es loben zu können. Der Reiz, unter die Oberfläche eines Menschen zu sehen ist für mich auch größer als diese nur anzustarren. Durch reines äußeres Betrachten kann man sich nie blind vertrauen, sondern könnte viel mehr erschreckt werden, wenn eine Welle aus dem Gefäß schwappt und sich zeigt, was darin ist.

Will man denn allein aufgrund der äußere Erscheinung in eine Gruppe integriert werden? Hält das eigene Äußere andere davon ab, wünscht man sich logischerweise das Gegenteil, was ich für ganz normal halte. Verschrecken möchte man natürlich nicht. Mir käme aber auch der Gedanke, dass in zu Gruppen, die mich nur rein oberflächlich betrachten, nicht dazugehören wollen würde.
Schließlich sind wir mehr als eine Hülle, mehr als die Summe des Ganzen. Die Hülle ist im optimalen Fall Anregung, sich mit ihrem Inhalt zu beschäftigen. Das Auge soll das Tor zur Seele sein. Leider bemerkt man es nicht, wenn man bloß auf seine Schönheit achtet.
Es klingt, als würde mir ein schönes Äußeres missfallen. Das ist falsch, denn allein der Urmensch in uns allen achtet sehr darauf, doch natürlich fühlt sich auch der Sinn für Ästhetik von einem schönen Körper angesprochen. Nur sollte es noch mehr geben, dass einen anspricht es sei denn man interessiert sich ausschließlich für schmückendes Beiwerk.

Es kostet mich ein wenig Überwindung, jemandem an dessen Persönlichkeit und Freundschaft ich interessiert bin, Komplimente zu seinem Äußeren zu machen. Ich möchte demjenigen nicht das Gefühl geben, ihn auf seine Hülle zu reduzieren.
Gleichzeitig fühle ich mich unfreundlich, kein Lob zu äußern, dass sich mental bereits geformt hat. Es dauert eine Weile, bis ich diese Komplimente herauslasse. Ich will den anderen nicht verschrecken und mache es vielleicht genau durch dieses Zurückhalten der Worte. Dabei möchte ich doch nur ausrücken, dass die Hülle nicht mein Hauptinteresse ist.

Körper und Geist bilden eine Einheit, beeinflussen sich gegenseitig in ihrem Wohlergehen.
Dennoch sind sie grundverschieden. Planung und Umsetzung, Phantasie und Realität, greifbar und flüchtig. Der eine degeneriert im Laufe des Lebens nach Erreichen eines Höhepunktes und der andere wächst und blüht weiter.
Man kann Körper und Geist eigentlich nicht trennen und doch versuchen wir es. Models beispielsweise werden rein auf das Äußere reduziert beurteilt. Ich würde mich schon allein deshalb nicht in diese Position begeben wollen, weil ich Angst hätte, aus dieser Position nicht mehr herauszukommen.
Autoren haben das Glück, mit ihren wortgewordenen Gedanken zuerst auf geistiger Ebene überzeugen zu können und nicht nach dem ersten Blick beurteilt zu werden. Gegen die Einschätzung des Äußeren, der Statur, Mimik und Gestik können wir uns nicht wehren, wir nehmen sie instinktiv vor und das ist für eine erste Einschätzung auch gut so.

Wir sollten sie aber nicht zu hoch bewerten, weitere Bewertungsschwerpunkte setzen. Schließlich wählen wir auch unser Müsli nicht nur nach der Schönheit seiner Verpackung aus oder ärgern uns bald über ungenießbare pappige Kornflocken.

Apfelkern