Freitag, 27. April 2012

Redeflüsse im Land der Stille

Mit manchen Menschen kann man stundenlang reden. Einmal angefangen fliegt die Zeit durch den regen Austausch beschleunigt nur so dahin und man muss plötzlich feststellen, dass schon drei Stunden vergangen sind.
Die Themen finden sich wie von selbst. Man freut sich und fachsimpelt über Gemeinsamkeiten oder diskutiert auch über Unterschiede und so rutscht man von einer Thematik zur nächsten und fragt sich Löcher in den Bauch.  Für manche Menschen empfindet man einfach Sympathie und fühlt sich mit ihnen verbunden.

Mit anderen tappt man von einer peinlichen Stille zur nächsten. Die Zweisamkeit wird unangenehm, wenn man bemerkt, dass man sich der aufkommenden Stille nicht erwehren kann. Jeder Gesprächsansatz fühlt sich künstlich und verkrampft an. Es sind reine Höflichkeitsgespräche, die nur zur Vermeidung der Stille dienen.
Es ist offensichtlich. dass man höchstens eine Zweckgemeinschaft bildet, man redet mit dem Ziel eine Aufgabe zu bewältigen. Mit Elan geht man die anstehende Aufgabe an, denn umso schneller man es schafft, desto eher ist man den anderen los.

Warum stockt das Gespräch nur immer?
Weil man den anderen als unsympathisch empfindet, weil der andere einem allein durch seine Anwesenheit  eine eigene Schwäche vor Augen hält und man das möglichst wenig wahrnehmen möchte, weil der andere nicht dem eigenen Bildungsniveau entspricht, weil sich die Interessen bis auf das berufliche Anliegen nicht überschneiden oder weil man in direkter Konkurrenz steht.

Ich weiß die Stille sehr zu schätzen. Sie bietet Raum, unbeeinflusst von der Umgebung nachzudenken, sich seiner selbst bewusst zu sein. Stille ist etwas fragiles, intimes. Ein plötzliches Geräusch durchbricht alles, bringt die Balance aus dem Gleichgewicht. Stille ist nur schön, wenn sie nicht bedrohlich ist.
Sitzt einem jemand gegenüber, dessen Blick die eigenen Augen durch die Stille unangenehm fixiert, möchte man der Situation entweichen. Ganz natürlich.

Man sollte meinen, mit allen zumindest Smalltalk betreiben zu können, doch einige Personen sind mir bisher allein von ihrer Art zu sprechen und sich zu verhalten so unangenehm gewesen, dass ich selbst das vermeiden wollen würde. Über einen reinen Informationsaustausch wird es in diesem Fall nicht hinausgehen. Mit manchen Menschen will ich mich gar nicht unterhalten, wenn ich schon vorher weiß, dass sie diskussionsunfähig auf ihrer Position verharren und sich in die Festung der Ignoranz zurückziehen werden.

Es ist wunderbar, mit einem Menschen reden zu können und sich dabei ganz fallen zu lassen, sich zu öffnen. Jemand, dem man vertraut als Gesprächspartner zu haben ist unglaublich wertvoll. Man teilt Gedanken, Freude, Hoffnung, Sorgen und Ideen - geteiltes Leid ist halbes Leid und geteiltes Glück ist doppeltes Glück: wie praktisch.
Ich habe festgestellt, dass Menschen, die bezüglich ihrer Persönlichkeit geradezu konträr zu der meinen sind, interessante Gesprächspartner sind. Gerade weil man verschiedene Ansichten hat, lohnt sich ein Austausch. Neue Perspektiven sind oft erfrischend.
Nicht lange ist es her, dass ich bemerkte, wie gut ich mich mit jemandem unterhalten kann, den ich seit dem Kindergarten kenne, aber immer für ein wenig zu extrovertiert und laut hielt, um mich wirklich mit ihr zu beschäftigen. Die Unterhaltungen sind anregend und anstrengend, man fühlt sich akzeptiert und doch nicht vollständig verstanden, denn davon trennen einen doch noch einige Unterschiede.

Man kann nicht immer den Tapetenwechsel suchen. Manchmal möchte man einfach das Gefühl, auf einer Wellenlänge zu sein, genießen.
Es ist großartig, jemanden zu finden, der einen versteht, der einem aus der Seele spricht. Nicht zu vernachlässigen sind aber Menschen, die uns in die Seele sprechen können, uns berühren, bewegen und mental anstoßen. Es hilft nicht, sich völlig in dem Gegenüber widerspiegeln zu können, wenn keine Impulse zurückkommen. Es ist zu leicht, sich in seinem Spiegelbild zu verlieren.

Völliges Verständnis kommt mir manchmal verdächtig vor. Redet man mir nur nach dem Mund? Alles Heuchelei? Permanenter Konsens ist auch ermüdend, sich gegenseitige geistige Anregung durch leicht variierende Ansichten ist oft angenehmer. Ein Gespräch trägt im Idealfall zum persönlichen Glück und der Weiterentwicklung aller Beteiligter bei.
Anschließend fühlt man sich erleichtert, wieder aufnahmefähig, klar. Nach einem so angeregten Gespräch kommt die Stille, in der man tief durchatmet und zufrieden ist. Als würde man nach einem Sommerregen die saubere Luft einatmen und sich diesen Moment möglichst gut einzuprägen zu versuchen.
Diese Stille ist entspannt, denn es hängen keine ungesagten Worte bedrückend in der Luft. Worte haben Gedanken ausgetauscht und die Geister verbunden.
Sich ohne Worte zu verstehen ist vielleicht das erstrebenswerteste Gespräch.

Apfelkern

3 Kommentare:

  1. Interessantes Thema.
    Ich habe den Eindruck, dass du, wenn du redest in die Philosophie abschweifst und dich nur mit den "wichtigen" Themen der Welt auseinandesetzt.

    Ich rede auch gern über die ernsten Dinge (aber auch unernsten Dinge des Lebens), mag es sehr, wenn man auf gleicher Wellenlänge ist, kann es aber absolut nicht ausstehen, wenn Leute opportunistische Ansichten haben oder eben IMMER auf ihre Meinung beharren, auch wenn sie nicht mal sicher sind, ob es auch stimmt. Hrrrgh..

    Und Leute, die partout nicht merken, dass sie unglaublich nerven. Da versucht man höflich abweisend zu sein,z.B. indem man wortkarg ist und dauernd wegguckt, und es wird nicht gemerkt und trotzdem versucht ein Sinnlosgespräch aufzubauen. "wie gehts" ist einfach nichts, wo ich ein Gespräch aufbauen will.

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    1. Opportunistische Meinungsanpassung und stures Beharren auf einer Meinung sind die Kriterien, die im Falle der Erfüllung einen Menschen meiner Ansicht nach zu einem schlechten Gesprächspartner machen.
      Genau wie du mag ich auch die reinen Smalltalkgespräche nicht besonders gern. Zum kurzen Zeitvertreib und als Einstieg in ein "richtiges" Gespräch sind sie in Ordnung, doch wenn sämtliche Konversationen nur Smalltalk sind, habe ich wenig davon.

      Der Eindruck, ich könnte nur über "ernste Themen" rede (für dich eher schreibe) täuscht. Natürlich grübel ich gern über etwas nach, doch ich kann auch stundenlang ich über die flachesten Witze lachen, über Rezepte, Rouge und Serien (nur eine kleine Auswahl) Stuss erzählen. Ich habe nur nicht das Gefühl, dass ich den Blog allein mit Albernheiten füllen sollte, denn solche Blogs gibt es zur Genüge.
      Es ist wichtig, im Leben nicht nur alles ernst zu nehmen - ein wenig Spaß und Albernheit muss auch sein.

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  2. Diese unangenehme Stille stellt sich auch bei mir meist ein, wenn ich mit dem Gespächspartner nicht viel Anfangen kann, meist weil seine Interessen mich überhaupt nicht interessieren, oder weil ich ihn als Person nicht ausstehen kann.
    Ich habe jedoch zu meinem erstaunen festgestellt, dass ich mit Personen, deren Grundeinstellung fast schon konträr zu meiner ist, stundenlang reden kann,da es einfach so viele Punkte gibt, über die man diskutieren kann/muss. Ich unterhalte mich mit diesen Personen sehr gerne und habe selber darüber gestaunt, dass ich nicht schon vorher auf die Idee gekommen bin, mich mit ihnen auseinander zu setzen. Aber für einige Dinge benötigt man an anscheinend erst eine gewisse geistige Reife.
    Am liebsten Rede ich aber wie du mit Personen, deren Meinungen leicht von meiner abweichen und ich so meinen geistigen Horizont erweitern kann. Solche Gespräche erfüllen mich immer wieder mit Glück!

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