Donnerstag, 23. Februar 2012

Bloggerus vulgaris rarus

Wer diesen Artikel liest, ist mit recht großer Wahrscheinlichkeit selbst Blogger oder zumindest regelmäßiger Leser diverser Blogs. Wir sehen daher Blogs als Teil unseres Alltags.

Im Unterricht sind moderne Medien ein beliebtes Thema und so wurde uns heute auf dem hochmodernen Whiteboard eine Liste englischer Vokabeln präsentiert, die mit dem Internet in Zusammenhang  stand. Die aufgelisteten Vokabeln sollten wir uns gegenseitig in englischer Sprache zu erklären versuchen. Was ist eine App, eine Cloud, Google, was ist eigentlich Twitter, was ist es, das sich Podcast schimpft und was bitte ist ein Blog, sollten wir unter anderem klären.

Schnell zeigte sich eine Spaltung der Schüler in zwei Gruppen: die aktiven Nutzer und die passiven Nutzer, wie ich sie hier einmal nennen möchte.
Die so betitelten passiven Nutzer sehen sich bei YouTube Videos an, suchen nach Informationen, laden vielleicht Dateien herunter  und stellen einen Teil sozialer Netzwerke dar, sind von den dort gemachten persönlichen Konversationen abgesehen im Internet aber nicht produktiv. Die eher aktiven Nutzer dagegen sind diejenigen, welche eigene YouTube Kanäle, einen Account bei deviantART oder eben auch einen Blog haben. Es sind diejenigen, die aktiv Daten für die Öffentlichkeit produzieren und diese auch auf einem Weg verbreiten.

Apps waren der Mehrheit genauso bekannt wie Twitter, doch als in die Runde gefragt wurde, was denn ein ein Blog sei, gab es nur allgemeine Verunsicherung.  Wilde Spekulationen wurden in den Raum geworfen, was ein Blog den nun sei.

Ein Website, auf der berühmte Menschen für ihre Fans über ihren Alltag und ihre Erlebnisse schreiben.
Eine online Spielwiese für egozentrische Selbstdarsteller.
Bloggen ist ein Hobby einsamer Sonderlinge.
Das ist etwas für die richtigen Nerds.

Ich musste mich sehr anstrengen, nicht zu lachen.
Nie hätte ich gedacht, dass Blogs im Alltag vieler so wenig präsent sind, bin ich selbst doch nahezu täglich damit in Kontakt. Tatsächlich wussten einige gar nicht konkret, was Blogs sind und hatten keine Vorstellung, wie diese aussehen könnten und wozu sie gut wären.

Von diesem Unwissen war ich überrascht, doch schnell erinnerte ich mich an die Zeit, in der ich noch keine Blogs las. Damals in den Ardennen.
Über diese ominösen Blogs stolperte ich nur, wenn darüber in Funk, Fernsehen und Presse berichtet wurde. "Durch eine Bloggeraktion konnte erreicht werden, dass xyz" 
Und ich wunderte mich, wer so etwas denn machte. Wer bitte verbringt seine Freizeit damit, unbezahlt Texte für eine vielleicht nicht einmal vorhandene Leserschaft zu schreiben? Und warum bitte sollte ich Informationen über mich auf dem goldenen Tablett servieren, damit jeder anonyme Idiot sie einsehen und kommentieren kann?
Allesamt Sonderlinge, diese Blogger. Da schreibe ich doch lieber weiter klassisch mein analoges Tagebuch auf Papier.

Nachdem ich darauf aufmerksam geworden bin, dass sich in meinem Umfeld tatsächlich solch ein mysteriöser Bloggerus vulgaris befand und ich auch noch durch erfolgreiches Stalken den dazugehörigen Blog fand, begann ich diesen Fall konzentriert zu verfolgen. Ich war beeindruckt von dem regen Austausch, den Einblicken in die Köpfe Fremder und den Wert dieser persönlichen Seiten als Quelle der Inspiration und Unterhaltung. Mir wurde klar, dass es ein Weg war, seine Gedanken mit mehr Personen als den eigenen Freunden zu teilen und durch deren Reaktionen selbst neue Impulse zu bekommen.
Irgendwann geschah dann, was ich nie erwartet hätte: ich wurde selbst zu einem so merkwürdigen Blogger.

Schnell hatte ich vergessen, dass ich einst selbst einen so verzerrten Blick auf die Bloggossphäre hatte und nun wurde ich wieder damit konfrontiert.
Aber was sollen die Menschen, die keine regelmäßigen Blogleser oder gar Schreiber sind auch denken, wenn sich in ihrem Umfeld keiner der wenigen Blogger als solcher zu erkennen gibt? Ich schweige doch genauso über mein für so sonderbar gehaltenes Hobby.
Bemüht,  mich nicht direkt als Blogger zu offenbaren, erklärte ich, dass Blogs nicht Berühmtheiten vorbehalten, sondern für alle offen seien. Ich nannte es eine Plattform zur freien Gestaltung mit eigenen Überlegungen und persönliche Erinnerungen, die von anderen einsehbar und kommentierbar ist.

Man sah mich an, als wäre mein Englisch zwar angemessen, der Inhalt der Worte aber unsinnig. Als würden nur einflussreiche Journalisten, Politiker und andere bekannte Personen bloggen. Das stimmt zwar auch, aber ...
Ich verkniff mir weitere Kommentare. Blogs scheinen nicht wirklich im Herzen der Gesellschaft angekommen zu sein, doch trotz dieses Anscheins will ich sie auch nicht als Randgruppenerscheinung bezeichnen.

Wir erhielten einen Text über ein Projekt namens YOUmedia, das Jugendlichen das Erlernen des Umgangs mit den modernen Medien, insbesondere dem Internet ermöglichen soll.

Ein Teil der Aufgabenstellung: Write a blog referring to the aspects that you discussed before and the information you discovered on the website.

Ich sprach die Lehrerin persönlich darauf an, dass es vielleicht günstiger wäre, write a blog entry oder write a blog post  statt gleich das Schreiben eines ganzen Blogs in der Aufgabenstellung durch die von ihr verwendete Formulierung zu fordern. Sie bestätigte mir zwar, dass man tatsächlich nur einen Blogeintrag schreiben solle, fasste es aber in die Worte "Nur einen Blog, ja".
"Ein einzelner Eintrag heißt Post."
Verwirrter Blick in meine Richtung, Kopfschütteln.

Tja, Blogs sind anscheinend doch noch eine Randgruppenerscheinung.
Immerhin wusste neben mir auch nur eine weitere Person, was ein Podcast ist. Es wäre ja auch zu schön, wenn nur die Blogs so missachtet würden.


Apfelkern

12 Kommentare:

  1. Hätte ich nicht gedacht, dass wir solche "Randgestalten" sind ;) , aber irgendwie fast schon wieder beruhigend *schmunzel*

    Liebe Grüße und komm gut in den Freitag, Nachteule ;)

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  2. Hatte ich Montag am Telefon: "Und was schreibst du da? Und wer liest sowas?"

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  3. als randgestalten würde ich uns auch nicht bezeichnen. :D

    ich glaube, die meisten menschen in meinem alter denken, dass blogs nur etwas für aufmerksamkeitsgeile makeup-modetussis ist. schon lustig. :)

    liebe grüße

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  4. Ich frag mich grad warum eure Lehrerin so ein Thema anfängt, das sie scheinbar selbst nicht einmal auf Wikipedia nachgeschalgen hat :/

    So eine Blöße würde ich mir nie geben wollen. Schade dass sie dich nicht nach Nachhilfe gefragt hat, wäre angebracht gewesen. Oder! xD warum fragt ihr sie nicht ob sie einen "Beispielblog" erstellt.
    Man soll ja auch als Lehrkörper immer mit gutem Beispiel voran gehen...

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    1. Es ging in der Stunde nicht hauptsächlich um das Bloggen, sondern um englische Vokabeln der täglichen Internetnutzung. Die Lehrerin ist zwar bezüglich der englischen Sprache durchaus fähig, doch hinsichtlich des Internets und der Technik hat sie offensichtlich einige Schwierigkeiten. Häufig lässt die daher das Whiteboard von den Schülern bedienen und wünscht sich die klassische Tafel zurück.

      Sie wollte herausfindenn, inwieweit wir als junge Generation diese täglich im Netz auftretenden Begriffe tatsächlich kennen. Allerdings ist mir auch nicht klar, weshalb sie nicht zumindest für die Aufgabenstellung ein wenig genauer recherchiert.
      Das Thema hätte sie wahrscheinlich nie freiwillig gewählt, da sie von sich selbst aus nie einen Blog lesen würde. Aber das Thema steht ja auf dem Lehrplan.

      Ein Beispielblog ist eine interessante Idee - die sie jedoch in die Verzweiflung treiben würde, da es sie schon ins Schwitzen bringt, eine Videodatei von einem USB Stick abzuspielen. ;)

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    2. Ich finde das klingt nach einer guten Herausforderung! und mich persönlich würde das Innere Denken eines Englischlehrers mal interessieren. Falls sie sich mal dazu entschließen sollten, lass mir den Link zu kommen, ja? xD

      P.S.: Mediankompetenz oder zumindst etwas in der Art ist bestimmt ein Muss im Lehrplan... ob Englishunterricht dafür der richtige Ort ist... naja. Verkehrt ist es sicher nicht. Und ich denke selbst unter Bloggern wissen nicht alle unbedingt was mit den verenglischten Begriffen anzufangen... ist es normal dass das P.S. länger ist als die eingentliche Nachricht?

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  5. Ich denke, es gibt (leider?) eine Menge Blogs, die sich vor allem Mode, Lifestyle und anderen Themen widmen, die zwar den Geschmack der Masse treffen, aber sich nicht wirklich durch eigene Gedankengänge auszeichnen. Blogs, in denen sich Menschen über ihr soziales Umfeld, die Politik etc. teilweise sehr philosophische Gedanken machen sind wahrscheinlich echt in der Unterzahl. Ich würde dir also zustimmen, dass Blogs wie deiner und vieler anderer in diesem Milieu eher eine Randerscheinung sind. Aber ich würde sage, dass man auf diese "Randerscheinungen" wirklich sehr stolz sein kann :)

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  6. Ich blogg zwar selber auch und einige meiner freunde und mein vater auch, aber ich persönlich finde "bloggen" als Hobby immer noch ziemlich nerdy. die anderen beiden schreiben zwar über ernstere themen als ich und haben erfolg mit ihren blogs, aber so wirklich gesellschaftsfähig ist "ich hab nen blog!" nicht. mich stört das aber auch nicht.

    Liebe Grüße
    Anni

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  7. Haha! ^^ Ich glaube ich hätte mich schlapp gelacht. Das witzige an solchen Aussagen ist ja, dass derjenige der sie gamcht hat, meist auch 100%ig davon überzeugt ist was er sagt, ohne jemals Einzelheiten erfahren zu haben. Es ist immer wieder lustig wie stur die Menschen sind. Sie sind Gewohnheitstiere und streuben sich gegen jede Neuerung, völlig egal ob sie sehr viel besser ist als dessen Vorgänger. Hach... wieder sehr gute Lektüre bei dir. =D

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  8. Ich bin mit DIY aufgewachsen und deshalb gewohnt, auf meine Art ein Teil zu werden. Selber ein Instrument spielen, selber mit der Kamera herumprobieren oder selber etwas schreiben. Früher war das, was ich in der Regel schreibe, Bestandteil s/w-kopierter Fanzines. Der Vorteil des Internets ist es halt, daß man keine Vorlaufkosten hat und auch keine Kosten zurückbekommen muß. Der Text ist also sowohl für den Schreiber als auch den Leser kostenfrei.
    Um ehrlich zu sein habe ich aber noch nie Kontakt zu einem realen Menschen gehabt, von dem ich weiß, daß er einen Blog betreibt. Zu fern ist mein erwachsenes Leben von einem Alltag, in dem solche Aktivitäten eine zentrale Rolle spielen. Außerdem bleibt beim individuellen Blog ja auch oft aus, daß sich eine ganze Redaktion herausbildet.
    Ich kenne wenige Leute, die im Alltag auch mal über einen Blog stolpern, weil sie Informationen suchen. Blogleser kenne ich hingegen oftmals als Blogbetreiber. Die Masse der Menschen im realen Leben aber nehme ich so wahr, daß sie entweder gar nicht mit Blogs in Berührung kommen, oder inhaltlich wie strukturell mit Blogs nichts anfangen können.
    Es scheint tatsächlich für viele nicht einfach zu sein, sich in die chronologische Reihenfolge von Blogposts hineinzuversetzen. Außerdem finde ich auch schade, daß es nicht schick zu sein scheint, ältere Blogposts zu durchstöbern (hier verursachen Google und Linkverzeichnisse normalerweise die Zugriffe) und vor allem zu kommentieren. Gerade bei oft zeitlos angelegten Artikeln meinerseits wünsche ich mir da andere Konventionen als nur das letzte Posting mit dem eigenen Stempel zu versehen. Offenbar geht es aber vielen mehr um die eigene Präsenz als einen zu vermittelnden Inhalt. Das bringt dann auch die Egozentrik wieder ins Spiel. Alles vermutlich Gründe, warum man sich als Blogger regelmässig hinterfragt, für wen und warum man den Käse eigentlich schreibt.

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  9. Puh, das hätte ich in der Deutlichkeit nicht erwartet.

    Nun denn, dann gehären wir eben zu er berühmten Elite der Promis ^^

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  10. Von Unverständnis bishin zu Beleidigungen kann ich auch ein Lied singen und finde es zum Kotzen. >:(

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